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Gemeinderat, 39. Sitzung vom 20.06.2023, Wörtliches Protokoll  -  Seite 32 von 110

 

ist noch sehr viel Luft nach oben. Dazu werden wir vielleicht noch etwas hören und vielleicht ausdiskutieren. Ich werde dann dazu auch etwas sagen.

 

Ja, meine Damen und Herren, Zukunft der Demokratie: Ich glaube - das ist meine sehr feste Überzeugung -, dass die Demokratie, so wie wir sie haben, nämlich die Austauschbarkeit der Verantwortlichen, die regelmäßige Möglichkeit der Wähler, des Volkes - „demos“ -, die Herrschenden auszutauschen, noch immer die beste Möglichkeit ist, so eine Gesellschaft zu organisieren - mit allen Schwächen, die die Demokratie hat, aber ich glaube noch immer und, wie gesagt, ich bekenne mich dazu, dass wir das sehr ernst nehmen sollen und das auch durchaus weiterentwickeln sollen, aber auch darauf achtgeben sollen.

 

Der Herr Stadtrat hat es sich nicht nehmen lassen, im Vorfeld zu seinem Versuch, konkrete Sachen dazu auszuführen, auch ein paar Sachen dazu anzuführen - drei große Punkte hat er angeführt -, wie er allgemein die Zukunft der Demokratie oder die Probleme oder den Zugang zur Demokratie gesehen hat. Dazu in aller Kürze meine Replik:

 

Einen Vertrauensverlust haben Sie angesprochen. Da haben Sie durchaus recht, das ist ein Problem, vor dem wir stehen. Ohne polemisch werden zu wollen, aber: Ob es auch einer Partei, der Sie angehören, wirklich gelungen ist, das Vertrauen in die Demokratie in letzter Zeit zu erhärten, wage ich zu bezweifeln. Wenn man es nicht einmal schafft, eine Wahl mit 600 Stimmen richtig auszuzählen, so hat das wohl auch etwas mit Vertrauen oder Verlust von Vertrauen zu tun. Das meine ich ganz ernst und das meine ich jetzt auch nicht polemisch - Sie haben Ihr Fett eh schon abbekommen, also braucht jetzt nicht der Oppositionsredner von hier aus noch einmal hinzuhauen, aber nichtsdestotrotz: Auch das trägt zu Vertrauensverlust in demokratische Vorgänge bei.

 

Es gibt auch Vorgänge in unserer Republik, in unserer Gesellschaft, Selbstvertretungskörper, wo gejubelt wird - unter anderem auch vom ÖVP-Bildungsminister, der ja schon verhaltensoriginell ist, wie wir wissen -, wenn eine Beteiligung der Wähler von 21 Prozent erreicht wird. Also das ist für mich eine Katastrophe - ich sage es Ihnen so, wie es ist -, wenn knapp 80 Prozent der Wahlberechtigten es nicht für notwendig halten, dort hinzugehen.

 

Jetzt kann man lange darüber diskutieren, warum das so ist. Es hat vielleicht auch mit der Politik zu tun, die dort vor Ort betrieben wird. Nur, mir tut das weh, und das nicht nur - Sie können sich vorstellen, um welchen Selbstverwaltungskörper es geht -, weil der freiheitliche Part dort relativ schwach ist, um es einmal vorsichtig zu sagen. Unabhängig davon ist es, glaube ich, ein Alarmsignal. Man kann natürlich auch in diesem Zusammenhang darüber diskutieren, wie wir unsere Gesellschaft generell strukturieren beziehungsweise erhalten oder weiterentwickeln.

 

Ich halte es auch für ein großes Problem, was gerade passiert, nämlich dass Österreich gerade seine Gesellschaft rasant verändert. Ich glaube, dass das die Mehrheit unserer Gesellschaft gar nicht will, nur wird sie vor vollendete Tatsachen gestellt, indem wir in Österreich - und das wissen wir alle, die wir hier sind, auch wenn wir uns angeblich immer wieder etwas anderes einreden lassen wollen - verstärkt Personen zu uns holen, die mit unserer Gesellschaft gar nichts zu tun haben wollen. Das ist auch ein Demokratieproblem. Das sehe ich so, und das, glaube ich, sollte man auch in diesem Zusammenhang zumindest anreißen, 20 Minuten sind also nicht wirklich sehr viel.

 

Der Herr Stadtrat hat auch gemeint, über die vermeintlichen Feinde der Demokratie zu sprechen und hat dann den Nationalismus angesprochen und was weiß ich, was alles. Gerade die Krisen, die auch, glaube ich, im Titel dieser Mitteilung stehen, haben uns gezeigt, dass man da sehr aufpassen muss. Grundrechte wie die Meinungsfreiheit sind Selbstverständlichkeiten, bei denen wir uns bis jetzt nicht hätten vorstellen können, dass sie eingeschränkt werden. Da haben wir auch in einer der Krisen der letzten Jahre erlebt, was da alles möglich ist, um es jetzt einmal so auszudrücken. Ich kann mich erinnern, da hat Wien auch seinen Beitrag dazu geleistet, der nicht hilfreich war - ich sage es jetzt einmal so. Ich erinnere Sie daran, dass man zum Beispiel - inzwischen wissen wir, dass das vollkommen für die Fisch‘ war, nur ein kleines Beispiel, wie gesagt, ich habe nicht so viel Zeit, wie ich gerne hätte - den Leuten auferlegt, dass Sie im Freien Masken tragen müssen. Das war so der Fall - ich bin täglich über den Schwedenplatz gegangen und gehe es noch immer fast täglich, also fast jeden Arbeitstag -, und ich halte das nicht für klug. Das hat auch ein bisschen etwas mit Vertrauen in die Institutionen zu tun. Und wenn man dann schwarz-weiß malt - das wird sehr oft vielleicht einer Partei hier in unserem Hohen Haus nachgesagt -, sollte man aber immer selbstkritisch auch selbst reflektieren, ob das, was man da immer mitteilt, auch wirklich förderlich ist oder wirklich auch der Demokratie förderlich ist.

 

Wenn jemand anderer Meinung ist, dann ist das noch lange kein Grund, dass er deshalb die Demokratie ruinieren will, wenn er den Parlamentarismus ernst nimmt. Parlamentarismus kann nur der Austausch von verschiedenen Meinungen sein und nicht: Wenn eh alle das Gleiche sagen, dann ist es halt so, und wer das nicht so meint, der ist böse und um Gottes Willen und der gehört ausgegrenzt. Und der Herr Bundespräsident glaubt dann, er muss irgendwelche salbungsvollen Worte dazu sagen, die ihm nicht zustehen. Aber gut, das soll so sein. Auch da wäre ich vorsichtig, jemanden sofort als Feind der Demokratie zu punzieren. Ich fühle mich nicht angesprochen. (GRin Viktoria Spielmann, BA: Als Deutschnationaler schon!) - Ja, auch als deutschnationaler Burschenschafter. Irgendwie beschäftigt die Frau Kollegin das offensichtlich viel mehr als mich, dass ich deutschnationaler Burschenschafter - ich sage das jetzt einmal so - bin. (Neuerlicher Zwischenruf von GRin Viktoria Spielmann, BA.) Das bewegt die Frau Kollegin so unheimlich, dass sie es jedes Mal hinausrufen muss - soll so sein.

 

Liebe Frau Kollegin, wenn Sie sich einmal ein bisschen mit Geschichte beschäftigen würden, ich weiß nicht, ob Sie das vorhaben oder ob es in Ihr Weltbild auch nur ein bisschen reinpasst (GRin Viktoria Spielmann, BA: Beschäftigen Sie sich mit Geschichte!) - ja, das mache ich oft, glauben Sie mir das -, dann werden Sie vielleicht feststellen, dass 1815 für die demokratische Entwicklung, so

 

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