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Gemeinderat, 74. Sitzung vom 24.09.2020, Wörtliches Protokoll  -  Seite 81 von 101

 

nichts gemacht. Das heißt, ich will nur fair sein, wenn ich schon der ÖVP das Wirtschaftsversagen zuordne.

 

Und jetzt komme ich gleich zur ÖVP und zur Wirtschaftskammer. Gleichzeitig mit dem Einfordern der medizinischen Pandemiepläne, das 2004 begann und 2006 in Europa umgesetzt wurde, gab es auch die Empfehlung, betriebliche Pandemiepläne umzusetzen. Das bedeutet im Großen und Ganzen nichts anderes, als dass man will, dass Betriebe pandemiefit sind. Warum? - Es ist ein großer Unterschied zwischen einer Katastrophe und einer Pandemie. Was glauben Sie, was der Unterschied ist? - Es ist die Zeitdauer. Eine Katastrophe dauert vier Wochen, zwei Monate, ist ein zeitlich relativ umschriebenes Szenario, während Pandemien mindestens ein Jahr dauern, manchmal zwei, manchmal länger. Und das bedeutet natürlich, dass die Wirtschaftsproblematik bei einer Pandemie eine weit schlimmere ist und die Ausfallsszenarien weitaus schmerzhafter.

 

Deshalb hat man empfohlen, im interpandemischen Zeitraum die Wirtschaft pandemiefit zu machen. Das wäre zwischen SARS und MERS, also 2004 bis 2012 gewesen, dann wäre zwischen MERS und zwischen der Grippewelle von 2017 wieder eine interpandemische Phase gewesen. Da hätte man Jahre, Jahre gehabt, das zu machen. Das können die Schweizer, die haben ein Drittel der Arbeitslosenzahl, das können die Deutschen, die haben die Hälfte der Arbeitslosenzahl. Österreich kann das nicht. Da kann man die ÖVP nicht aus der Verantwortung entlassen, und auch die Wirtschaftskammer hätte die Pflicht gehabt, das einzufordern. Denn das Einfordern eines betrieblichen Pandemieplans, das natürlich die Interessenten - in diesem Falle die Wirtschaftskammer - machen, bedeutet, dass jede einzelne Branche im Wirtschaftsbereich ihre Möglichkeiten bei einem Lockdown oder bei einem drohenden Lockdown anpasst. Das bedeutet beispielsweise geänderte Arbeitszeiten, das bedeutet geänderte Arbeitsräume, das bedeutet, dass man mehr im Drive-in-Bereich macht. Im Bereich der Unterhaltungsindustrie, wo man eigentlich seit 20 Jahren weiß, dass die 80 Prozent Einbuße haben werden, müsste man versicherungs- oder budgetmäßig vorarbeiten. Dass die Unterhaltungsindustrie so einbricht, das war bitte vorauszusehen. Man hat nichts gemacht. Es ist bekannt, die Unterhaltungsindustrie ist der Bereich, der bei einer Pandemie am meisten, wenn ich das so salopp sagen darf, Federn lässt.

 

Diesbezüglich gibt es in der Zwischenzeit ja auch keine Änderung. Ich habe schon den Eindruck, man macht nicht nur keine Pandemiepläne, man updatet sie nicht, man macht auch keine Betriebspandemiepläne, man ist auch noch stolz darauf. Um das irgendwie zu kompensieren, und damit Sie vielleicht unseren Ärger über gewisse Maskenrituale verstehen, versucht man, in einem anderen Bereich zu überkompensieren. Jetzt bin ich keineswegs, auf Grund meines Berufs auch schwer möglich, Gegner der Masken, nur ich hätte gerne minimale medizinische Standards. Ich hätte gerne gewusst, aus welchem Stoff, aus welchem Material soll eine Maske sein? Wann soll sie gewaschen werden? Wie oft kann man sie verwenden? Denn gegenwärtig ist es ja eigentlich erlaubt, aus einem, ja, ich erfinde jetzt etwas, gebrauchten T-Shirt eine Maske rauszuschneiden, mit einem Gummiband über das Ohr zu hängen, und das ist gleichbedeutend einer FFP2-Maske aus einem elektrostatisch wirksamen Stoff.

 

Diese Elektrostatik hat einen Sinn: Man kann mit großen Poren, großen Gewebeporen arbeiten, dadurch kann man besser atmen und die Keime, also die Viren, die ja einen Hydratmantel, einen Wassermantel haben, bleiben durch die Elektrostatik hängen, nicht durch die Poren. Ich sage das deshalb, weil immer der Irrglaube besteht, wenn die Poren zu groß sind, kommen die Viren durch. - Das stimmt nicht! Die werden elektrostatisch angezogen beziehungsweise bleiben durch den Hydratmantel hängen. Dementsprechend kann man die Stoffe adaptieren.

 

Wenn man schon aus der Maske ein Ritual macht, die Maske hat schon fast etwas Kruzifixartiges, hätte ich mir eigentlich schon gewünscht, dass man auch sagt, wie die Maske sein soll. Ich bin überhaupt kein Gegner einer Stoffmaske, wenn die Stoffmaske richtig gemacht ist. Es gibt Stoffmasken, die haben so ein Fach drinnen, da kann man einen Papierfilter reingeben und auswechseln. Also es müssen aber gewisse Mindeststandards sein, das können wir erwarten, das können die Bürgerinnen und Bürger erwarten. Diese gibt es nicht, und deshalb auch unser Zorn, wenn von der Regierung wieder irgendeine Opera buffa gemacht wird und die wieder irgendwelche grauslichen Geschichten erzählen, wie wichtig was ist. An ihren Früchten soll man sie erkennen. Betrieblich haben sie bezüglich der Pandemie wirklich nichts zusammengebracht. Das ist leider eine Tatsache.

 

Ich erlaube mir jetzt, die Punkte des Antrags der Volkspartei durchzugehen, ich komme zu den Testungen. Da wird mit Hamburg verglichen. Das ist nicht ganz fair, denn Hamburg-Eggendorf hat eines der größten Tropeninstitute Europas. Die haben dort SARS decodiert, die haben dort die Ebola-Patienten behandelt. Das ist eine ganz andere Maschinerie, die arbeiten mit 12 Labors, haben tatsächlich diese 80.000 Tests pro Woche, möglicherweise sogar mehr. Aber schon bei Berlin habe ich echte Probleme, denn meines Wissens, ich habe auch ein paar Mal nachgeschaut, hat Berlin, obwohl es deutlich größer als Wien ist, nur eine geringfügig höhere Testkapazität. Das heißt, Hamburg macht mehr Testungen als Berlin und Berlin ist ungefähr im Bereich von Wien. Wenn ich es auf die Bevölkerung umrechne, machen sie dort sogar weniger.

 

Natürlich, man kann nicht genug testen, und weil gegenwärtig aus üblichen formalen Testgründen die PCR-Testung die Wichtigste ist, würden wir uns auch wünschen, dass man auch auf etwas kommt, was im Grunde genommen Prof. Rieg aus Freiburg ganz offen gesagt hat, dass wir 5 bis 15 Prozent falsch negative Tests bei PCRs haben, weil ganz einfach der Test nicht richtig abgenommen wurde. Das heißt, das Agens, die Thermosäule, die Tupfer sind alle richtig, aber man hat sich nicht getraut oder hat nicht die Fertigkeiten, in dem Bereich des Rachens abzukratzen, abzuwischen, um eine ausreichende Menge an Keimen zu haben. Ich muss ehrlich

 

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