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Gemeinderat, 17. Sitzung vom 20.12.2021, Wörtliches Protokoll  -  Seite 64 von 137

 

Schriftführer GR Stefan Berger: „Die Dringliche Anfrage der GemeinderätInnen Kilian Stark, Mag. Heidemarie Sequenz, Dipl.-Ing. Huem Otero Garcia, Dr. Jennifer Kickert, Georg Prack, David Ellensohn - Grüne an Herrn Bürgermeister Dr. Michael Ludwig gemäß § 16 Wiener Stadtverfassung, eingebracht in der Sitzung des Wiener Gemeinderates am 20.12.21 betreffend Einschüchterungsversuche der Stadt Wien gegenüber der Klimabewegung stoppen.

 

Begründung: ‚Dass wir es einmal bei unserer Arbeit bei Amnesty International mit einem Fall zu tun haben, den die Stadt Wien zu verantworten hat, hätte ich mir persönlich ehrlich gesagt nie vorstellen können‘, sagt Annemarie Schlack, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich zu den bekannt gewordenen Klagsdrohungen gegen KlimaaktivistInnen, die teils erst 13 oder 14 Jahre alt sind. Derartiges Vorgehen beobachtete Amnesty International in der Vergangenheit unter anderem in wenig demokratischen Staaten.

 

In der vergangenen Woche erhielten zahlreiche KlimaaktivistInnen, MitarbeiterInnen von NGOs und WissenschaftlerInnen Klagsdrohungen der Anwaltskanzlei Jarolim Partner Rechtsanwälte GmbH im Auftrag der Stadt Wien. Der Rechtsanwalt Dr. Hannes Jarolim war 23 Jahre Nationalrat der SPÖ und unter anderem deren Justizsprecher. Unter den betroffenen KlimaaktivistInnen befinden sich 13- und 14-jährige WienerInnen, die sich seit Monaten für den Klimaschutz in dieser Stadt und gegen den Bau der Stadtautobahn einsetzen. In der zig-fach versendeten Klagsdrohung werden die KlimaschützerInnen aufgefordert, den Protest zu beenden, ansonsten müssten sie mit horrenden Schadenersatzforderungen rechnen.

 

Aber nicht nur BesetzerInnen, sondern auch MitarbeiterInnen von NGOs und WissenschaftlerInnen, die den legitimen Protest im Sinne des Klimaschutzes gutheißen, wurde seitens der Stadt Wien gedroht. Dafür war es nicht einmal nötig, jemals einen Fuß in die besetzten Baustellen gesetzt zu haben. Die bloße öffentliche Unterstützung wie beispielsweise ein Posting auf Facebook oder eine Insta-Story reichten aus, um zur Zielscheibe der Stadt Wien zu werden. Bei diesem Rundumschlag gegen die Zivilbevölkerung wurde laut Greenpeace sogar MitarbeiterInnen gedroht, die nicht einmal auf Social Media aktiv sind.

 

Während die Stadt Wien hunderttausende Euro in Inserate investiert, um Autobahnprojekte mit Fake News in ein besseres Licht zu rücken, erhalten KlimaschützerInnen Klagsdrohungen in einschüchternder Höhe. Worum geht es Bgm Ludwig und der Stadt Wien eigentlich? - Es geht darum, kritische Stimmen mundtot zu machen. Diese Methode hat einen Namen - SLAPP - Strategic Lawsuits against political Participation, strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung - und richtet sich meistens gegen AktivistInnen, JournalistInnen oder auch WissenschaftlerInnen. „Slapp“ wie Ohrfeige, „slapp“ wie Schlag ins Gesicht: Wer gegen den Betonwahnsinn in dieser Stadt auftritt, dem wird eine betoniert.

 

Dass die Stadt Wien, die den Interessen der Wiener Bevölkerung und zukünftigen Generationen verpflichtet sein sollte, zu diesen Methoden greift, ist ein Tiefpunkt in der Geschichte dieser Stadt und eine schwarze Stunde der Sozialdemokratie, so Sophie Lampl von Greenpeace Österreich. Für diese fragwürdige Vorgehensweise sind skrupellose multinationale Konzerne bekannt, die ausschließlich ihre wirtschaftlichen Interessen im Fokus haben.

 

Beispielsweise verklagte der Konzern RWE Power AG nach der Besetzung des Kohlekraftwerks Weisweiler in Deutschland im November 2017 5 AktivistInnen und 1 Journalisten auf 2,1 Millionen EUR Schadenersatz. 2 Jahre später wurden die Angeklagten in allen wesentlichen Punkten freigesprochen. In den USA reichte der Energiekonzern Energy Transfer eine 900-Millionen-Dollar-Klage gegen Greenpeace und weitere Organisationen ein, weil diese die Fertigstellung der Dakota Access Pipeline behinderten, nachdem Donald Trump 2017 die Wiederaufnahme des zuvor gestoppten Baus anordnete. Auch diese Klage blieb erfolglos und wurde im Februar 2019 von einem US-Gericht abgewiesen.

 

Einer der größten europäischen Fleischkonzerne, Coren, hat in Spanien den Umweltaktivisten und Biolandwirt Manuel Garcia wegen Verleumdung auf 1 Million EUR verklagt. In einem Fernsehauftritt kritisierte der Aktivist die Bewässerungspraktiken des Konzerns, eine Kritik, die sich auf wissenschaftliche Berichte stützte. Die spanische Viehzuchtlobby reichte zur gleichen Zeit weitere Klagen gegen AktivistInnen und WissenschaftlerInnen ein. SLAPP-Klagen gehen aber nicht nur von großen Konzernen aus, sondern auch immer häufiger von PolitikerInnen beziehungsweise Regierungsmitgliedern. In den vergangenen Jahren waren dies zum Beispiel der rechtsextreme italienische Politiker Matteo Salvini oder Polens Vizeministerpräsident Jaroslaw Kaczyński.

 

Das ist die Gesellschaft, in der sich Bgm Ludwig plötzlich wiederfindet. Er reiht sich in eine antidemokratische, autoritäre Front ein, eine Front, die den Profit- und den Machtinteressen Einzelner dient, die wissenschaftsfeindlich ist und keinen Widerspruch duldet.

 

Die zum Großteil jungen KlimaaktivistInnen brauchen diese zusätzliche Bedrohung ihrer finanziellen Existenzen nicht. Sie sind bereits mit der größten existenziellen Bedrohung konfrontiert - der Klimakrise. Das ist auch der Antriebsmotor dieser Bewegung. Sie haben keine andere Wahl, als gegen Klimaungerechtigkeit aufzutreten, Tatenlosigkeit ist keine Alternative. Diese Generation kämpft für ihre Zukunft, für Klimagerechtigkeit.

 

Am 22. Dezember 1867 trat das Staatsgrundgesetz in Kraft, das der Wissenschaft und ihrer Lehre Freiheit sicherte. Am 22. Dezember 1984 hat Bundeskanzler Fred Sinowatz einen Weihnachtsfrieden in der Hainburger Au ausgerufen. Im Dezember 2021 hat die Asfinag beschlossen, das Projekt Lobau-Autobahn nicht weiter zu verfolgen. Im Sinne des Klimaschutzes und der Rettung unserer Lebensgrundlagen ist das eine weitsichtige Entscheidung. Die Stadt Wien und die Wiener Stadtregierung sind jetzt aufgefordert, unter diesen neuen Rah

 

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