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Gemeinderat, 59. Sitzung vom 19.11.2019, Wörtliches Protokoll  -  Seite 29 von 55

 

auch ergänzend sagen, die Stadt Wien stellt das Grundstück zur Verfügung und wird dann mit dem Zeitpunkt der Fertigstellung auch die Obhut über dieses Mahnmal übernehmen, was natürlich hier auch entsprechend berücksichtigt werden soll. Und diese 100.000 EUR sind aber ein Teil jener Verpflichtung, zu der sich die 9 Bundesländer auch in ihrer Gesamtheit bekannt haben, nämlich zu sagen, 12,5 Prozent der Gesamtkosten werden von den Bundesländern getragen. Wir sehen das sehr positiv. Wir glauben, so wie es der Kollege Ebinger vorhin auch sehr schön zum Ausdruck gebracht hat, dass es auch ein Ort der Einkehr sein wird, aber auch ein Ort, der vor allem für die jüngere Generation auch ein Ort der Verantwortung und der Verpflichtung sein muss. Es ist wichtig, dass wir uns der historischen Umstände und dieser furchtbaren und vergleichslosen Verbrechen der Menschheitsgeschichte erinnern. 66.000, 65.000, 66.000 ermordete Jüdinnen und Juden aus Österreich. Die Zahl kann sich immer weiterentwickeln, weil ja die Forschung in diesem Feld nach wie vor sehr, sehr aktiv ist. Aber es muss für die Jungen und für die Jüngeren auch ein Ort nicht nur des Gedenkens sein, sondern auch ein Ort der politischen Verpflichtung und der politischen Verantwortung.

 

Man muss auch in Zeiten wie heute, wo in vielen Bereichen der Wirtschaft die Ressourcen knapper werden, wo der Konkurrenzkampf steigt, wo die wirtschaftlichen Auseinandersetzungen, die Ungleichheiten in der Gesellschaft größer werden, gerade in diesen Zeiten ist es ganz, ganz wichtig, auch Einkehr zu halten und auch ein ständiges Bekenntnis zur Demokratie abzugeben, aber zu einer lebendigen Demokratie, die mit Inhalt erfüllt sein muss, zu einer Demokratie, die wir auch leben müssen und die sich in allen Bereichen der Gesellschaft widerspiegelt, und zu Grundwerten, zu denen wir uns bekannt haben wie zur Gleichheit, zur Gerechtigkeit und zur sozialen Verantwortung. Meine Damen und Herren, wenn wir heute diesen Beschluss fassen und wenn wir uns freuen, dass das dort vor der Nationalbank am Ostarrichiplatz errichtet wird und es einen Weg gegeben hat, das in Wien an einem sehr prominenten Ort zu machen, dann müssen wir uns auch immer klar werden, dass das für uns auch in Zukunft für alle, die politisch tätig sind, die gestaltend tätig sind, auch eine Verpflichtung ist, damit wir sozusagen das Hegel‘sche Wort, wonach die Geschichte uns nur lehrt, dass man aus ihr nichts lernt, dass wir das sozusagen durch unser eigenes Tun und Handeln widerlegen können.

 

Ich möchte meinen Redebeitrag mit einem Zitat abschließen, das lautet: „Wo immer schweres Leid über die Menschen gebracht wird, es geht uns alle an. Vergesst nicht, wer Unrecht lange geschehen lässt, bahnt dem nächsten Unrecht den Weg. Nichts kommt von selbst und nur wenig ist von Dauer. Darum besinnt euch auf eure Kraft und darauf, dass jede Zeit eigene Antworten will und man auf ihrer Höhe, auf der Höhe dieser Antworten zu sein hat.“ Eine der letzten Reden von Willy Brandt aus dem Jahr 1992. Danke. (Beifall bei SPÖ, GRÜNEN und ÖVP sowie von StRin Ursula Schweiger-Stenzel.)

 

Vorsitzender GR Mag. Dietbert Kowarik: Zum Wort gemeldet ist nunmehr Herr GR Weber. Ich erteile ihm das Wort.

 

11.54.12

GR Thomas Weber (NEOS)|: Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Galerie, schön, dass Sie da sind, willkommen im Wiener Rathaus!

 

Ich möchte mich zu Beginn meiner heutigen Wortmeldung sehr herzlich bei meinen Vorrednern für die Würde ihrer Wortmeldung bedanken, die bei dem Thema auch, wie ich meine, angebracht ist. Der Österreichische Nationalfonds ist 1995 bei der Parlamentsdirektion eingerichtet worden. Der Weg dort hin war ein jahrzehntelanger Prozess. Und dieser Prozess ist 1991 mit den Worten des damaligen Bundeskanzlers Dr. Franz Vranitzky ins Rollen gebracht worden, der gesagt hat: „Wir bekennen uns zu allen Taten unserer Geschichte und zu den Taten aller Teile unseres Volkes, zu den guten wie zu den bösen. Und so wie wir die guten für uns in Anspruch nehmen, so haben wir uns für die bösen zu entschuldigen bei den Überlebenden und bei den Nachkommen der Toten.“ Eine ganz besondere Rolle kommt dem Österreichischen Nationalfonds in der Arbeit mit dem persönlichen Kontakt zu. Erstmals hatten die Betroffenen die Möglichkeit, mit einem Vertreter des offiziellen Österreich über ihr eigenes Schicksal zu sprechen, über das Schicksal ihrer Freunde und ihrer Familie. Ein Sprechen, das immer bedenken muss, dass, so wie Heinz Fischer es formuliert hat, Schmerzen, Angst, der Verlust der Familie und der Heimat niemals wieder gutgemacht werden können. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)

 

Die Hoffnung des Österreichischen Nationalfonds zu vermitteln, die Verbindung zur ehemaligen Heimat wieder herzustellen, konnte auch zum Teil erfüllt werden. Viele Briefe geben davon Zeugnis. Einer der Briefe lautet: „Meine Tochter wird mich diesen Sommer nach Wien begleiten. Ich werde nach Döbling gehen, wo ich geboren bin, zum Türkenschanzpark, wo ich mit meinem Mann gewohnt habe. Ich werde auf den Kahlenberg fahren, auf den ich gerne gelaufen bin. Ich werde zurück nach Hause nach New York fliegen und dankbar sein, dass ich in meinem Leben noch einmal in Wien war.“

 

Eine der großen Bedeutungen des Nationalfonds liegt aber auch darin, dass er erstmals Opfergruppen adressiert hat, die bisher keine Würdigung durch die Republik Österreich erfahren haben, die sogenannten Kinder vom Spiegelgrund, Bevölkerungsgruppen wie die Roma und Sinti, die Wehrmachtsdeserteure und die Lesben und die Schwulen. Erst 1995 wurden die auf Grund einer Behinderung verfolgten Opfer der NS-Zeit in das Opferfürsorgegesetz aufgenommen. Und erst 2005 wurden die wegen ihrer Homosexualität verfolgten NS-Opfer durch das Opferfürsorgegesetz anerkannt. 2005! 60 Jahre lang mussten Lesben und Schwule auf ihre Rehabilitierung und ihren Rechtsanspruch auf Entschädigung warten. Zu spät, erlebt hat das keiner mehr von ihnen. 2005 waren alle homosexuellen Opfer, die in der Vergangenheit Entschädigungsanträge gestellt hatten und die mangels Rechtsgrundlage abgelehnt wurden,

 

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