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Gemeinderat, 3. Sitzung vom 16.12.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 27 von 101

 

Wenn wir nachfragen und überlegen, wie denn die aktuelle Situation, die Corona-Pandemie die Menschen belastet, denn sie belastet insgesamt alle, dann ist festzustellen, dass Frauen stärker belastet sind als Männer.

 

Richten wir einen Blick auf die Familien: Jede 2. Familie ist belastet, Mütter stärker als Väter. Jeder 2. Haushalt mit mindestens einem Kind unter 15 Jahren gibt an, stark belastet zu sein, und da sind die Mütter eben am stärksten gefordert - im Zusammenhang natürlich mit dem sozialen Status. Wo Kurzarbeit auftritt, Arbeitslosigkeit Einzug gehalten hat, gibt es natürlich einen Schwerpunkt bei Familien, bei Alleinerzieherinnen mit schlechten Arbeitsverhältnissen in der Schicht der Arbeitnehmer, wo 23 Prozent in Kurzarbeit und 11 Prozent als arbeitslos gemeldet wurden. Zugehörig zur oberen Mittelschicht ist es deutlich weniger. Homeoffice führt, so stellt man fest, nicht zur besseren Vereinbarkeit. Die Eltern arbeiten weniger und nachts. Es ist also bereits so weit gekommen, dass, um alle Aufgaben zu vereinbaren, viele Frauen, viele Mütter einerseits ihrer Arbeit nachgehen müssen und dann, um die Kinderbetreuung und alle anderen Aufgaben unter einen Hut zu bringen, auch in der Nacht arbeiten und daher natürlich einen massiven Einschnitt in ihrer Lebensqualität erfahren. In vielen Fällen sind alle Urlaubstage aufgebraucht, und man kann auch nicht auf Großeltern zurückgreifen.

 

Das heißt, eines der wichtigsten Dinge ist, und da bin ich froh, dass auch in Wien dieser Standpunkt vertreten wird, dass wir die Schulen und die Kindergärten offen lassen müssen. Es ist für die Familien nicht leistbar, auf Dauer wochenlang oder vielleicht monatelang die Kinder zu Hause zu haben und ihrer Arbeit nachzukommen. Daher ist es ein dringendes Gebot für alle Familien, die Kinder zumindest bis zum 14., 15. Lebensjahr haben, dass diese ungehindert in den Kindergarten und in die Schule gehen können, weil es unzumutbar ist, das auf Dauer in die Familien auszulagern. Es ist ja nicht nur, dass sie physisch vorhanden sind, man muss ja auch mit ihnen lernen, und das ist, glaube ich, ein riesengroßer Druck. Ich habe auch vielfach gehört, dass Eltern sagen: Ich kann das eigentlich gar nicht, ich habe das Gefühl, mein Kind kommt unter die Räder. - Das macht Sorgen und das macht Belastungen.

 

Wir sehen, dass die Zahl der Beratungsgespräche bei Psychologen extrem angestiegen ist. Vor allem Frauen kommen mit ihrer aktuellen Situation nicht mehr so zurecht, dass sie sagen können, sie tragen das ohne Belastung, sondern es gibt massive Belastungen. Wir wissen auch, dass die psychische und die physische Gesundheit miteinander zusammenhängen. Das heißt, es ist also unglaublich wichtig, und es ist vor allem für die Frauen unglaublich wichtig, dass die Kinder in den Kindergarten und zur Schule gehen können.

 

Zur psychosozialen Situation der Frauen während der Pandemie wurde festgestellt, dass sich eben bei den Frauen die psychische Gesundheit verschlechtert hat. Das hängt einerseits mit Unsicherheit zusammen: Die Unsicherheit um die Gesundheit, die Unsicherheit um den Arbeitsplatz, um das wirtschaftliche Überleben der Einzelperson oder der Familie. Das hängt aber auch damit zusammen, dass den Menschen eine sehr starke soziale Isolation nicht gut tut. Wir erleben es tagtäglich, und das wird jeder von Ihnen sehen, egal, ob es in der Parkanlage oder im Umfeld von Märkten, und so weiter ist, die Menschen ballen sich zusammen, sie brauchen einfach eine Gemeinsamkeit. Das trifft junge Menschen genauso wie alte. Bei allen Vorsichtsmaßnahmen, die notwendig sind, ist aber gleichermaßen notwendig, dass Menschen nicht dauerhaft über lange Zeiten in eine Isolation getrieben werden, weil das ihrer psychischen Gesundheit und damit natürlich auch ihrer physischen nicht gut tut.

 

Angst, Depressionen und Erschöpfung sind am weitesten verbreitet. Die Betroffenen sagen selbst, dass sich, wenn sie schon eine Vorerkrankung in dem Bereich haben, diese Zustände massiv verstärkt haben. Dasselbe sagen auch die regelmäßigen Aussendungen des Berufsverbands der Psychologen Österreichs, die eben deutlich machen, dass sie ihr Angebot verstärkt haben und dass dieses Angebot auch angenommen wird von den Menschen, die auch den nötigen Zugang dazu haben, die nötige Information dazu haben. Auf der anderen Seite wird in der Studie zur psychosozialen Situation der WienerInnen während der Pandemie auch festgestellt, dass ein Fünftel keine psychosozialen Unterstützungs- und Hilfsangebote kennt.

 

Da sehe ich auch einen leichten Zusammenhang mit den Ergebnissen der Tests, bei denen man sich einen weit höheren Zustrom erwartet hat. Wir müssen klar feststellen, dass es eine nicht zu kleine Gruppe von Menschen gibt - das wird ungefähr bei einem Fünftel liegen -, die keine Medien konsumieren, die sich an der Werbung, die sie im öffentlichen Raum vorfinden, offensichtlich nicht orientieren. Sie lesen keine Zeitungen, fernsehen aber auch nicht, oder, wenn sie fernsehen, empfangen sie die Kanäle nicht, in denen eben eine Information über unterschiedliche aktuelle Themen und Situationen in Österreich stattfindet. Das hängt natürlich damit zusammen, dass es Leute sind, die sich vielleicht überhaupt aus der Gesellschaft ausgeklinkt haben, das ist ein ganz kleiner Teil. Natürlich liegt das aber auch im Bereich der Zuwanderung, in dem eben die Integration überhaupt nicht stattgefunden hat, und in dem die Menschen aus ihrem eigenen Umfeld und ihrer Kultur bei uns und in unserer Gesellschaft nicht Fuß gefasst haben, das stellt das klar.

 

Das sagt auch diese Studie, dass vor allem unter Wienerinnen mit Migrationshintergrund und mit Kindern unter sechs Jahren psychosoziale Hilfs- und Unterstützungsangebote häufig überhaupt nicht bekannt sind. Wir bieten vieles an, das möchte ich überhaupt nicht in Abrede stellen, aber eines gelingt offensichtlich nicht, nämlich die entsprechende Kommunikation herzustellen, die auch notwendig ist. Wir haben also einerseits diese große Belastung, die auch in eine starke psychische Belastung übergeht, woraus auch physische Krankheiten entstehen können. Wir haben andererseits die Angst um den Arbeitsplatz und die Sorge, mit dem Geld auszukommen. In diesem Zusammenhang ist es natürlich notwendig, dass man auch entsprechende Unterstützun

 

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