Gemeinderat, 54. Sitzung vom 22.05.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 40 von 109
und nicht bedarfsdeckend bezeichnet. Dazu ist zu sagen, dass es ja schon früher einen Prüfbericht zu diesem Thema gab. Damit zeigt sich, es hat sich eigentlich wenig verbessert. Das ist traurig, das ist wirklich ärgerlich, und da muss wahrscheinlich politisch von uns auch noch viel mehr Druck erzeugt werden. Dann hat der Stadtrechnungshof festgestellt, dass nur ein Drittel, nämlich zwei von sechs der im Versorgungsplan angeführten extramuralen Ambulatorien für die Zielgruppe der psychisch und psychosomatisch erkrankten Kinder und Jugendlichen bislang in Betrieb gegangen war. Klar, es hat sich wieder etwas weiterentwickelt, aber Fakt ist, wir stehen einfach nichtsdestotrotz nicht dort, wo wir sein müssten.
Weiters wurden die Bettenkapazitäten und auch der chronische Personalmangel und die hohen Wartezeiten angesprochen. Alles das sind Probleme, die mittlerweile nicht nur in der Kinder- und Jugendpsychiatrie zu spüren sind - dort aber ganz besonders -, sondern uns mittlerweile im gesamten Gesundheitswesen beschäftigen. Es ist jedenfalls Fakt, dass diese langen Wartezeiten gefährlich sind und dass gerade in der Kinder- und Jugendpsychiatrie Entwicklungsfenster nicht genützt werden können und damit nachhaltig gesundheitliche Schäden die Folge sein können. Darum braucht es hier wirklich rasche Hilfe.
Die Verweildauer haben Sie auch angesprochen, sie ist im stationären Bereich runtergegangen. Da könnte man meinen, das ist ein gutes Zeichen: weniger krank. Nein, nein, das Gegenteil ist der Fall! Wir haben es hier mit Drehtüreffekten zu tun, dass die Kinder und Jugendlichen früher, als es eigentlich gut und sinnvoll wäre, entlassen werden und natürlich dann wiederkommen. Das ist ein Punkt, der uns auch nach wie vor beschäftigt.
Minderjährige sind auf Erwachsenenpsychiatriestationen - ein Riesenthema. Transitionspsychiatrie, die ausgebaut wird, soll Linderung verschaffen, aber das ist natürlich nur eine Notlösung. Darauf weist auch der Rechnungshof hin, der davon spricht, dass eine bedarfsdeckende kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung weiterzuführen ist. Der Stadtrechnungshof drückt sich aus meiner Sicht ja mitunter oft recht vornehm aus, aber ich lese das zwischen den Zeilen eigentlich so: Tut endlich weiter! Stellt endlich eine Kinder- und Jugendpsychiatrie bereit, die wir brauchen, und tut nicht länger mit diesen Zwischen- und Notlösungen herum. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Explizit wird vom Stadtrechnungshof auch kritisiert, dass autistische Kinder und Jugendliche mit extremen Versorgungslücken kämpfen. Wartezeiten von bis zu eineinhalb Jahren waren beispielsweise im Kompetenzzentrum Favoriten zu diesem Zeitpunkt anscheinend nicht unüblich. Das ist natürlich ein Wahnsinn für so kleine Kinder. Dann war noch der Punkt, dass nur Kinder aus diesem Bezirk oder Einzugsgebiet dort zur Behandlung gehen konnten. Man sieht, es mangelt an allen Ecken und Enden.
Wesentliche Kritikpunkte des Stadtrechnungshofs waren auch das fehlende Personal. Dort wurde natürlich hingewiesen: Bitte, bemühen Sie sich! Schauen Sie, dass Sie mehr Personal ausbilden. Ja eh, schreibt sozusagen die Verwaltungsstelle, wir bemühen uns eh. Fakt ist aber, dieses Bemühen mündet eigentlich in nicht sehr konkreten Verbesserungen. Wenn ich an die Kinder- und Jugendpsychiatrie in letzter Zeit denke, an die PflegerInnen, die aufschreien und sagen, die Hälfte von uns hat gekündigt, weil die Arbeitsbedingungen untragbar sind, dann geht da einfach viel zu wenig weiter und man kann das nicht so stehen lassen: Ja, ja, die Personalnot ist groß. Im Grunde muss hier deutlich, deutlich mehr passieren.
Wenn ich einen Wunsch an den Stadtrechnungshof äußern darf, würde ich mir tatsächlich manchmal ein bisschen mehr Genauigkeit und ein bisschen mehr Druck in Ihrer Wortwahl wünschen, denn dieses lapidar geäußerte, ja, die Personalnot ist überall, können wir so eigentlich nicht stehen lassen, weil sie einfach große Probleme verursacht und letztendlich aber trotzdem nichts weitergeht.
Zum Home-Treatment möchte ich auch noch etwas sagen, beziehungsweise passt das auch zu dem Thema Personalnot. Das Home-Treatment ist eine gute Sache, wurde vom PSD aufgebaut, und der Stadtrechnungshof zeigt ganz deutlich, dass psychiatrisches Fachpersonal aus den stationären Bereichen deswegen abgezogen wurde, weil im PSD besser bezahlt wird. Das ist eine Politik, wo wir zwar neue Ansätze haben, aber gleichzeitig woanders Löcher aufreißen. Das kann, es ehrlich gesagt, nicht sein, meine sehr geehrten Damen und Herren, und ich adressiere das insbesondere an die Stadtregierung: Hier muss wirklich endlich ganz konsequent an nachhaltig guten Lösungen gearbeitet werden, und das ist ja fast eine Scheinlösung.
Warum mir das auch so wichtig ist: Vor Kurzem hat die Ärztekammer eine Studie präsentiert, und in dieser Studie kommen zwei Ergebnisse, die dazu sehr passen, was auch der Stadtrechnungshof festgestellt hat und warum mir dieses Thema auch so ein Anliegen ist. In dieser Studie wird gesagt, 40 Prozent der niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiater nehmen keine PatientInnen mehr auf, sie sind voll - 40 Prozent. Eigentlich sollte man meinen, der niedergelassene Bereich sollte den stationären Bereich entlasten. Das kann er offenbar nicht, und gleichzeitig ist der stationäre Bereich aber auch am Limit. Sie sehen, für die kinderpsychiatrische Versorgung fehlt es hinten und vorne an Ressourcen. Was auch noch ist, ist, dass man in der niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychiatrie 90 Tage auf einen Termin wartet. Das ist natürlich auch viel zu lange. Hier muss zusammengearbeitet werden, und es braucht auf allen Ebenen Verbesserungen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Bis zum St. Nimmerleinstag kann die kinderpsychiatrische Versorgung nicht warten, wollen wir nicht warten. Wir werden weiter Druck auf die jeweiligen Institutionen aufbauen, damit sich nicht dieser Umsetzungsstau offenbar mit diesen gerade einmal 42 Prozent - natürlich ist das nicht alles Gesundheit, sondern das betrifft das gesamte Ressort - einpendelt, sondern wir zum Durchschnitt Richtung 80, 90 Prozent Umsetzungsquote kommen, damit hier etwas weitergeht. Ich danke Ihnen noch einmal für ihre Arbeit und freue mich auf Ihre weiteren Berichte aus dem Gesundheitsbereich. (Beifall bei den GRÜNEN.)
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