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Gemeinderat, 71. Sitzung vom 30.06.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 79 von 110

 

Man braucht ja nur die Ergebnisse zu betrachten, die diese Untersuchungskommission betreffend - der Titel war ja schon sehr aussagekräftig - Missstände bei der Gewährung und Überprüfung der widmungsgemäßen Nutzung von Fördergeldern durch die Gemeinde Wien zutage gefördert hat. Wie Sie alle wissen, ist Wien dazu übergegangen, kommunale Aufgaben zunehmend nicht mehr in Eigenregie zu erbringen.

 

Wir sind hier in der Geschäftsgruppe Bildung, Integration, Jugend und Personal und als Beispiel zu dieser Geschäftsgruppe könnte man etwa die außerschulische Jungendbetreuung nennen. Es haben sich zahlreiche Vereine, angefangen von großen Vereinen wie Wiener Jugendzentren, wienXtra bis hin zu zahlreichen Parkbetreuungsvereinen in den Bezirken etabliert. Diese Konstruktionen unterminieren einerseits das Budgetrecht des Gemeinderates und andererseits die Kontrollrechte der Gemeinderäte, wie selbstverständlich auch die Aussagekraft des Stellenplans verringert wird. Das ist ja offensichtlich auch so gewollt. Die Ergebnisse der Untersuchungskommission beziehungsweise die Untersuchungskommission selbst hat ja auch eindeutig hervorgebracht, dass Sie sich durch Auslagerungen ein Biotop geschaffen haben, in dem sie ganz ungeniert parteinahe Strukturen versorgen oder, wenn Sie sogar zu faul sind, eine Umgehungskonstruktion zu wählen oder möglicherweise überheblich genug, die SPÖ selbst.

 

Auch der Rechnungshofbericht über den Verein Wiener Kinder- und Jugendbetreuung, das ist nunmehr die Bildung im Mittelpunkt GmbH, hat nachdrücklich aufgezeigt, dass eine wichtige Motivation für diese Ausgliederungen offenkundig darin besteht, dem Leitungspersonal Gehälter zukommen zu lassen, die weitaus höher sind als vergleichbare Gehälter beim Magistrat. Das Leitungspersonal wird natürlich, es ist Wien, aus dem politnahen Bereich rekrutiert und zum Zug kommen fast ausschließlich Personen mit Nähe zur SPÖ.

 

Deswegen bringe ich als ersten Antrag einen Antrag ein, dass die Stadt Wien Compliance-Regeln erlassen soll, um diesen Missstand zumindest etwas einzudämmen. Der Gemeinderat fordert den Bürgermeister der Stadt Wien auf, ein Compliance-Statut für stadtnahe Vereine und Gesellschaften auszuarbeiten und dem Gemeinderat zur Beschlussfassung vorzulegen. In einem solchen ist insbesondere sicherzustellen, dass aktive Politiker keine Vereinsfunktionen oder andere Leitungsfunktionen innehaben dürfen. Die Anstellung naher Angehöriger von aktiven Politikern ist grundsätzlich unzulässig. Der Abschluss von Dienstverträgen mit leitenden Angestellten ist vorab zu prüfen und auch, ob die Gehälter im Rahmen der Ansätze für den Gemeindedienst bleiben. Die amtsführenden Stadträte werden verpflichtet, die der Stadt Wien vereins- beziehungsweise gesellschaftsrechtlich zustehenden Kontrollrechte in den Rechtsträgern laufend und nachprüfbar wahrzunehmen und darüber dem Stadtsenat ein Mal im Jahr Bericht zu erstatten. - Ich darf diesen Antrag übergeben.

 

Aber es geht ja noch weiter: Um den Rest der Kontrollmöglichkeiten der Gemeinderäte zu unterminieren, werden den Ausschüssen, aber auch dem Gemeinderat selbst in den Geschäftsstücken, nennen wir es mal sehr freundlich, bestenfalls stark verschlankte Informationen gegeben, was freilich nicht ausreicht, damit sich die Mandatare ein ausreichendes Bild machen können. Auch diese Kritik, die durch Prüfberichte des Rechnungshofes und die Ergebnisse der Untersuchungskommission bestätigt wurde. Um den Gemeinderäten die Möglichkeit zu bieten, ihre Entscheidungen auf Basis fundierter Aktenkenntnis zu treffen, ist es daher notwendig, dass die Mitglieder des Gemeinderates umfassende Einsicht, nicht nur in das Geschäftsstück, sondern auch in den eigentlichen Magistratsakt nehmen können.

 

Ich darf dann in Folge die Anträge gesammelt übergeben, bringe aber hiermit formell den Antrag ein.

 

Es muss Ihnen schon klar sein, wir befinden uns in einer Rechnungsabschlussdebatte, und gerade im Bereich endlich zur Verfügung stehender Geldmittel ist es natürlich notwendig für den Politiker, auch eine politische Bewertung zu treffen. Abgelehnte Förderansuchen werden den politischen Entscheidungsorganen aber natürlich nicht zur Kenntnis gebracht. Ich habe es in der Vergangenheit selbst versucht, aber auch auf Anfrage hin wird über abgelehnte Förderansuchen den Gemeinderäten nicht berichtet. Dass das selbstverständlich verunmöglicht, sich ein Gesamtbild über die gestellten Förderansuchen zu machen und daraus eine politische Entscheidung abzuleiten, sollte eigentlich selbstverständlich sein. De facto besteht somit ein Durchwinken der vom Magistrat bereits getroffenen Vorentscheidungen und man erhebt den Magistrat zum eigentlichen Entscheidungsträger, Politiker sind nur noch die, die durchwinken.

 

Meine Damen und Herren, wir sind aber hier, wir sind der Souverän, das übersehen Sie. Sie haben mit dieser Vorgangsweise meines Erachtens eine ausgesprochen undemokratische und unparlamentarische Vorgangsweise gewählt.

 

Deswegen darf ich auch den diesbezüglichen Antrag einbringen, dass die fördergebenden Magistratsabteilungen den zuständigen Gemeinderatsausschüssen quartalsweise einen Bericht über abgelehnte Förderansuchen erstatten müssen.

 

Die Untersuchungskommission hat weiters hervorgebracht, dass sogenannte historisch gewachsene Strukturen in Wien bestehen, was mit anderen Worten nicht viel mehr bedeutet, als dass unterschiedliche Parteiinteressen mehrheitlich von Rot, seit Neuestem auch von Grün, bedient werden. In Wien herrscht somit ein Wildwuchs an Vereinen mit überschneidenden Tätigkeitsfeldern ohne erkennbare Struktur zur Finanzierung eines parteipolitischen Biotops, und dass wir da nicht zustimmen können, sollte Sie auch nicht verwundern.

 

Wie bereits in den Vorreden angesprochen, bedarf es daher einer vollkommenen Neustrukturierung und einer vollkommenen Neubewertung des Wiener Förderwesens. Organisatorisch bedeutet das zunächst, dass Wirkungsziele definiert werden müssen und die Frage, ob ein Wirkungsziel erreicht wurde, danach evaluiert werden muss. Nur auf Grund einer solchen ehrlichen Evaluierung wird nämlich eine Basis geschaffen, ob eine weitere

 

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