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Gemeinderat, 5. Sitzung vom 25.02.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 120 von 127

 

Wir können uns für einen Tag sogar die Modelldiskussion über Eigentum oder Miete sparen. Das ist nicht einmal der Punkt hier, es geht hier um mathematische Grundfertigkeiten: Wer das Einfamilienhaus im Eigentum als Modell in der Großstadt propagiert, kann entweder nicht rechnen oder betreibt Politik für einige wenige. Ohne Klarheit in der Sprache ist der Mensch nur ein Gartenzwerg, und die Betonung beim Schrebergarten liegt auf dem Garten, sehr geehrte Damen und Herren.

 

Das wir bewirken, wenn wir städtische Schrebergärten nicht verpachten, sondern verkaufen: Wenn die ersten KäuferInnen, die ehemaligen PächterInnen, verkaufen, dann beginnt sich eine Preisspirale zu drehen. Wir schaffen ein sehr begrenztes Angebot für einige wenige, das Grundstück für ein Einfamilienhaus, für das eine hohe Nachfrage besteht, keine Frage. Es wird immer Menschen geben, die sich den privatisierten Kleingarten leisten können. Das sind halt dann nicht mehr die Schrebergärten für die ArbeiterInnen, das sind dann völlig überteuerte Einfamilienhäuser für die wenigen, die sich das noch leisten können. Wir geben die Schrebergartenhäuser einfach der Spekulation preis.

 

Ich habe ja den Vorwurf geerntet, ein Marie Antoinette fälschlicherweise zugeschriebenes Zitat verwendet zu haben. Das stimmt, aber ich würde da als ÖVP nicht reden, die haben nämlich fälschlicherweise heute der WKStA statt der Staatsanwaltschaft Wien eine Beschuldigtengeschichte zugeschrieben. Also vielleicht schmeißen wir da im Glashaus nicht mit Steinen.

 

Ich bringe dieses Zitat trotzdem, denn das, was Frau Jungnickel als Lösung in der Krise nennt, nämlich das Eigentum, das ist halt für viele keine Lösung. Das klingt für mich ein bisschen so wie: Wenn sie sich keine Wohnung leisten können, dann sollen sie sich doch einen Kleingarten kaufen! (Zwischenruf.) Sorry, aber was glauben Sie, was passiert, wenn wir die 13.000 verbleibenden städtischen Kleingärten privatisieren? Glauben Sie, dass das leistbare Grundstücke bleiben? Im Ernst? Wenn sie sich keine Wohnung leisten können, dann sollen sie sich doch einen Kleingarten kaufen! - Das ist doch jenseits jeglicher Realität, sehr geehrte KollegInnen von der ÖVP und vom rechten Rand, zumindest jenseits jeglicher Realität des Großteils aller Menschen in dieser Stadt. Was glauben Sie, wer denn den Wettlauf um die privatisierten Kleingärten gewinnen wird? Wer? - Die DurchschnittsverdienerInnen wohl eher nicht. Wenn sie sich keine Wohnung leisten können, dann sollen sie sich doch einen Kleingarten kaufen! Sehr geehrte Damen und Herren von der ÖVP und vom rechten Rand, wie stellen Sie sich vor, dass zukünftige Generationen noch eine Chance auf einen Schrebergarten bekommen? Wie soll das funktionieren, wenn die Gärten nach und nach an die Höchstbietenden verkauft werden? Die FPÖ gibt sich gerne als Vertreterin der kleinen Leute, aber eines sage ich Ihnen schon: Für kleine Leute ist der privatisierte Kleingarten so weit entfernt wie das Villenviertel. Sie machen hier Politik für einige wenige, und da machen wir nicht mit!

 

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn wir den Schrebergarten für zukünftige Generationen erhalten wollen, dann dürfen wir ihn nicht verkaufen, dann dürfen wir den Kleingarten nicht der Spekulation preisgeben. So einfach ist das. - Danke schön.

 

Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Als Nächster zu Wort gemeldet ist GR Stürzenbecher.

 

22.44.10

GR Dr. Kurt Stürzenbecher (SPÖ)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Geschätzte Frau Stadträtin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Die wesentlichen sachlichen Argumente in dieser Debatte habe ich heute ja schon beim Geschäftsstück gebracht, aber jetzt sind doch noch von zwei Rednern der ÖVP einige neue Aspekte aufgebracht worden. Von der Frau StRin Jungnickel ein verklärender Romantizismus des Eigentums an Kleingärten und ein verklärender Romantizismus von etwas, was sozusagen eher eine negative Entwicklung ist. Die Spekulation ist nämlich immer eine eher gefährliche Sache und nicht der Allgemeinheit und nicht ethischen Werten dienend. - Das muss einmal gesagt werden.

 

Das Zweite aber, was von Frau Dr. Jungnickel eingebracht worden ist, war das demokratiepolitische Argument, dass angeblich die große Mehrheit der Wienerinnen und Wiener das Eigentum in den Kleingärten will, sozusagen diese Eigentumsvermehrung im Sinne der ÖVP. Dagegen bringe ich jetzt drei Argumente.

 

Argument 1 ist: Wir hatten bisher in Wien seit 1918 4 Wahlen in der Ersten Republik und 17 Wahlen in der Zweiten Republik. Bei all diesen Wahlen ist die ÖVP oder ihre Vorgängerin weit hinter der Sozialdemokratie gelegen, obwohl die ÖVP immer diesen Eigentumsbegriff vertreten hat und wir den differenzierten. Die Wählerinnen und Wähler haben also bei 21 Wahlen Ihre Behauptung falsifiziert. Das sei einmal klar festgestellt.

 

Bei der letzten Wahl haben - wenn man sagt, ja, das ist lange her -, die Wienerinnen und Wiener auch 70 Mandatare gewählt, die, wenn sie heute da sind, mutmaßlich dafür sind, dass wir dieses Eigentum nicht fortführen, und 30 Mandatare gewählt, die vermutlich anders stimmen werden. 70 zu 30, eine ganz klare Mehrheit. Wo nehmen Sie her, dass Sie mit dieser Argumentation in der Mehrheit sind? Das ist doch wirklich so realitätsfremd, wie man nur realitätsfremd sein kann!

 

Das 3. Argument: Wir hatten eine Volksbefragung mit relativ hoher Beteiligung, bei der eine Frage war: Sind Sie dafür, dass das öffentliche Eigentum in Wien - zum Beispiel waren damals die Gemeindewohnungen gemeint und nicht nur, da waren nicht spezifisch die Kleingärten gemeint, was die Eigentumsbildung betrifft - verkauft werden? - Da waren rund 86 Prozent der Wienerinnen und Wiener dafür, dass wir das öffentliche Eigentum so beibehalten, wie wir es haben. Da wurden Sie also auch falsifiziert. Sie liegen jedenfalls demokratiepolitisch vollkommen falsch. Es ist einfach nicht richtig, wenn Sie behaupten, dass Ihre Position angeblich von der großen Mehrheit der Wienerinnen und Wiener unterstützt würde. Das ist bei den Wahlen nicht passiert und bei der Volksbefragung nicht passiert. - Das dazu.

 

Jetzt noch kurz zu Dr. Sittler, der etwas differenzierter argumentiert hat und mehr oder weniger gesagt hat, man könnte ja sozusagen, weil er auch nicht für die

 

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