Gemeinderat, 58. Sitzung vom 18.11.2019, Wörtliches Protokoll - Seite 12 von 30
Probleme lösen werden. Wie erklären Sie den Menschen draußen, dass Ihr Zehn-Punkte-Programm für die Rettung des Wiener Gesundheitsprogramms nicht nur einen Pferdefuß hat, sondern gleich mehrere, da Sie so gut wie alle hier wissen, dass mindestens die Hälfte davon aus den unterschiedlichsten Gründen nicht erfüllbar sind beziehungsweise daran gearbeitet wird. Ob es rasch genug geschehen kann, darüber kann man reden, zum Beispiel, warum es noch immer nicht genug Primärversorgungseinheiten gibt. Aber Sie sagen nicht dazu, weshalb es so schwierig ist, unter den gegebenen Rahmenbedingungen genau dieses gute Modell zu forcieren: Weil die Rahmenbedingungen sehr schwierig sind; weil Änderungen von der Gebietskrankenkasse und Ärztekammer erarbeitet werden müssen, weil es Vertragsverhandlungen mit der Sozialversicherung für Österreich gibt und jetzt auch pro Bundesland Vertragsverhandlungen. Das Land hat hier keine Entscheidungskompetenz, es liegt bei der Sozialversicherung und bei der Ärztekammer.
Was Wien tut, um das Thema voranzubringen: Die Gemeinde Wien unterstützt, wenn PVEs gegründet werden, zum Beispiel durch Wiener Wohnen. Das heißt, die rasche Installierung von Primärversorgungseinheiten zur Entlastung im System betrifft nicht nur Wien, sondern ganz Österreich. Ich könnte jeden einzelnen Punkt erzählen, Punkte jetzt aufdröseln und mit Ihnen darüber reden, was davon realistisch ist, was davon sowieso geschieht und dass man so wichtige Umwälzungen wie die Neugestaltung eines Gesundheitswesens nicht morgen erledigen kann. Das könnten Sie genauso wenig, wenn Sie die Entscheidungsträgerin wären.
In einem Punkt bin ich ganz und gar bei Ihnen: Ja, es braucht Transparenz, das wollen auch wir. Auch Budgets sorgen für Transparenz, weil dort nachlesbar ist, wofür Geld gebraucht wird, wann es gebraucht wird und wo es fehlt. Aber darüber reden wir ja demnächst.
Nur, damit auch die Menschen, die draußen zuhören oder zusehen, es wissen: Personal wächst nicht auf der grünen Wiese, weder in Wien noch sonst wo und auch nicht in Europa. Eine ganze Generation von Pflegekräften und Ärzten und Ärztinnen geht in Pension. Wenn Sie jetzt sagen, da hätte man vorsorgen müssen, dann erklären Sie mir bitte, wie. Die Generation nach den Babyboomern, zu denen viele hier gehören, gehört zur Wohlstandsgeneration, die schlicht und einfach weniger Nachwuchs geliefert hat, also auch weniger Nachwuchs genau für diese Berufe.
Aber weil ich dafür bekannt bin, sachlich und pragmatisch zu sein, wundert es mich, dass gerade Sie als Gesundheitssprecherin und Gesundheitssprecher so tun, als ob Sie nicht wüssten, welche der Probleme im Gesundheitswesen woher kommen. Wenn wir an die ÄrztInnenausbildung denken, die wir nicht steuern können, damit am Ende mehr ausgebildete Ärztinnen und Ärzte die Mangelfächer annehmen, zum Beispiel Kinderheilkunde oder Allgemeinmedizin, solange werden wir bei sogenannten attraktiven Fächern einen Überhang haben, und bei denen, wo die Not am größten ist, einen Mangel, weil Sie niemanden dazu zwingen können. Das klinisch-praktische Jahr sollte helfen, aber Sie wissen ganz genau, dass die Steuerung für ein Mangelfach auch dort mehr als schwierig ist, weil Jungärzte schlichtweg in einem kapitalistischen System, in dem wir ja alle leben, an ihre existenzielle Zukunft denken und sich lieber für ein gut dotiertes Fach entscheiden, anstatt Allgemeinmedizin zu machen. 80 Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner pro Jahr auszubilden, ist das Ergebnis. Und Sie selbst wissen sehr gut, dass das nicht reicht. Also tun Sie nicht so, als ob Sie das nicht wüssten.
Und wenn Sie als Wirtschaftspartei dann auch noch Ideen wie die Pflegelehre zur Lösung des Pflegekräftemangels lautstark ausrufen, kann ich Ihnen unsere Position dazu ebenso lautstark erklären: Wir sind dagegen, weil Sie ganz junge Leute in eine Lehre schicken, die eine Sackgasse ist. Wenn Sie das als Lösung des Problems vorschlagen, ist klar, dass Sie hier der Wirtschaftskammer Österreich das Wort reden und nicht darüber reden wollen, was hinter dieser Pflegelehre steckt. Einfach den Fächerkanon der Diplomausbildung ins Konzept hineinschreiben, bei dem ganz klar ist, dass man das weder einem 15 oder 16 Jahre alten Menschen zumuten kann noch den PatientInnen. Das ist keine Lösung des Pflegekräftemangels, das ist einfach eine Mogelpackung. Übrig bleibt, dass diese jungen Menschen am Schluss Pflegeassistentinnen und -assistenten sind, die kaum den Sprung in eine weitere Ausbildung schaffen, die ihnen eine Entwicklungsmöglichkeit oder Karrierechance in der Pflege eröffnet. Und dann sind sie ganz schnell wieder weg aus der Pflege. Seien Sie doch ehrlich und geben Sie zu, dass eine Ausbildung für Pflegekräfte kein Crash-Kurs ist, sondern eine umfangreiche, hochqualifizierte Ausbildung, die Zeit braucht. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)
Deshalb braucht es eine BHS, um junge Menschen in die Pflegeberufe zu bringen, mit einer qualifizierten Ausbildung statt einem Schnellschuss. Auch Pflegekräfte, auf welcher Ausbildungsstufe auch immer, haben längst erkannt, dass sie trotz eines familienunfreundlichen Berufes nicht stecken bleiben wollen, sondern sich weiterentwickeln. Wenn die Ärztekammer über die imh-Studie als Beleg für die Wiener Spitalskrise berichtet, staune ich, weil hier einfach Fakten vermischt werden. - Übrigens habe ich versucht, diese Studie zu finden, es ist mir nicht gelungen. - Die imh-Studie erhebt das Vertrauen der Mitarbeiter in ihrem eigenen Krankenhaus und beschreibt die größten Herausforderungen an das Krankenhaus der Zukunft. So weit so gut, und interessant, würde man die Studie nachlesen können. Die Ergebnisse waren gemäß der Studie, dass die ambulante Versorgung in Österreich lückenhaft sei und Nachfolgeeinrichtungen fehlen würden. Außerdem sei Österreich als Ganzes für den demographischen Wandel nicht gerüstet. In welchem direkten Zusammenhang das mit der Spitalskrise in Wien steht, ist mir nicht ganz einfach nachvollziehbar. Sie meint ja offenbar, dass die Wiener Spitäler die Ursache des Problems sind. Hier sind es aber die Umgebungskriterien, die in ganz Österreich zutreffen, und dabei sollten Sie auch an die Arbeit der früheren Bundesregierung denken, die sehr viel verabsäumt hat,
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