Gemeinderat, 54. Sitzung vom 22.05.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 44 von 109
wählen. In Zeiten des Kriegs, der steigenden Lebenshaltungskosten und der Klimakrise ist es umso wichtiger, wählen zu gehen, besonders für junge Menschen.
Sehr geehrte Damen und Herren, es können aber nicht alle jungen Menschen wählen. Während wir in Österreich und in Malta das Wahlrecht ab 16 Jahren und in Griechenland ab 17 Jahren haben, schauen alle anderen Jugendlichen eigentlich durch die Finger. Sie müssen bis zur Volljährigkeit, also bis zum 18. Lebensjahr, warten, um überhaupt wählen zu dürfen. Wir denken, dass es unfair ist, wenn in einem Land das Wahlrecht ab 16 Jahren gilt, in einem anderen aber erst ab 18 Jahren.
Warum erzähle ich das hier in diesem Haus, sehr geehrte Damen und Herren? Wahrscheinlich können sich einige erinnern: Wien war das erste Bundesland in ganz Österreich, das das Wahlrecht ab 16 Jahren eingeführt hat. Das war 2002 mit der Wahlrechtsreform, wodurch es 16-Jährigen dann im Jahr 2005 erlaubt war, bei der Gemeinderats-, der Landtags- und der Bezirksvertretungswahl zu wählen. Es hat nicht lang gedauert, und es ist zwei Jahre später auch auf Bundesebene passiert. Da haben meines Wissens alle Parteien bis auf die FPÖ zugestimmt, wobei die FPÖ dem ganzen Paket nicht zugestimmt hat, aber das Wahlrecht ab 16 Jahren auch gutgeheißen hat. Heuer dürfen Jugendliche ab 16 Jahren auch in Deutschland und Belgien zumindest bei der EU-Wahl wählen.
Sie sehen, sehr geehrte Damen und Herren, Wiens Vorreiterinnenrolle hat einen Dominoeffekt in ganz Europa ausgelöst: zuerst in Wien, dann in Österreich. Dann sind einige Länder wie eben Malta und Griechenland nachgezogen. Deswegen bringen wir auch heute einen symbolischen Antrag ein. Warum symbolisch? Weil es darum geht, dass wir nicht die Wahlrechte anderer Länder beeinflussen können, da es sich um eine nationale Gesetzgebung handelt. Wir können als Wien aber zumindest eine Position einnehmen und sagen: Hey, wir haben das gemacht. Wir würden uns wünschen, wenn das auch Europa-weit eingeführt wird.
Wir bringen einen Antrag zum europäischen Wahlrecht ab 16 Jahren ein und möchten uns eben für die VorreiterInnenrolle Wiens beim Jugendwahlrecht aussprechen. Wir wissen, dass der Bürgermeister auch der Vertreter Wiens im Europäischen Ausschuss der Regionen ist. Dieses Anliegen geben wir auch an den Bürgermeister weiter. Wir möchten mit diesem Antrag eigentlich nur Awareness für das schaffen, was in Wien geklappt hat und was auch in Österreich seit Jahrzehnten klappt.
Stimmen Sie diesem Antrag zu, sehr geehrte Damen und Herren! Es tut Ihnen nicht weh. Es tut mir nicht weh. Es ist ein netter, guter Antrag, der viel bringen kann. Es ist ein positives Zeichen nach außen. Es ist eine Stärkung des demokratischen Verständnisses. Danke. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Bevor ich die nächste Rednerin aufrufe, darf ich den ehemaligen Vorsitzenden des Wiener Gemeinderates, Herrn Godwin Schuster, sehr herzlich auf der Galerie begrüßen. (Allgemeiner Beifall.)
Als Nächste ist GRin Aslan zu Wort gemeldet. Bitte.
GRin Mag. Berivan Aslan (GRÜNE): Frau Vorsitzende! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich verfolge immer wieder die Veranstaltungen und auch Tätigkeiten des Vereins ÖIIP, also des Vereins Österreichisches Institut für Internationale Politik. Ich finde, es ist gerade in einer Zeit, in der Fake News verbreitet werden (GR Maximilian Krauss, MA: Von der Lena Schilling zum Beispiel! - GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Sie reden über Fake News?), umso wichtiger, dass derartige Vereine gefördert und auch ausreichend nachhaltig finanziert werden.
Nun zum vorliegenden Antrag für eine demokratische Türkei: Meine Kollegin Heidi Sequenz war heuer als Wahlbeobachterin in der Türkei. Sie kann viel davon erzählen, wie Wahlen in der Türkei manipuliert werden. (GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc: Solange es nicht die Lena erzählt hat, ist es wurscht!) Denn nur die Tatsache, dass es Wahlen in der Türkei gibt, heißt nicht, dass genau diese Regierung dann auch demokratisch ist. Wir kennen das nicht nur aus der Türkei, sondern wir kennen das auch vom Iran und auch aus Russland, Stichwort: demokratische Prinzipien. Eines der wichtigen demokratischen Prinzipien ist die Rechtstaatlichkeit. Letzte Woche gab es im sogenannten Kobane-Verfahren Massenverurteilungen von Oppositionellen. Unter ihnen wurden auch der ehemalige HDP-Chef Selahattin Demirtas und auch die Co-Vorsitzende Figen Yüksekdag zu 60 Jahren verurteilt - und das nur, weil sie sich für eine demokratische und pro-europäische Türkei sowie für Menschenrechte und Menschenwürde eingesetzt haben.
Unter dem Deckmantel der Terrorpropaganda werden in der Türkei seit Jahren demokratische Kräfte kriminalisiert und auch verurteilt. Gerade deswegen sind diese Prozesse und Verurteilungen keine rechtlichen Prozesse, sondern sie alle sind politisch motiviert und verstoßen in diesem Ausmaß natürlich auch gegen jedes Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Das bestätigt auch der Europäische Gerichtshof. Auch im Falle von Demirtas hat er klar ausgesprochen, dass diese Prozesse nicht juristisch, sondern rein politisch motiviert sind. Er hat in diesem Prozess die Türkei auch verurteilt. Gleichzeitig hat er auch die Freilassung von Demirtas verlangt. - Was ist passiert? Wie zu erwarten und wie immer hat die türkische Regierung, besser gesagt, Erdogan auch bei diesen Prozessen die Urteile unserer Höchstgerichte ignoriert. Das kennen wir auch von Ländern wie Russland. Was ist dann passiert, oder besser gesagt: Was bedeutet das für die Rechtsstaatlichkeit in Europa? Einige fragen sich: Was hat das Ganze mit mir zu tun, oder was hat das überhaupt mit Europa zu tun? Das versuche ich Ihnen jetzt kurz zu erklären.
Die Türkei ist ein EU-Beitrittskandidat. Sie ist NATO-Mitglied. Es ist also nicht irgendein Land. Wenn Präsident Erdogan auf die Urteile unserer Höchstgerichte pfeift, dann haben wir ein Problem mit der Rechtsstaatlichkeit. Dann wird wahrscheinlich als Nächster Orbán daherkommen und auch die Urteile unserer Höchstgerichte ignorieren. Irgendwann einmal werden wir dann an dem Punkt sein, dass sich die Menschen in Europa nicht mehr trauen,
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