Gemeinderat, 52. Sitzung vom 21.03.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 16 von 23
ist, dass es euch so wie immer nicht um eine Problemlösung geht, denn keiner hier herinnen - ich habe gestern und heute sehr aufmerksam zugehört - sagt, es gäbe keine Probleme. Natürlich gibt es Probleme. Ihr aber seid diejenigen, die nicht genau hinschauen. Ihr seid diejenigen, die sich mit dem in der patriarchalen Gesellschaft zutiefst verwurzelten Sexismus nicht auseinandersetzen, es sei denn, ihr könnt damit für eure rassistische Propaganda Kleingeld wechseln. Denn dann müsstet ihr ja vielleicht auch einmal selbstkritisch auf euch schauen und euch überlegen, ob ihr euch selber auflösen müsstet. Denn ihr seid eine zutiefst sexistische Partei und könnt zu dem Thema leider gar nichts sagen. (Heiterkeit bei GR Wolfgang Seidl. - GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Das ist Demokratie bei euch!)
Was mich bei dem Thema besonders ärgert, ist, dass ihr euch in trauter Zweisamkeit gemeinsam mit der ÖVP für die Senkung des Alters bei der Strafmündigkeit einsetzt, obwohl ihr ganz genau wisst, dass wirklich alle ExpertInnen in diesem Bereich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und sagen, dass sie nichts davon halten. (GR Maximilian Krauss, MA: Wenn eure Experten etwas sagen, muss das ja nicht richtig sein!) Verstehen Sie mich nicht falsch! Ich kann total nachvollziehen, dass da ein bisschen - wie soll ich sagen - die Emotionen hochgehen. Das war auch bei mir so, als ich das erste Mal von diesem Fall gehört habe, aber bei allem Verständnis: Die Art von Anlassgesetzgebung bringt uns eben langfristig nicht weiter.
Ich darf hier auch aus dem „Standard“-Artikel vom 4.3. von Irene Brickner zitieren. Die Fachgruppe Jugendstrafrecht in der Vereinigung der Österreichischen Richterinnen und Richter - das sind jetzt, glaube ich, keine Linksradikalen - spricht sich ganz klar gegen eine Herabsetzung der Strafmündigkeit aus. Der Vorsitzende Schmitzberger sagt: „Ich muss eindringlich davor warnen, auf Grund von schrecklichen Einzeltaten unser komplettes System auf den Kopf zu stellen.“ (GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Es würde ja schon genug Fälle geben, nicht nur Einzelfälle!) „Eine Herabsetzung der Strafmündigkeit auf 12 Jahre würde alle 12- und 13-Jährigen treffen, von denen 99,9 Prozent keine schweren Straftaten begehen.“
Er spricht sich für Opferschutzmaßnahmen und Konsequenzen für die Täter außerhalb des Strafrechts aus, beispielsweise durch eine Aufstockung der Kinder- und Jugendhilfe, um zu verhindern, dass Kinder überhaupt zu Tätern werden. Es wurde ja auch schon angesprochen: Leider wurde ja 2003 der Jugendgerichtshof aufgelöst, übrigens auch unter einer schwarz-blauen Regierung. Auch da wäre es also wichtig, wieder diese evidenzbasierte Politik in den Vordergrund zu stellen. (GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Wird er jetzt wieder eingeführt? Ihr sitzt ja in der Bundesregierung!)
Wir sagen: Bitte hören wir endlich auf die ExpertInnen! Hören wir auf die WissenschaftlerInnen! Diese Senkung der Strafmündigkeit führt nicht zu einer Senkung der Jugendkriminalität. Wo wir ansetzen müssen, ist die bedingungslose Gewaltprävention, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ sowie von GRin Mag. Bettina Emmerling, MSc.)
Zum Schluss noch ein paar Gedanken dazu, was wir statt rechter und populistischer Schnellschüsse machen könnten. Wir brauchen zum Beispiel mehr Sozial- und Integrationsarbeit, vor allem interkulturelle Sozialarbeit - Stichwort Awareness-Teams im öffentlichen Raum. Dafür hat sich auch mein Kollege Ömer Öztas eingesetzt. Ich muss wirklich sagen: Jede Investition in die Bereiche Sozialarbeit, Jugendarbeit, Deradikalisierung und vor allen Dingen auch in die mobile Jugendarbeit ist eine sehr, sehr wichtige Investition in unsere Zukunft und in die Gewaltprävention.
Das Zweite ist: Das Einzige, was bei toxischer Männlichkeit und Sexismus wirklich hilft, ist eine konsequente feministische Haltung und feministische Politik. Wir müssen jede Form der sexistischen Zuschreibung und Frauenverachtung immer und überall kritisieren, egal, ob es sich um religiös begründete Vorstellungen geschlechtlicher Ordnung handelt oder um Sexismus von rechtsextremen Autochthonen.
Das Dritte ist: Wir müssen da ansetzen, wo die Gewalt entsteht - und zwar bei den Tätern. Das hat eben auch unser Bundespräsident Sascha Van der Bellen gesagt: bei den Tätern, also bei Männern und Burschen. Daher braucht es mehr Mittel für opferschutzorientierte Täterarbeit. Wir haben dazu gestern auch einen Antrag für eine Koordinationsstelle in der opferschutzorientierten Täterarbeit eingebracht, weil wir sicherstellen müssen, dass die Gewaltschutzorganisationen besser mit der Männerberatung vernetzt sind. Wir brauchen natürlich mehr Ressourcen im Bereich der gendersensiblen Burschenarbeit und für die Männerberatung.
Zum letzten Punkt, den ich noch erwähnen möchte: Wir brauchen vor allen Dingen auch in den Bildungseinrichtungen einen massiven Ausbau der Gewaltprävention. LehrerInnen dürfen mit dem Gewaltpotenzial natürlich nicht allein gelassen werden. Es braucht daher auch an den Schulen mehr psychosoziale Angebote, Demokratiebildung, sehr viel Bildung gegen Extremismus sowie mehr SchulsozialarbeiterInnen und SchulpsychologInnen.
Zu guter Letzt: Wir GRÜNE schauen hin, wir schauen nicht weg. Wir kümmern uns um echte evidenzbasierte Lösungen. Die FPÖ sät Hass und Hetze. Wir machen hier nicht mit. - Danke. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ sowie von GRin Mag. Bettina Emmerling, MSc.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau GRin Keri. Ich erteile es ihr. Bitte, Frau Gemeinderätin.
GRin Sabine Keri (ÖVP): Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren!
Ich möchte gerne einen Namen ins Gedächtnis rufen, und zwar Bagdi. Bagdi war das Mädchen, das im Jahr 2018 den Mut aufgebracht hat, sich aus den Fängen ihres Vaters und ihres gewalttätigen Bruders zu befreien. Sie hat Hilfe in der Krisenpflege gesucht. Dann wurde Druck auf sie ausgeübt. Sie ist noch einmal in ihre afghanische Familie zurückgegangen, hat es noch einmal probiert. Am Schulweg hat ihr Bruder sie dann erstochen und gesagt: Gut, dass sie tot ist, denn sie hatte keinen Respekt vor mir.
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