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Gemeinderat, 54. Sitzung vom 22.05.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 73 von 109

 

bezüglich Frieden gibt, in Wien wurden keinerlei Taten oder Äußerungen mehr gemeldet. Ich möchte aber, dass Benjamin Nägele oder einer seiner Nachfolger das noch in meinem Leben sagen kann und dass sich nicht nach furchtbaren Angriffen im Ausland wieder entsprechende Bewegungen in Österreich bilden.

 

Vor einem Jahr, am 25. April 2023, haben wir uns hier in diesem Haus in einem Mehrparteienantrag klar und deutlich gegen jegliche Form von Antisemitismus ausgesprochen, und zwar mit der Formulierung: „Dass jegliche Form von antisemitischen, faschistischen Aktivitäten, in welcher Form auch immer, in Wien keinen Platz haben. Jegliche Form von Antisemitismus, ob in neuer oder alter Erscheinungsform, wird auf unseren entschlossenen Widerstand treffen.“ Das haben wir als Gemeinderat beschlossen, das haben wir als Gemeinderat auch einheitlich so gesehen. Ich verstehe daher nicht, warum wir das dann wieder und wieder neu beschließen müssen. Ich halte mich an diese alten Dinge. Wir können nicht immer wieder neue Sachen beschließen, die nur das Alte immer genau gleich wiederholen. Es wird sich nicht verändern, es wird sich nicht bessern, wenn wir nicht wirklich darangehen, wie es Schlomo Hofmeister und Ramazan Demir machen oder wie es andere machen, wie es Zeitzeugen und Zeitzeuginnen in Schulen machen, wie wir als Politiker und Politikerinnen es als Aufgabe haben, dafür zu arbeiten. (Beifall bei GRÜNEN, NEOS und SPÖ.)

 

Es ist schon fast absurd, wenn ich heute diese Selbstverständlichkeit sage: Ich bekenne mich dazu, gegen jegliche Form von Antisemitismus zu kämpfen, und ich bekenne mich nach wie vor zur sogenannten IHRA-Definition, die wir hier im Gemeinderat gemeinsam als Definition beschlossen haben, zur Definition der International Holocaust Remembrance Alliance, also deutsch der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken. Diese Definition haben wir als Grundlage verstanden, um in dieser Stadt seit 2018 gemeinsam Gemeinderatsarbeit zu machen.

 

Dies ist auch wichtig, wenn wir Fragen zu einem sensiblen Problem gestellt bekommen, nämlich zum Umgang mit dem Staat Israel. Das steht ja auch ausdrücklich in den weiteren Erklärungen zur IHRA-Definition. Ich habe sie heute mitgenommen (ein Schriftstück in die Höhe haltend), falls jemand Fragen dazu hat und das Handbuch vielleicht nicht bei sich hat. Es geht genau darum: Man kann Kritik an der Kriegsführung von Herrn Netanjahu und seiner Regierung äußern, ohne antisemitisch zu sein, und man kann sie so formulieren, wie es heute sehr schön in dieser 3-D-Formulierung dargestellt worden ist, dass sie plötzlich zu antisemitischen Äußerungen wird. Ich würde mich freuen, wenn viele sich gemeinsam darüber Gedanken machen würden und nicht dann einfach losplappern, was als Breite gebracht wird. Und das erlebe ich leider auch schon sehr oft.

 

Werte Kolleginnen und Kollegen, es geht mir, und das wissen viele hier, um das Handeln und um das Umsetzen. Es geht mir darum, tatsächlich etwas zu tun und darum, Anerkennung zu schaffen gegen Rassismus, gegen Diskriminierung und gegen Antisemitismus. Mir ist es egal, in welcher Form auch immer, aber wir müssen das intensiv unterstützen. Danke. (Beifall bei GRÜNEN, NEOS und SPÖ.)

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zu Wort gemeldet ist GR Florianschütz, und ich erteile es ihm. Bitte, Herr Gemeinderat.

 

17.34.07

GR Peter Florianschütz, MA, MLS (SPÖ)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer via Livestream!

 

Das ist nicht die erste Debatte, die wir zu diesem Themenfeld führen. Angesichts der Umstände insgesamt ist es wahrscheinlich eine wichtige Debatte. Lassen Sie mich am Anfang dafür entschuldigen, dass ich ein Ohrenleiden habe und daher darauf hingewiesen werden muss, dass ich artikulierter spreche. Lassen Sie mich zweitens zu Beginn dem Herrn Bürgermeister danken, denn wir tun so, als wäre das eine abstrakte Diskussion, bei der ein Amtsorgan mit einer abstrakten Frage adressiert wird.

 

Meine Damen und Herren, wenn wir über Antisemitismus und Antisemitismusbekämpfung reden, und darauf werde ich in meiner Rede jetzt kommen, reden wir von wirklichen Menschen und wirklichen Gefühlen, die auch verletzt worden sind. Da müssen wir alle miteinander aufpassen, und das ist auch ein Appell an die Diskussionskultur, die heute ganz gut ist.

 

Herr Bürgermeister, der Vorwurf, dass dir das Thema nicht wichtig wäre, trifft dich nicht. Wir wissen, wie wichtig es dir ist und wie nachhaltig du Antisemitismus bekämpfst. Man kann es nicht so stehen lassen - das ist eine Unterstellung, die indirekt erhoben wurde, nach dem Motto, als wäre es kein Anliegen der Stadt Wien und von dir als Bürgermeister - und das kann man so nicht sagen. (GR Mag. Manfred Juraczka: Wer hat das gesagt?) Das mache ich jetzt nicht, weil ich mich anbiedern will, sondern weil es mir ein Anliegen ist. Die Tatsache, dass du dich im Rathaus mit Überlebenden des Kibbuz Nachal Oz getroffen hast und sie getröstet hast, war sehr schön und ist ein Beitrag zur Bekämpfung des Antisemitismus. Denn die Leute, die aus Nachal Oz gekommen sind, waren sogenannte ganz normale Menschen mit einem nicht normalen Schicksal ausschließlich deshalb, weil sie Jüdinnen und Juden waren. Und das ist ein Kriterium für Antisemitismus.

 

Indem man sie trifft, sie tröstet und sich mit ihnen auseinandersetzt, hilft man. In der jüdischen Religion sagt man: Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt. Das ist eine Aufforderung an uns. Ich will jetzt nicht eine lange Liste von Projekten aufzählen, die die Stadt Wien macht. Meine Kollegin Rompolt, die aus dem 2. Bezirk kommt - und der 2. Bezirk ist ein Bezirk, wo das Thema naheliegt -, wird sich ausführlich zu dieser Frage äußern. Mir ist es nur ein Anlegen, dass wir das nicht auf eine statistische Größe herunterbrechen, sondern auf die Auseinandersetzung mit wirklichen Menschen.

 

Das Zweite ist die Frage: Haben wir in Wien im Kulturbereich versagt? Die Antwort lautet: Nein, haben wir nicht, es gibt keinen einzigen Beleg dafür. Haben wir beigetragen, zugelassen, gefördert, dass unbequeme Positionen in der Öffentlichkeit dargestellt worden sind? Das haben wir gemacht und dazu muss man sich bekennen. Dafür kann man auch Schimpfer kriegen. Ich habe da einige

 

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