Gemeinderat, 54. Sitzung vom 22.05.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 60 von 109
zu sogenannten Superblocks und auf diesen Superblocks entstehen die Naherholungsgebiete für die unmittelbare Bevölkerung, also für die anliegenden Wohnhäuser.
All das und viele andere Elemente sind jetzt in diesem Flächenwidmungsplan vorgesehen. Außerdem ist es auch ganz wichtig, dass man sagt, dass diese rote Saite als Geschäftsviertel vorgesehen ist. Warum ist das wichtig? Es ist deswegen wichtig, weil man diese Durchmischung auch in der Flächung umsetzen möchte. Auch wenn das Ziel ist, dass es ein leistbarer Wohnraum ist, der in der Seestadt vorwiegend entsteht, gibt es durchaus entlang dieser Einkaufsstraße eine Wohnnutzung, die beschränkt ist auf 80 Prozent, damit einfach diese angestrebte Nutzungsvielfalt stimuliert und in weiterer Folge auch umgesetzt wird.
Wie bereits erwähnt, geht es um einen Teil der Seestadt, der uns zum Beschluss vorliegt und worüber wir heute beschließen werden. Es ist nur ein kleiner Schritt, der aber den weiteren Weg ebnet, und das ist wichtig. (Zwischenruf von GR Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi.) Danke, lieber Omar! Ich habe noch 30 Sekunden, aber ich bin schon fertig. - Danke schön. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Möchtest du nachher weitersprechen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist niemand mehr zum Wort gemeldet. Die Debatte ist geschlossen. Die Frau Berichterstatterin verzichtet auf das Schlusswort.
Wir kommen daher zur Abstimmung der Postnummer 17. Wer dieser Post 17 beitritt, den bitte ich um ein Zeichen mit der Hand. - Die Zustimmung erfolgt durch SPÖ, NEOS und die GRÜNEN, somit mehrstimmig angenommen.
Auf meiner Uhr ist es nun 16 Uhr. Daher unterbreche ich die Sitzung für die erste Dringliche Anfrage.
Wir kommen nun zu dem Verlangen, dass die von GR Mag. Juraczka, GRin Mag. Sachslehner, GRin Mag. Hungerländer, GR Gstöttner, GRin Mag. Arnoldner und GR Taborsky eingebrachte, an den Herrn Bürgermeister gerichtete Dringliche Anfrage mit dem Titel „Gegen antisemitische Tendenzen in Wien“ vom Fragesteller mündlich begründet werde und hierauf eine Debatte über den Gegenstand stattfinde.
Auf eine Verlesung wurde verzichtet.
Wir kommen daher gleich zur Begründung. Für die Begründung der Dringlichen Anfrage sieht die Geschäftsordnung gemäß § 37 Abs. 1 eine Redezeit von 20 Minuten vor, und ich darf nun zur Begründung der Dringlichen Anfrage Herrn GR Mag. Juraczka das Wort erteilen. Bitte schön.
GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Wir haben heute eine Dringliche Anfrage an Sie, werter Herr Bürgermeister, betreffend antisemitische Tendenzen in unserer Heimatstadt Wien gerichtet. Zu Beginn darf ich ausführen, dass ich im Zuge meiner Tätigkeit hier im Wiener Rathaus schon so manche Dringliche begründen durfte. Oftmals ging es um mutmaßliche Versäumnisse der Landesregierung, Fehler, manchmal vielleicht sogar um vermutete Skandale im Zusammenhang mit einzelnen Personen oder in der politischen Gesamtausrichtung. Manchmal ging es einfach darum, alternative Lösungsvorschläge einer Oppositionspartei, meiner Volkspartei, aufzuzeigen und zu diskutieren.
Heute geht es mir in erster Linie darum, so viele wie möglich von Ihnen, Kolleginnen und Kollegen, also von den 99 hier, abzuholen, wachzurütteln und endlich im notwendigen Ausmaß, wie ich denke, zu sensibilisieren. Die antisemitischen Tendenzen in unserer Gesellschaft - das zeigt sich geradezu tagtäglich in unserer Gesellschaft im Allgemeinen und in unserer Heimatstadt im Besonderen - sind nämlich in der Tat mehr als besorgniserregend.
Paul Grosz, der langjährige und mittlerweile leider verstorbene Präsident der österreichischen Israelitischen Kultusgemeinde hat einmal gesagt: Wenn Sie wissen wollen, wie es einem Land morgen geht, dann schauen Sie sich an, wie es der jüdischen Gemeinde heute geht! Und auch das, werte Kolleginnen und Kollegen, ist ein Grund, weshalb wir als gewählte Vertreter für die Anliegen und für die Weiterentwicklung dieser Stadt im Hinblick auf das Thema Antisemitismus nicht schweigen und schon gar nicht wegschauen dürfen. (Beifall bei der ÖVP.)
Meine Generation - ich bin Jahrgang 1969 - konnte und durfte die Aufarbeitung des dunkelsten Kapitels der österreichischen Geschichte in ganz unterschiedlichen Phasen miterleben. Seien wir uns ehrlich: Begonnen hat es mit einem jahrelangen Totschweigen der Gräuel. Qualtingers Herr Karl war damals ein wunderbarer Spiegel für die massive Auseinandersetzung mit dieser Zeit. Angesichts der Kandidatur und der späteren Wahl Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten gab es das Eingeständnis einer Mitverantwortung an den NS-Gräueln durch den damaligen Bundeskanzler Franz Vranitzky. Es kam zur Restitution und Entschädigung der Opfer unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Und bis heute währt die Diskussion, wie es die früheren Generationen mit dem Antisemitismus gehalten haben und wie wir unsere Empörung über die anderen damals bestmöglich zum Ausdruck bringen können.
Für mich als Jugendlichen blieb das Thema Antisemitismus allerdings lange Zeit einigermaßen abstrakt, das gebe ich ganz offen zu. Ich hatte zwar das Glück, gute Geschichtslehrer zu haben, die nicht nur lehrten, sondern auch neugierig machten zu forschen. Dennoch war das Jahrhundertverbrechen Schoa für mich insofern abstrakt, als es einfach nicht nachvollziehbar war. Ich dachte mir: Wie konnte man nur so hassen?! In einer gefestigten Demokratie ist so etwas eigentlich unvorstellbar. Das war damals meine Überzeugung. Und dass Antisemitismus der Keim war, woraus diese Tragödie entstand, war eigentlich auch wenig nachvollziehbar, denn wer wird denn schon wegen seiner Konfession zu streiten beginnen?! Für mich war all das - auch das sei gesagt - relativ fern, weil ich keine Freunde und Bekannten jüdischer Konfession hatte. Judentum fand damals für mich eigentlich nur statt, wenn ich in der Leopoldstadt gelegentlich einen orthodoxen Juden auf der Straße sah.
Wirkliches Verständnis für die Sorgen und Ängste und die mehr als nachvollziehbaren Traumata der jüdischen Gemeinde, aber auch für die unglaubliche Komplexität
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