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Gemeinderat, 15. Sitzung vom 25.11.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 28 von 99

 

Verfügung stellen. Der Verein Männerberatung Wien bietet ein umfangreiches psychosoziales und psychotherapeutisches Angebot. Ziel ist es, Männer dahin gehend zu ermutigen, sich mit ihren eigenen Unsicherheiten auseinanderzusetzen, sich Hilfe zu holen und sich damit bewusst gegen den Weg der Gewalt zu entscheiden.

 

Denn Gewaltschutz ist dann am effektivsten, wenn Präventivarbeit ihre Wirkung zeigt. Mit dem White Ribbon, das wir Männer heute hier tragen, wollen wir, die wir uns als Männer unserer Verantwortung bewusst sind, unsere Haltung unterstreichen und alle Männer dazu aufrufen, keine Gewalt gegen Frauen auszuüben und auch ihre Haltung, Stopp der Männergewalt, öffentlich zu zeigen.

 

Mir ist bewusst, dass es wohl noch ein langer Weg sein wird, bis wir in unserer Gesellschaft ein durchgängig gewaltfreies Männlichkeitsbild und eine faire Geschlechterdemokratie haben werden, aber es gibt keine andere Alternative, als alles daran zu setzen, an diesem Ziel weiterzuarbeiten. Das hat uns leider auch die verheerende Bilanz des heurigen Jahres gezeigt. Daher mein Appell: Lassen Sie uns bitte über die Parteigrenzen hinweg, über die Geschlechtergrenzen hinweg, gemeinsam weiterhin an diesem Ziel arbeiten. - Vielen Dank.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau StRin Mag. Pühringer. Ich erteile es ihr.

 

11.47.28

StRin Mag. Judith Pühringer|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Frau Vizebürgermeisterin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Menschen, die via Livestream zuschauen!

 

Die Kampagne „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“ startet also heute mitten hinein in einen Lockdown. Ich möchte mich an dieser Stelle stellvertretend bei Frauenstadträtin Kathi Gaál für die Unterstützung der Stadt Wien durch die zahlreichen Aktivitäten im Aktionszeitraum der nächsten 16 Tage bedanken. Ich bedanke mich auch bei Gesundheitsminister Mückstein, der gestern eine extrem wichtige und breite Sensibilisierungskampagne gegen Männergewalt unter dem Motto „Mann spricht’s an!“ und dem „#sagwas“ gestartet hat. Das ist eine ganz wichtige Kampagne, weil sie sich an Männer wendet und konkret aufzeigt, wie Männer im öffentlichen Raum bei Übergriffen konkret etwas tun, sich einmischen und etwas sagen können.

 

Ganz besonders bedanke ich mich bei allen Frauen, bei allen Frauenorganisationen und bei allen feministischen NGOs, die nicht müde und leise werden, wenn es darum geht, gegen Gewalt an Frauen aufzustehen, das zu thematisieren, Betroffene zu unterstützen und zu Recht jede nur erdenkliche Maßnahme einfordern, die dazu führen kann, dass Frauen weniger Gewalterfahrungen machen müssen.

 

Wir sind in einem Lockdown, es wird also enger. Es wird enger, und dort, wo es enger wird, wo der Raum kleiner wird, da wird es immer gefährlich für Frauen und Kinder, da steigt die Gewalt an Frauen und Kindern noch mehr. Diese genderspezifischen Aspekte der Covid-19-Pandemie, der Corona-Krise, wurden vielfach und europaweit dokumentiert und unter anderem auch an der WU Wien erforscht. Der Befund ist völlig eindeutig: Die Pandemie, die Lockdowns, die Corona-Krise haben vor allem die ökonomische Ungleichheit von Männern und Frauen sichtbar gemacht, die Ungleichverteilung von unbezahlter und bezahlter Arbeit in wirklich beklemmender Art und Weise dokumentiert.

 

Die Mehrfachbelastung von Frauen wurde vervielfacht, auch wenn manche Väter für kurze Zeit einen höheren Anteil an Sorgearbeit übernommen haben, sind viele wieder zur gewohnten, ungerechten Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit zurückgekehrt. Insofern ist es nicht übertrieben, von einer patriarchalen Pandemie und von einer Retraditionalisierung zu sprechen. Viele, unabhängig während der Pandemie erhobenen Daten, kommen alle zu diesem Ergebnis, dass die Rollenverteilung zwischen Müttern und Vätern in der Zeit der Corona-Pandemie in Wirklichkeit der Rollenverteilung entspricht, die wir von unseren Eltern und Großeltern kennen. Mütter haben sich aus dem Arbeitsmarkt zurückgezogen, ihre Arbeitszeit um durchschnittlich nochmal 20 Prozent reduziert, während sich gleichzeitig die Zeit für Kinderbetreuung und Haushalt erhöht hat.

 

Wir erleben also gerade eine Retraditionalisierung, die Aufgabenverteilung zwischen Männern und Frauen ist wie in alten Zeiten, und genau da, liebe Kolleginnen und Kollegen, beginnt ökonomische Gewalt gegen Frauen. Je prekärer die finanzielle Situation von Frauen ist, desto schwerer fällt es ihnen, sich aus Gewaltbeziehungen und aus Abhängigkeiten zu lösen. Eine wichtige Grundvoraussetzung, um sich aus Gewaltbeziehungen zu lösen, ist, das wissen wir, die finanzielle und ökonomische Unabhängigkeit.

 

Frauen sind wesentlich öfter von Armut und prekären Beschäftigungsverhältnissen betroffen. Die Statistik der autonomen österreichischen Frauenhäuser zeigt das eindrucksvoll. Frauen, die 2020 Zuflucht in Frauenhäusern gesucht haben, leben sehr oft in wirklich prekären finanziellen Verhältnissen. 29 Prozent hatten gar kein Einkommen, 18 Prozent standen im AMS-Bezug, 12 Prozent waren teilzeitbeschäftigt und nur 7 Prozent waren vollzeitbeschäftigt. Die Entscheidung dafür, den Partner zu verlassen, ist unter solchen Umständen natürlich umso kritischer.

 

Was braucht es, um ökonomische Gewalt zu bekämpfen? - Viele der Maßnahmen wurden heute schon von KollegInnen gesagt. Wir brauchen noch mehr Ganztagsschulen, einen Anspruch auf Hortplätze, auch für Menschen, die gerade arbeitslos sind, einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Volksschulalter. Wir brauchen ganz dringend eine generelle Arbeitszeitverkürzung für alle, damit Sorge- und Erwerbsarbeit endlich fairer verteilt werden können. Wir brauchen neue, an Lebensphasen orientierte Arbeitszeitmodelle, damit Väter und Mütter, wenn sie Kinder bekommen, ihre Arbeitszeit gleichzeitig reduzieren können. Wir müssen die Gehaltsschere weiter schließen, wir müssen Geschlechterklischees, vor allem bei der Berufswahl, mit spezifischen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen abbauen. Wir kennen all diese Maßnahmen.

 

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