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Gemeinderat, 59. Sitzung vom 19.11.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 28 von 55

 

jetzt zum ersten Mal in meinem Leben auch in Auschwitz und kann auch nur jedem raten, sich das einmal anzusehen, allein die Dimension von Birkenau, wo man ein Dorf dem Erdboden gleichgemacht und umgesiedelt hat, wo ein Vernichtungslager quadratkilometergroß ist. Es ist einfach eine derartige Industrie gewesen. Seines Zeichens gibt es nichts anderes.

 

Was jetzt den Ort betrifft, wir haben ja ein Denkmal über die Shoah am Judenplatz. Dieses Denkmal, auch von einer berühmten Künstlerin gestaltet, ist ein Block, der eine Bibliothek mehr oder weniger nachahmt. Man muss sagen, wenn man auf den Judenplatz kommt, da stehen der Lessing und dieser Block, und es ist immer eine gewisse Ruhe dort. Das ist komisch. Also ich meine, gehen Sie einmal hin und versuchen es. Irgendeine würdige Stille ist auf diesem Platz. Jetzt könnte man sagen: Es gibt dieses Denkmal hier, warum auch noch eine Namensmauer? Ich bin, ehrlich gesagt, nicht dieser Ansicht, weil es gibt zwei Dinge, was man tun muss, wenn man ein Volk vernichten will: Man muss einmal alle seine kulturellen Erzeugnisse vernichten und man nimmt ihm den Namen weg. Namenlos ist nichts. Deswegen ist das, was im Ostarrichipark geplant wird, und wir haben es jetzt zwar gesehen - ich habe irgendwo (Der Redner sucht in seinen Unterlagen.), irgendwo sollte ein Foto sein, wie das ausschaut, nein, habe ich jetzt nicht mehr. Das wird wie so ein heiliger Hain geplant, eine Stätte der Ruhe auch. Also von den Planungen her sieht man das nicht wirklich. Auf der Homepage von Ihnen sieht man es und ja, ich kann mir vorstellen, das ist ein würdiges Denkmal, wo man die Namen drinnen hat. Der Herr Tutter hat ja auch gesagt, es müssen Nachname, Vorname, Geburtsjahr von jedem dort stehen. Es war auch eine große Arbeit, das zu recherchieren. Aber es wird mit Sicherheit ein sehr guter Platz und ein sehr würdig aussehendes Denkmal.

 

Lassen Sie mich nur eines sagen: Es steht in dieser Homepage auch von früheren Verfolgungen drinnen. Also es ist ja die Wiener Gesera, ich hoffe, ich spreche das richtig aus, nur das ist natürlich in der Dimension nicht vergleichbar. Da hat der Erzherzog Albrecht aus irgendwelchen Gründen beschlossen, dass alle Juden aus Wien und Niederösterreich gehen müssen oder umgebracht und gefoltert werden. Und wenn man öfter hinauffährt in den Norden, dann sieht man Drasenhofen und gegenüber ist Nikolsburg. Nikolsburg war auch schon im 15. Jahrhundert Mähren, und da haben sich die Juden in Mähren, in Nikolsburg, angesiedelt. Sehr empfehlenswert, sich das anzuschauen. Nikolsburg hat 50 Prozent jüdische Bevölkerung gehabt. Ja, das ist jetzt weder eine Entschuldigung - damals war das kein konsequentes Durchziehen. Das ging also bis zur Grenze von Niederösterreich und dann war es damit geschehen. Wenn wir uns dann dieses Netzwerk anschauen, wie das dann von 1938 bis 1945 durchgeführt wurde, so ist das mit nichts zu vergleichen.

 

Abschließend lassen Sie mich sagen: Wir stehen hundertprozentig zu diesem Denkmal. Wir sind, wie gesagt, der Meinung, das eine ist die Kultur. Das wird am Judenplatz mit dieser namenlosen Bibliothek symbolisiert. Und das andere ist, wenn man jemanden vernichten will, nimmt man ihm den Namen. Und indem wir ihnen die Namen wieder geben, geben wir ihnen, wie der Kollege Kunrath sagt, Würde wieder und auch Existenz wieder. Danke vielmals. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Zu Wort gemeldet ist Herr GR Dr. Schmid. Ich erteile ihm das Wort.

 

11.47.28

GR Dr. Gerhard Schmid (SPÖ)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geschätzten Damen und Herren!

 

Es freut mich, dass wir heute erstens einmal dieses Thema zu einem Schwerpunktthema gemacht haben und es in dieser Breite diskutieren können. Es freut mich, dass die Diskussion und die Wortmeldungen in dieser konstruktiven und harmonischen Art und Weise stattfinden. Ich glaube, es ist ein ganz, ganz wichtiges Moment, über dieses Thema zu reden. Mein Kollege und Freund Niki Kunrath hat ja bereits die Geschichte, die der Errichtung der Namensmauer vorausgeht, sehr ausführlich dokumentiert und ist auf viele Details eingegangen.

 

Ich habe Yakov Tutter vor einigen Jahren kennen gelernt als jemand, der mit einer unglaublichen Hartnäckigkeit seine Ziele verfolgt. Die Gespräche mit ihm waren nicht immer sozusagen von größter Harmonie geprägt, aber sie waren immer von sehr tiefer Freundschaft und Zuneigung und Respekt geprägt, und er ist mit ganz, ganz hohen Vorstellungen ans Werk gegangen. Er hat Politikerinnen, Politiker aller Fraktionen versucht zu erreichen, hat es immer wieder geschafft, Termine zu bekommen, hat es geschafft, die damalige Nationalratspräsidentin Barbara Prammer zu gewinnen, an die Spitze des Proponentenkomitees zu treten, das dann über viele Jahre dieses Projekt verfolgt hat. Und er ist mit ganz, ganz hohen Ansprüchen hineingekommen. Ich sage Ihnen auch ganz offen, es hat viele Diskussionen nicht über das Thema an sich gegeben und nicht über die Tatsache, dass diese Namensmauer in Wien errichtet werden soll, sondern es hat unterschiedliche Auffassungen über architektonische Fragen, unterschiedliche Auffassungen über Standortfragen gegeben. Es hat Kritik gegeben, weil auch manchmal in der Verwaltung zu langsam gearbeitet wurde. Aber es hat dann schließlich und endlich auch den Durchbruch gegeben, und es wurde eine Feasibility-Studie beauftragt, auf deren Grundlage das dann gemacht und entwickelt werden konnte.

 

Kurt Tutter hat auch im persönlichen Gespräch mit mir immer wieder gesagt: Schau, geh nach Brüssel, schau dir in Brüssel das Namensmauermonument an.

 

Man kann dort stehen, die Menschen können dort stehen und können viel näher bei ihren Angehörigen sein, viel eher mit ihren Gedanken und mit ihrer Zuneigung bei Menschen sein, die sie auf ganz, ganz tragische Art und Weise in der Shoah verloren haben.

 

Wenn wir heute dazu hier im Wiener Gemeinderat diskutieren und einen Beitrag leisten, dann geht es vor allem nicht nur um einen Geldbetrag, sondern es geht um einen tiefen symbolischen Wert, den unser heutiges Tun auch zum Ausdruck bringt. Ja, wir werden eine Förderung über 100.000 EUR beschließen. Ich möchte

 

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