Gemeinderat, 54. Sitzung vom 22.05.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 68 von 109
Schmierereien schnellstmöglich entfernt. Das wurde auch heute wieder gesagt, und das stimmt nicht, das zeigen ganz einfach die Fakten.
Wir wissen seit Jahren, dass wir in Wien eine eigene Antisemitismusstrategie brauchen, etwas, was in anderen Städten schon lange der Fall und dort gelebte Realität ist. Darüber diskutieren wir in Wien seit Jahren, und ich freue mich natürlich, dass wir heute wieder einmal einen gemeinsamen Antrag dazu einbringen. Das ist ein wichtiges Zeichen. Aber seien wir uns ehrlich: Diese Strategie hätten wir in den letzten Jahren auch schon gebraucht, und insofern ist es höchste Zeit, dass wir sie endlich umsetzen! (Beifall bei der ÖVP.)
Ich muss Ihnen sagen: Vor dem Hintergrund dieser Zusammenfassung der tatsächlich umgesetzten Maßnahmen aus den letzten Jahren ist es leider wenig verwunderlich, dass sich all das aktuell in unserer Stadt abspielt. Es ist wenig verwunderlich, dass wir uns mit solchen Schmierereien und mit einer offensichtlich immer größeren Anzahl an antisemitischen Vorfällen auseinandersetzen müssen. Und ich möchte auch noch einmal dazusagen, damit das ja nicht falsch verstanden wird: Natürlich hat das für jede Form des Antisemitismus zu gelten, egal, aus welcher Richtung er kommt, das ist völlig klar. Trotzdem muss man aber so ehrlich sein und sich eingestehen, dass gerade in Wien die politischen Verantwortlichen in den letzten Jahren auf dem linken Auge sehr wohl blind waren und dass das nun das Ergebnis ist, wenn man sich jahrelang nur durch Ignoranz auszeichnet. (Bgm Dr. Michael Ludwig: Ist das eine Behauptung, oder können Sie das irgendwie belegen?) Wenn Sie sie mir zugehört haben, Herr Bürgermeister, dann sind, wie ich glaube, die Belege deutlich!
Ich darf abschließend an Sie appellieren, dass Sie das, was wir heute hier diskutieren, aber auch unsere Beschlussanträge ernst nehmen, dass Sie sich mit diesem Thema ordentlich auseinandersetzen und dass Sie endlich aufhören, das eigene Versagen in diesem Bereich die ganze Zeit unter den Teppich zu kehren. - Vielen Dank. (Beifall bei der ÖVP.)
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Zum Wort gemeldet ist Herr GR Ing. Guggenbichler. Ich erteile es ihm.
GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc (FPÖ): Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Sehr geehrte Frau Stadträtin! Sehr geehrter Herr Vorsitzender!
Als ich diese mündliche Anfrage an den Herrn Bürgermeister heute gesehen hab‘, wusste ich, dass wir ein spannendes, wahnsinnig schwieriges und kompliziertes, aber auch sehr notwendiges Thema heute zu diskutieren haben, und dafür darf ich der ÖVP danken. Ich danke der ÖVP dafür, dass sie es heute zum Thema macht, die Frage ist aber immer, wie man das zum Thema macht.
Antisemitismus ist ein Thema, das uns seit Jahrhunderten begleitet. Heute haben wir das Foto für das Jubiläum 100 Jahre Gemeinderat gemacht. Damals wurden 120 Gemeinderäte in diesem Raum angelobt, und damals hatten wir nicht das Glück, dass alle 120 keine Antisemiten waren. Dieses Glück hatten wir damals nicht, denn in dieser Phase bestanden Tendenzen, die dann im Zweiten Weltkrieg im Holocaust gegipfelt sind, in der schrecklichsten Tat, die wir hier bei uns in unseren Breiten erleben mussten. Und die Vorboten dieser Zeit gab es schon 50 Jahre zuvor sehr massiv.
Ich habe mir gedacht: Wofür eignet sich eine Antisemitismusdebatte? Sie eignet sich dafür, das Thema ernsthaft anzusprechen. Ich füge hinzu: Ja. Man kann über die Wiener Festwochen sprechen. Und: Nein. Es gefällt mir auch nicht, dass diese Personen dort reden dürfen. Mir gefällt das überhaupt nicht. Die wirkliche Problematik, die wir insbesondere seit dem Anschlag der Hamas auf Israel haben, besteht aber darin, dass in Europa und in Wien Jüdinnen und Juden auf der Straße angepöbelt beziehungsweise angegriffen werden. Und ich glaube nicht, dass diese Künstler, die hier auftreten, dazu beitragen, das wirkliche Problem anzusprechen. Das wird das Problem nicht verschärfen, obwohl es kein gutes Signal ist, das können wir auf alle Fälle sagen.
Das wirkliche Problem ist, dass wir seit dem 7. Oktober bereits in den ersten drei Wochen eine Steigerung an antisemitischen Taten von 300 Prozent in Österreich hatten, durch ein Integrationsversagen in den letzten Jahren oder dadurch, dass man falsch mit diesen Menschen umgegangen ist. Man hat eventuell gedacht, dass man sie in irgendeiner Art und Weise unserem Wertekontext oder unserem Wertekatalog näherbringen kann, das hat jedoch schlicht und ergreifend nicht funktioniert. Kollege Juraczka hat es vorhin angesprochen: Es gibt mannigfaltige Arten von Antisemitismus, insbesondere den althergebrachten. Das war unser althergebrachter, aber was ich besonders spannend finde, ist, dass wir zum Beispiel einen Europäischen Song Contest haben, wo eine jüdische Sängerin von einer Community ausgebuht wird. Warum diese Community das tut, ist mir unbegreiflich, aber es ist auch vieles andere unbegreiflich, was diese Community tut. Es ist aber ein Zeichen für einen gewissen strukturellen Antisemitismus, den wir hier im islamistischen Bereich haben, den wir - jetzt durch den islamistischen Antisemitismus vielleicht eher nach vorne gerückt, dass man ihn sieht - auch im linksextremen Bereich haben, weil er ja da sonst immer kaschiert wurde.
Der rechte Antisemitismus wurde seit Jahren bekämpft, da sind wir uns, glaube ich, alle einig, und dass wir keinen in dieser Art und Weise dulden, da sind wir uns auch einig. Ich glaube, dass eine Kritik an den Wiener Festwochen schon gut ist, eine Kritik, wer auftreten soll, schon gut ist, aber ich habe damals, als ich den Antrag mitunterschrieben habe, lange darüber nachgedacht, ob es grundsätzlich gescheit ist, Auftrittsverbote zu verhängen. Das war meine Überlegung damals.
Ich habe mich aus dieser antisemitischen, aus dieser pro-israelischen und pro-jüdischen Komponente heraus dafür entschieden, es mitzutragen, aber grundsätzlich glaube ich nicht, dass es gescheit ist, wenn ein Gremium darüber entscheidet, wer auftreten darf und wer nicht auftreten darf, solange er sich im rechtlichen Rahmen befindet. Das ist meine persönliche Meinung dazu. Wir müssen es ja nicht alle gleich sehen. (GR Dr. Markus Wölbitsch, MIM: Ihr habt das schon einmal anders gesehen!) Ich habe das noch nie anders gesehen, nein. Ich bin schon
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