Gemeinderat, 74. Sitzung vom 24.09.2020, Wörtliches Protokoll - Seite 51 von 101
kann hier als Wirtschaftsmotor Wiens wegen des hohen Tourismusanteils und auch Dienstleistungsanteils angesehen werden.
Viele KMUs stehen auf der Kippe zur Insolvenz. Dass dies bis jetzt nicht so sichtbar wurde, hängt damit zusammen, dass zumindest bis jetzt Insolvenzverfahren nicht behandelt werden. Aber aufgeschoben vor der Wahl, ist bekanntlich nicht aufgehoben nach der Wahl. Nach der Wahl kann eine derartige Welle über Wien hinwegschwappen. Dies droht auch die über 9.000 Neugründungen in Wien zu treffen, auf die die Stadt Wien stolz ist. Hier heißt es vor allem, bürokratische Hürden und Verwaltungsaufwand abzubauen und die Hilfen leicht zugänglich zu machen. Sehr oft scheitert der mittelständische Unternehmer bereits an diesen Hindernissen. Die Dynamik der Verordnungen ist zu schnell, zu widersprüchlich und immer mit Kosten verbunden, auf denen die kleine und mittelständische Wirtschaft sehr oft sitzen bleibt. Wie mir ein Steuer- und Wirtschaftsberater erklärte, der tagtäglich mit der Corona-Misere zu tun hat, ist der Aufwand oft höher als der Nutzen. - Nicht gerade eine Empfehlung für den Finanzminister, der in Wien als Spitzenkandidat der ÖVP ins Rennen geht.
Manchmal lohnt es sich eher, zuzusperren als aufzusperren, und das ist sehr bedauerlich. Mehr Gesetzessicherheit und längere Fristen und Perioden gerade in dieser Krise sind erforderlich, um KMUs das Überleben zu sichern. Es ist unumgänglich, Firmen und Betrieben in einfacher Form Kapital zur Verfügung zu stellen. Wobei es natürlich einen Unterschied macht, ob es um kapital- oder personalintensive Unternehmen geht. Das Geld müsste langfristig zur Verfügung gestellt werden, denn in einer Krise, wie wir sie jetzt durchmachen, können keine schnellen Gewinne erzielt werden. Ein Unternehmer muss erst Erträge erwirtschaften, bevor er Kredite bedienen kann. Es wird keine kurzfristige Erholung geben, die einen V-artigen Verlauf nimmt, also ein schneller Absturz und nach dem Tiefpunkt wieder eine rasche Erholung. Volkswirtschaftler rechnen im besseren Fall mit einem U, also eine längere Talsohle und danach ein Aufschwung, der an die Zeit vor die Krise anschließt. Viel wahrscheinlicher ist aber leider eine über Jahre langsam steigende Produktivitätskurve in der Art eines L, bei der es Jahre dauert, bis das Vor-Corona-Niveau erreicht werden kann. Diese Lage ist alarmierend, obwohl mehr als 9.000 Unternehmen in Wien gegründet sind. Jede dritte Kleinfirma in Wien ist gefährdet. Was dies für den Arbeitsmarkt bedeutet, kann sich jeder ausmalen.
In diesem Zusammenhang hat die Stadt Wien zu einem Instrument gegriffen, das KMUs ermutigen soll, trotz der Krise zu investieren, und zwar durch einen Gesellschafterzuschuss an die Wiener Kreditbürgschafts- und Beteiligungsbank AG, kurz WKBG genannt. Dabei geht es um insgesamt 7 Millionen EUR. Eine Investitionsspritze, die angesichts des wirtschaftlichen Kollateralschadens der Covid-19-Krise wie der berühmte Tropfen auf den heißen Stein anmutet. In zeitlich befristeten Beteiligungen im Rahmen von „Stolz auf Wien“ werden wesentlich höhere Beträge, insgesamt 200 Millionen EUR hineingepumpt, um die Corona-Krise für die Wiener Wirtschaft abzufedern und den Unternehmen mit befristeter Beteiligung Eigenkapital zur Verfügung zu stellen.
Wer Näheres dazu im Internet erfahren will, wird allerdings von unterschiedlichen Zahlenangaben verwirrt. „Stolz auf Wien“ ist nämlich eine Tochter der Wien Holding und daher auch der Kontrolle des Gemeinderats entzogen. Außerdem ist einmal von 40, dann wieder von 50 Millionen EUR die Rede, für die die Stadt Wien in einem ersten Schritt maximal 20 Millionen zuschießt. Der andere Teil kommt von diversen Banken, der Wiener Städtischen Versicherung sowie der AVZ-Stiftung. Der Kollege von den NEOS hat vorher auch schon darauf hingewiesen, die Beteiligung soll auf sieben Jahre begrenzt sein, das heißt, dann haben die Unternehmen die Möglichkeit, die Anteile der Stadt Wien zurückzukaufen. Bisher ist von diesem Angebot nicht groß Gebrauch gemacht worden. Ausgerechnet eine Schmuckfirma, FREYWILLE, und eine Ölmineralfirma, Adamol, haben zu den ersten Nutznießern gezählt. Das macht nachdenklich, meine Damen und Herren.
Wir sollten Bedingungen schaffen, die transparent, offen und nachvollziehbar sind und die es den KMUs wirklich ermöglichen, durch diese Krise durchzutauchen. Ein wesentlicher Punkt ist natürlich auch, dass wir eine Rahmenbedingung schaffen, die der Wirtschaft das Atmen wieder möglich macht, trotz der Krise, und eine gewisse Zukunftsangst nimmt, die natürlich berechtigt ist.
Wie Sie wissen, ist es ja nicht überraschend, dass ich mich wieder für die Bezirksvorstehung des 1. Bezirkes bewerbe. Und hier sehe ich natürlich hautnah, wie es der Wirtschaft wirklich geht, wie viele Geschäfte und Unternehmen die Rollbalken heruntergelassen haben, wie sich das Straßenbild entwickelt hat. Es ist natürlich sehr traurig, dass eine Traditionskonditorei wie der Demel es nicht der Mühe wert findet aufzusperren, trotz Kurzarbeit und ähnlichen Subventionsmaßnahmen, die möglich sind. Das kann auch mit einer zu hohen bürokratischen Belastung zusammenhängen. Es lohnt sich für Unternehmen manchmal mehr, nicht aufzusperren als aufzusperren, und hier muss man ansetzen.
Außerdem muss man die Rahmenbedingungen schaffen, dass die Stadt an sich einlädt, wieder zu kommen. Nicht immer ist dies der Fall, besonders in der Inneren Stadt nicht, die ja ein Wirtschaftsmotor für ganz Wien ist. Wenn Sie, wie ich neulich, gegen Mitternacht rund um den Steffl herumspazieren, war ich sehr überrascht, was ich dort gesehen habe. Ich war eigentlich überrascht und entsetzt. Mir hat der Mensch leid getan, der auf einer Steinwand offenbar jede Nacht seinen Schlaf vollbringt und hier nächtigt. Nein, meine Damen und Herren, die Innere Stadt, das Aushängeschild Wiens ist nicht dazu da, Obdachlosen hier Herberge zu bieten, die es woanders, in Heimen oder Unterstützungsorganisationen besser hätten. Hier muss man natürlich schauen, dass wir nicht ein Bild liefern, das noch zusätzlich die Rahmenbedingungen erschwert, um eine Erholungsphase auf dieser Tour zu ermöglichen.
Ich möchte wirklich darauf hinweisen, dass wir natürlich in einer Krise sind, die seit 1945 in diesem Ausmaß noch nie die Wirtschaft und die mittelständische Wirt
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