Gemeinderat, 24. Sitzung vom 22.06.2022, Wörtliches Protokoll - Seite 70 von 126
be im Eigentum der Stadt, und auf die Frage des Redakteurs „Sie sehen Wettbewerb also nicht als kostenregulierendes Element in der Daseinsvorsorge?“ antwortet Brauner: „Das ist ein ausschließlich ideologisch geprägtes Argument, das in dieser Form überhaupt nicht stimmt. Ob privat oder öffentlich, die Verantwortung liegt sowieso immer bei der Kommune. Wozu sollte sie also diese Verantwortung abgeben? Wenn der Preis für das Wasser steigt,“ -so steht es im Interview, ich sage, wenn der Preis für die Fernwärme steigt - „rufen die Menschen ohnedies beim Bürgermeister an. Warum sollte er daher nicht auch die Verantwortung wahrnehmen?“ So Renate Brauner in der „Wiener Zeitung“ vor ein bisschen mehr als einem Jahr.
Aber jetzt kann man sagen, das waren noch immer andere Leute als Sie, der die Letztverantwortung hat, werter Herr Bürgermeister, und ich habe mich weiter schlau gemacht. Wir hatten ja im Jahr 2020 Wahlkampf, und Sie haben da so eine kleinen Zwischenkampagne unter dem Titel „Wien, wir schau‘n auf dich. Für ein leistbares Leben.“ geführt. (Der Redner hält ein bedrucktes Blatt Papier in die Höhe.) Ich darf aus einem Text zitieren, wo Michael Ludwig darunter steht: „Im Nachhinein zeigt sich, wie wichtig es war, dass wir die Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand behalten haben. Vor allem“ - und jetzt kommt ein interessanter Satz, lassen Sie sich den wirklich auf der Zunge zergehen - „neoliberale und konservative Parteien haben immer wieder gefordert, dass der Staat wie ein Unternehmen geführt werden solle.“ - Pardauz, was wir uns da erlaubt haben? Und Sie erzählen uns dann weiter in diesem Werbefolder: „Wir schauen auch in Zukunft auf die Wienerinnen und Wiener und lassen niemanden alleine, gerade jetzt nicht. Deswegen: für ein leistbares Leben.“ - Präsentiert von Ihnen höchstpersönlich, Herr Bürgermeister, am 19. März 2020.
Sie haben mit diesem Text suggeriert, dass Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand, in der Hand der Stadt nie ein Preisproblem haben könnte, weil es Ihnen nicht um Profite geht, sondern um leistbares Leben. Und jetzt, Herr Bürgermeister, frage ich mich schon: Wie erklären Sie das Ihren Wählerinnen und Wählern, die an Sie und die Ihnen geglaubt haben, wenn Sie heute hergehen und mit einem Fingerstreich eine Erhöhung von 92 Prozent verordnen?
Kollege Ornig hat heute gemeint - über die Anzahl der Unternehmer, glaube ich, müssen wir uns noch einmal unterhalten -, da gibt es Unternehmer, die würden durch den Wegfall der Luftsteuer 800 EUR Einsparung haben. Ich kenne Unternehmer, größere Unternehmer, ich darf Sie nennen, sie sind bekannt, Kollege Bitzinger, der hat jetzt allein in einem Jahr mehr Energiekosten von 120.000 EUR und weiß nicht, wie er das bewerkstelligen soll, meine Damen und Herren. Und dann kommt die Sozialdemokratie her und erzählt den Menschen solche Schauergeschichten.
Ich darf die bisherige Linie der SPÖ-Wien zusammenfassen, kompakt in Sätzen, die genauso von der SPÖ gefallen sind: „Die Wiener Daseinsvorsorge in öffentlicher Hand garantiert ein leistbares Leben.“ - Julia Herr. „Wenn die Daseinsvorsorge in kommunaler Hand ist, ist der Bürgermeister direkt verantwortlich.“ - Renate Brauner. „Künftig kann die Stadt unmittelbar und direkt auf die Unternehmensführung durchgreifen.“ - Ulli Sima. „Wir lassen niemanden alleine.“ - Michael Ludwig.
Jetzt hätte ich fast etwas vergessen, denn wir hatten ja 2017 die Umwandlung der Wien Energie von einer AG in eine GmbH. Ich kann mich noch gut erinnern, als die Opposition damals nicht wirklich - damals auch noch die NEOS - überzeugt davon war, ob diese Umwandlung gut ist. Sie sehen, ich erzähle Ihnen keinen Schmäh, ich zitiere aus einem Bericht des ORF Wien, wo die damals zuständige Stadträtin Ulli Sima genau das sagt: „Künftig kann auch der Durchgriff der Stadt auf den Vorstand der Wien Energie unmittelbar erfolgen. Der Kontakt muss nicht mehr über das Aufsichtsgremium stattfinden, wir können in Zukunft direkt mit der Geschäftsführung kommunizieren.“ - sagt Sima. Das sei sinnvoll, da der Eigentümer ohnehin auch die politische Verantwortung trage.
Und jetzt frage ich Sie, Herr Bürgermeister, und jetzt frage ich Sie, Herr Finanzstadtrat: Warum nehmen Sie diese politische Verantwortung nicht wahr? Warum gehen Sie in Zeiten mit explodierenden Preisen her und lassen bei einem Unternehmen, das ausschließlich und zu 100 Prozent im Eigentum der Stadt steht - Sie haben sich immer dagegen gewehrt, dass es auch nur strategische Partner gibt, weil Sie die alleinige Möglichkeit haben wollten, dort zu reüssieren -, eine Preisexplosion zu und sind im Gegenzug nicht einmal bereit, auch nur irgendwo anders die Leute zu entlasten? - Stichwort: steigende Preise in allen anderen Bereichen. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Damen und Herren, Kollege Taucher hat heute davon gesprochen, es wäre fahrlässig, es wäre ja die Krida, würden wir dort nicht die Preise erhöhen. Andere erhöhen um 30 Prozent und dann ein paar Monate später wieder um 30 Prozent, wir erhöhen um 92 Prozent, das ist ehrlich. Das mag schon sein, dass es ehrlich ist, es ist nur für viele Menschen nicht leistbar, die auf die Sozialdemokratie vertraut haben. Ich verstehe nicht, warum der Bund wirklich entlasten kann und hier von Ihnen beiden, die ich persönlich hoch schätze, aber gar nichts puncto Entlastung passiert. 130 Millionen EUR, das sind bei einer Budgetsumme von 14 Milliarden in Wien jetzt wirklich keine Feuerwerke, wie es Kollege Ornig heute genannt hat. Wir brauchen aber Feuerwerke von uns allen, um den Menschen jetzt ein vernünftiges Leben zu ermöglichen.
Meine Damen und Herren, es braucht vielleicht nicht nur ein Feuerwerk, aber es braucht jedenfalls Politik mit Hausverstand. Ich nehme zur Kenntnis, dass sich die Sozialdemokratie gerade im Umgang mit der öffentlichen Hand, im Umgang mit Kommunalbetrieben selbst untreu geworden ist. Ich sage Ihnen, der Vergleich macht mich sicher, wenn ich mit dem Bund vergleiche. Hausverstand hat ganz offensichtlich die Volkspartei, und es ist gut, dass im Bund die Volkspartei das Sagen hat. Vielen herzlichen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Ich danke dem Herrn Gemeinderat für die Begründung. Zur Beant
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