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Gemeinderat, 54. Sitzung vom 22.05.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 71 von 109

 

Das muss man aushalten. Das muss er aushalten und das muss ich aushalten. Ich schätze aber seine intellektuelle Offenheit und die Bereitschaft, hier in einen vertiefenden Austausch zu gehen, und ich schätze seinen klaren Blick, dass Antisemitismus bei den Wiener Festwochen keinen Platz hat.

 

Für mich wäre eine Grenze dann überschritten, wenn es einen tatsächlichen Auftritt auf einer öffentlich finanzierten Bühne von Unterstützerinnen oder Unterstützern der BDS gegeben hätte oder geben würde, oder wenn ein Yanis Varoufakis mit seinem wirren Blick auf die Welt, der sich immer noch weigert, den Terrorangriff der Hamas gegen Israel zu verurteilen, tatsächlich einen Auftritt bei den Wiener Festwochen hätte. Einen solchen Auftritt wird es nicht geben, und ich füge hinzu. Das ist gut so.

 

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, ich betrachte den dramatischen Verlust von Sensibilität gegenüber Antisemitismus in allen gesellschaftlichen Kreisen und von vielen intellektuellen Kreisen mit großer Sorge. An dieser Stelle ist auch unmissverständlich zu formulieren: Es gilt immer: Keine Toleranz der Intoleranz. Mit ebenso großer Sorge betrachte ich diese „From the River to the Sea“-Schreihälse bis hin zu den lächerlichen „Queers for Palestine“, die in Gaza nicht gefeiert, sondern verfolgt werden würden, von Hamas ermordet werden würden, denn ihre einzige Zuflucht wäre das pluralistische Israel.

 

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, uns alle verbindet hoffentlich ein gemeinsames Bestreben, das konsequente Bekämpfen von Antisemitismus. Das heißt, Antisemitismus zu erkennen, ihn zu benennen und ihm klar entgegenzuwirken, das gemeinsame Bestreben, dass alle Bereiche unserer Gesellschaft sichere Orte für Jüdinnen und Juden sein müssen und nicht sichere Orte für Antisemiten. Um dieses gemeinsame Bestreben konsequent zu verfolgen und Antisemitismus konsequent zu bekämpfen, ist es meiner Meinung nach aber auch erforderlich, dass wir in der Debatte um das Thema Antisemitismus etwas tun, was wir in anderen politischen Debatten nicht machen, nämlich das Gemeinsame über das Trennende zu stellen (Beifall von Amtsf. StRin Mag. Veronica Kaup-Hasler) und mit einer gemeinsamen Sprache den Antisemiten eine rote Linie zu ziehen.

 

Denn eine Sprache, die in den Debatten zum Thema Antisemitismus ständig nur das Trennende in den Mittelpunkt stellt und ständig nur gegenseitige Ausschlüsse betont, anstatt den gemeinsamen Nenner hervorzuheben, ist für Antisemiten eine Einladung, ihr Gift weiter in unsere Gesellschaft zu spritzen. Ich fordere alle hier auf: Bevor Sie den Finger heben, um den Antisemitismus anderer vorzuführen, zeigen Sie mit dem Finger auf sich selbst und überlegen Sie sich, was Sie dazu beitragen können, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der Antisemitismus keinen Platz hat! (Beifall bei NEOS, SPÖ, ÖVP und GRÜNEN.)

 

Geschätzte Kolleginnen und Kollegen, Jüdinnen und Juden müssen sich in allen Bereichen unserer Gesellschaft sicher fühlen. Es darf keine „safe spaces“ für Antisemitismus geben und es darf keine Täter-Opfer-Umkehr geben. Und eines muss klar sein: Egal, woher Antisemitismus kommt - ob er von Linken kommt, ob er von Rechten kommt, ob er von Islamisten kommt, ob er von Menschen mit Migrationshintergrund oder von Menschen ohne Migrationshintergrund kommt -, Antisemitismus muss mit allen gesellschaftlichen und rechtsstaatlichen Mitteln bekämpft werden und antisemitische Taten müssen klare Konsequenzen haben. Vielen Dank. (Beifall bei NEOS, SPÖ, ÖVP und GRÜNEN.)

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr GR Kunrath, und ich erteile es ihm. Bitte, Herr Gemeinderat.

 

17.19.25

GR Nikolaus Kunrath (GRÜNE)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Werter Herr Bürgermeister! Werte Kolleginnen und Kollegen und hallo vor dem Livestream!

 

Als ich heute begonnen habe, über diese Rede nachzudenken, habe ich überlegt, ob es eigentlich sehr einfach oder sehr schwierig ist, am Rednerpult über Antisemitismus zu sprechen. Mit der einen Gehirnhälfte habe ich gedacht, na, logisch, als Mensch, der sich gegen Antisemitismus einsetzt, ist es doch ganz einfach, gegen Antisemitismus zu sprechen.

 

Dann ist mir aber doch aufgefallen - Thomas Weber hat das gerade vor mir sehr stark gesagt und ich bin da jetzt eher redundant zu diesem Punkt -, wie schwierig es wird, diese Vielfältigkeit anzusehen. Ich habe es ganz einfach trotz meiner langen Arbeit dazu bis dato nicht wirklich durchschaut, was es abseits der wissenschaftlichen Tätigkeit bringt, ob man von linkem, von rechtem, von muslimischem, von religiösem, von zugewandertem, von nicht zugewandertem oder sonst-was Antisemitismus spricht. Er ist überall zu überprüfen und muss und wird überall zu bekämpfen sein.

 

Gestern hat Altbundeskanzler Vranitzky in einer Rede gesagt, der Lueger hat nichts mit Moslems zu tun gehabt und trotzdem war er ein Antisemit. Das zeigt in einer ganz kurzen Begrifflichkeit, es geht darum, nicht mehr Raum allen zu geben, sondern das aus dem Ursprung zu nehmen. Ich war überrascht, wie wenig heute zu Beginn dieser Dringlichen Anfrage in die Vergangenheit geschaut worden ist.

 

Wenn sich Antisemitismus so manifestiert, dass Menschen sich nicht mehr trauen, mit Davidstern als Halsschmuck auf die Straße zu gehen oder mit der Kippa in der Leopoldstadt unbelästigt auf der Straße spazieren zu gehen, wenn Menschen angegriffen werden und Mörder als Ideologen glorifiziert werden, wie jene, die das grausame Massaker am 7. Oktober durchgeführt haben, dann hört es sich für mich auf. Es ist mir egal, warum sie das machen. Wenn Geschäfte in Wien beschmiert werden, dann erinnert mich das an eine grausame Zeit davor, und da geht es darum, Stopp zu sagen und diese kritische Auseinandersetzung zu haben.

 

Zwei gute Freunde von mir - das darf ich bei beiden sagen, weil sie das gestern auch zu mir gesagt haben -, Gemeinderabbiner Schlomo Hofmeister und Imam Ramazan Demir, machen das in Schulen. Wenn man sie fragt, was der größte Unterschied zwischen ihnen beiden ist, sprechen sie vom Gewicht - Schlomo Hofmeister ist etwas schmäler als Ramazan Demir.

 

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