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Gemeinderat, 17. Sitzung vom 20.12.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 42 von 137

 

muss zugeben, ich bin ein bisschen voreingenommen, denn während meiner kompletten beruflichen Laufbahn bin ich regelmäßig - ich, als Mitarbeiterin, ich, in Verantwortung für einen Bereich - geprüft worden, und zwar durch das Finanzamt geprüft worden, in den unterschiedlichsten Funktionen, vom Finanzamt, von Krankenkassen, von internen Teams, von renommierten Steuerberatungskanzleien im Zuge von Jahresabschlüssen. Und ich glaube, wir hätten uns so eine Kontrollschwäche nicht erlauben dürfen. Der Bericht, der auszugsweise vorliegt, zeigt ganz eindeutig, dass in jenem Ressort, das dafür Sorge trägt, dass wir Steuerzahlerinnen und Steuerzahler gesetzeskonform unsere Steuern abführen - das über die Finanzämter, Finanzverwaltung, Finanzgerichtbarkeit auch die Aufgaben sicherstellt, dass wir uns konform verhalten -, anscheinend selbst ein Kontrollproblem besteht. Denn wieso kann es sein, dass Ausgaben in einer Höhe von 11 Millionen EUR freihändig, unkontrolliert vergeben werden oder nicht aufgefallen sind. 11 Millionen EUR sind ja keine Kleinigkeit. Wie funktionieren die Kontrollmechanismen? Es ist ja nicht irgendein Ressort, es ist das Finanzministerium. Wenn es die Landesverteidigung wäre, würde ich sagen, ja, okay, Kernkompetenz liegt anders. Wieso ist das so? Und wieso kommt jemand erst jetzt drauf, nachdem ich gelernt habe, dass man Prozesse im Detail mit Compliance Testing, mit allen möglichen anderen Instrumenten sehr wohl sehr genau durchleuchten und in den Griff kriegen kann. Dass ich heute hier zu diesem Thema rede, lässt mich schon fast darauf schließen, dass ich eines Tages entsprechend der Sarbanes-Oxley-Richtlinien mit Kontrollpunkten versehen, Compliance getestet, gesetzeskonform zu Grabe getragen werde. Das Thema verfolgt mich und es sollte auch ernst genommen werden.

 

Was passiert eigentlich, wenn der Rechnungshof einen Missstand feststellt? Welche Konsequenzen gibt es? Es gibt eigentlich keine Konsequenzen. Die einzige Konsequenz, die oft schwerwiegender ist als alle rechtlichen Schritte, die unternommen werden können, ist die der Öffentlichkeit und der politischen Diskussion. Was für Firmen gilt, gilt auch für den öffentlichen Bereich. Ist einmal der Ruf ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert, ist nicht anwendbar, denn es hat Folgen, die unabsehbar sind. Wobei grundsätzlich anzumerken wäre, dass Empfehlungen in der Regel sehr gut wirken, es wird nachgefragt.

 

Ein Instrument der Nachfrage, das zeigt, dass der Rechnungshof Dinge nicht aus den Augen verliert, sehr wohl Nachschauberichte erstellt und auch die Punkte auflistet, die nicht umgesetzt wurden. Wir haben vorhin schon gehört, dass wir heute 15 Berichte - 1 Leistungsbericht und 14 Nachschauberichte - zur Beratung vorliegen haben und dass im Hinblick auf diese Berichte Kontrollinstrumente wie Follow-ups besonders wichtig sind. Es ist aber nur fair, anzumerken, dass Compliance-Kontrollprozesse und jede abgehaltene Prüfung und Nachschau einen zusätzlich großen Aufwand für jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bedeuteten, die diesen Dokumentationserfordernissen nachkommen müssen, ein professionell aufgesetztes Compliance Management zusätzlich noch Ressourcen erfordert und mittelfristig nicht „on top“ aufgewertet werden kann, ohne Defizite zu erzeugen.

 

Wir sprechen heute hier von Einsichtnahmen. Wir haben schon gehört, es gibt da Unstimmigkeiten. Es gibt Dinge, die nicht umgesetzt wurden oder werden, aber es gibt auch immer bei jedem Punkt, der in einem Bericht auftaucht, zwei Seiten. So wie das Leben zwei oder mehrere Seiten hat, hat auch so ein Bericht zwei Seiten. Mein Lieblingsbericht ist der Bericht über die Geburtshilfe-Versorgung in Niederösterreich und Wien. Hier wurde das SMZ-Ost Donauspital geprüft. Es wurde festgestellt, dass Wien - und ich nehme nur zwei Punkte heraus - im Vergleich zu Niederösterreich mehr Kaiserschnittgeburten hat. Es braucht mir natürlich jetzt niemand erklären, wo das Risiko liegt, aber vielleicht liegt es auch daran, dass wir in Wien oft Risikofälle zur Behandlung und für die Geburten bekommen. Das heißt, ja, es schaut formal so aus, ja, es schaut so aus, wenn ich auf die Zahlen schaue, in der Realität gibt es aber einen Grund, den wir hier, wenn wir den Bericht lesen, nicht unbedingt nachvollziehen oder spontan erfahren können. Es gibt aber auch die Anregung, dass es zu wenige Hebammen gibt - in Wien gibt es 464, in Niederösterreich 413 - und dass wir gemeinsam die Ausbildungskapazitäten evaluieren und erweitern sollen. Soweit ich den Bericht gelesen habe, sind genau diese Krankenanstaltsträger dabei, diese Ausbildungsmöglichkeiten zu schaffen. Dazu muss man aber wieder sagen, es muss auch Männer und Frauen geben, die diesen Beruf ausüben wollen, und zwar in einer Qualität und in einem Zugang, der dieses heikle, sehr sensible Thema, so wie der Pflegebereich auch, entsprechend abdeckt. Wir haben aber auch, wie ich vorhin schon angesprochen habe, die 30 Prozent Kaiserschnittgeburten. Und da mache ich mir eine leichte Sorge, es könne aber auch sein, dass, wenn darauf gedrungen wird, dass die Anzahl der Kaiserschnitte zurückgeht, vielleicht auch die Geburtenrate zurückgeht. Keine Ahnung.

 

Wir haben noch viele andere Themenbereiche, wir haben heute schon über den Flughafen gehört, wir haben das Sanatorium Hera, das Rettungswesen - meine Kollegin wird dann noch darauf eingehen -, die Grundversorgung, viele im Detail durchleuchtete und begutachtete Themenfelder, die für eine Stadt wie Wien ein ganz, ganz wichtiges Spektrum darstellen. Wie gesagt, ich habe in meiner beruflichen Funktion sehr viel mit dem Thema zu tun gehabt, ich weiß, was man alles leisten kann. Ich habe dann schlussendlich auch andere Bereiche geprüft, ich war nicht nur auf der einen Seite, sondern auf der anderen, unter anderem bei einer Schwestergesellschaft in Deutschland. Und da möchte ich darauf aufmerksam machen, dass wir auch von Menschen reden. Hinter jedem Prozess, hinter jedem Finding, hinter jeder Recommendation steht die Arbeitsleistung von Menschen, von Mitarbeitern, die hoffentlich gut bezahlt werden, egal, ob sie jetzt bei der Gesiba oder in irgendeinem anderen Umfeld arbeiten, wir urteilen mit diesen

 

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