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Gemeinderat, 17. Sitzung vom 20.12.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 52 von 137

 

Brille gesehen, durchaus anders wirken können und deshalb noch nicht falsch sind.

 

Diesen Diskurs, diese Möglichkeit des Diskurses sollten wir uns auch erhalten. So wie wir unser eigenes Handeln nicht als absolut richtig sehen sollten, gilt wahrscheinlich für alle Institutionen im Staat, dass man immer wieder hinschauen und hinterfragen kann. Nichtsdestoweniger glaube ich, dass wir heute die interessante Situation haben, dass wir durchaus schon etwas in der Aktuellen Stunde diskutiert und auch hier von einigen Rednerinnen und Rednern aufgegriffen haben - nämlich den Verkauf der ARWAG durch die Wien Holding an Private -, das möglicherweise Teil des nächsten Rechnungshofberichtes, sei es Wien oder sei es Bund, sein könnte.

 

Es lohnt sich meines Erachtens jedenfalls, einen Blick darauf zu werfen, wie es sein kann, dass die Wien Holding innerhalb eines Jahres mit dem Ankauf von ARWAG-Anteilen und dann mit dem Verkauf von ARWAG-Anteilen knapp 70 Millionen EUR Gewinn macht. Da muss man sich auch fragen: Ist das tatsächlich okay? - Ich habe das heute am Vormittag schon im Zusammenhang mit dem Gesetz der risikoaversen Finanzgebarung gesagt: Nur, weil man gewinnt, heißt das ja noch lange nicht, dass es kein risikoreiches Geschäft ist. Das darf man nicht vergessen.

 

Es ist überhaupt die Gefahr, dass man beim Spekulieren gewinnt. Das ist wie im Casino: Es bleiben einem die größten Verluste im Casino erspart, und es bleibt einem Menschen erspart, spielsüchtig zu werden, wenn man am Anfang verliert. Wer am Anfang gewinnt und dann nicht aufhören kann und dann verliert, der hat tatsächlich möglicherweise das Problem, spielsüchtig zu werden.

 

So war es im Übrigen auch bei der Stadt Wien mit den Fremdwährungskrediten. Die waren am Anfang ein Supererfolg für die Stadt Wien. Wir alle wissen, wie es geendet hat: in einer mittleren finanziellen Katastrophe. So war es auch, als die Wien Holding rund um die Jahre 2006, 2007, 2010 mit Put- und Call-Optionen geglaubt hat, man muss in den Finanzmarkt einsteigen, bei der Stadthalle in türkischer Lira spekulieren, und zig Millionen in den Sand gesetzt hat.

 

Mit Immobilien ist es nicht anders. Entweder es ist ein Spekulationsgeschäft oder es steckt wahrscheinlich etwas anderes dahinter. Ich habe heute am Vormittag schon einmal gesagt: Glaubt wirklich jemand hier herinnen, dass die Bank Austria Immobilien, also die Immo-Holding, der Stadt Wien Geschäftsanteile viel zu günstig verkauft, ohne eine Gegengeschäft zu haben? In diesem Sinne würde ich mir einfach wünschen, dass sich der Rechnungshof das anschaut, auch in dem Wissen, dass es Geld der öffentlichen Hand ist, das da hineinfließt.

 

Es kam von den Kollegen und Kolleginnen der Sozialdemokratie leider nur: Die GRÜNEN hetzen, die GRÜNEN sind böse, die GRÜNEN sind beleidigt, was alles nicht stimmt. - Mich hätte einfach wirklich interessiert, wie denn das Geschäft aus Ihrer Sicht zu beurteilen ist. Ist das so super, wenn die Wien Holding innerhalb von einem Jahr mit Immobilienanteilen 70 Millionen EUR Gewinn macht? Ist es das, wofür die Sozialdemokratie steht? Ist es das, Kollege Taucher? Machen wir Gewinne mit Immobilien oder ist es eher das, was wir gemeinsam bekämpfen sollten, und wo der Rechnungshof zum Beispiel im Gesiba-Bericht tatsächlich sagt: Gebt das Geld den Mietern zurück.

 

Ich bin jetzt nicht hundertprozentig sicher, ob das die richtige Antwort ist. Wenn man es aber nicht den Mietern und Mieterinnen zurückgibt, dann muss man es zumindest in den neuen sozialen Wohnbau investieren, aber nichts davon zu machen und dann in Wirklichkeit auf Anraten von Freunden Millionen in der Commerzialbank zu versenken: Ich muss jetzt dazusagen, die Sozialdemokratie hat es härter getroffen. Die Sozialbau hat, glaube ich, 70 Millionen EUR versenkt, wenn mich nicht alles täuscht, aber das ist das Geld der Sozialdemokratie, um das tut es mir auch leid. Um das Geld der Stadt Wien aber tut es mir erst recht leid, denn davon sind dann tatsächlich die Wiener und Wienerinnen betroffen. Also ist es das, worauf sich die Sozialdemokratie in Zukunft spezialisieren wird?

 

Gleichzeitig, bei allem, worauf wir stolz sind, auf Gemeindewohnungen und auf geförderte Wohnungen, auf den gemeinnützigen Bereich, geht der Anteil der gemeinnützigen und Gemeindewohnungen in Wien zurück. Kollege Taucher, weil Sie mich so anschauen, sehr geehrte Damen und Herren, das ist nicht nachhaltig. Wenn der Anteil der geförderten, gemeinnützigen Wohnungen und der Gemeindewohnungen in Wien zurückgeht, dann ist das nicht nachhaltig, und uns droht eine Entwicklung wie in deutschen Städten (Zwischenrufe.), wie in deutschen Städten (Zwischenrufe.), wo die Miete für viele Menschen schon unerschwinglich ist.

 

Lieber Kollege Taucher, ich hab‘ dich nicht genau gehört, wie du jetzt hereingeschrien hast, aber ich nehme an, du redest über Widmungsstopp, und so weiter. (Zwischenruf.) Entschuldigung? (Zwischenruf.) Ich finde das zwar eigentlich einen Ordnungsruf, wenn ich hier sachlich rede und du rufst „Traumatherapie“ herein, aber das sagt mehr über dich als über mich aus, und insofern kann ich damit leben. (Zwischenrufe.)

 

Kollege Taucher, ich wiederhole es, damit es im Protokoll steht: Du sagst, ich hacke die ganze Zeit auf euch hin. Ich hacke nicht auf euch hin. Ich sage, ihr spekuliert mit Immobilien und niemand von euch geht heraus und rechtfertigt sich. Das ist doch kein Hinhacken. Selbst wenn man einmal einen Gewinn von 70 Millionen EUR macht, ist das kein Hinhacken.

 

Ich frage: Ist das jetzt eure Zukunft? Wird sich die Stadt Wien, wird sich die Wien Holding so finanzieren, wie sich ein René Benko reich macht, wie sich ein Tojner reich macht, wie sich ein Hallmann reich macht? Ist es das, was ihr wollt? Ich habe geglaubt, wir stehen für etwas anderes: Wir stehen für günstigen Wohnbau, wir stehen für den Wohnbau, den sich Menschen leisten können, und deshalb wünsche ich mir, dass der Rechnungshof das überprüft.

 

Ich darf mich noch einmal beim Rechnungshof bedanken, und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

 

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