Gemeinderat, 54. Sitzung vom 22.05.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 80 von 109
Problem. Als Mitglieder des Wiener Gemeinderates sind wir alle aufgerufen, uns dieser Gewalt entgegenzustellen und gegen sie anzukämpfen.
Seit dem 7. Oktober wurden viele Fälle von antisemitischen Beschmierungen an verschiedenen Gebäuden in der Leopoldstadt festgestellt. Die Stadt reagiert sehr schnell und entschieden auf diese Beschmierungen und ich möchte mich bei unserem Bürgermeister Michael Ludwig und beim Leiter der Gruppe für Sofortmaßnahmen Walter Hillerer - er war vorhin noch hier - aus tiefstem Herzen bedanken, dass es einen klaren Auftrag gibt, solche schändlichen Beschmierungen umgehend zu entfernen. (Beifall bei SPÖ, NEOS, ÖVP und GRÜNEN.) Der 2. Bezirk trägt da eine besondere Verantwortung, da die jüdische Geschichte schon seit vielen Jahrhunderten ganz stark mit der Leopoldstadt verknüpft ist. Auch unser Bezirksvorsteher Alexander Nikolai trägt diese Verantwortung und meldet jede antisemitische Aktion umgehend, damit dagegen vorgegangen werden kann.
Wir bemühen uns, zu allen Teilen der jüdischen Community - und ich möchte betonen, es ist eine sehr diverse Community, da gibt es sehr viele unterschiedliche Gruppen - einen sehr guten Kontakt und einen regen Austausch zu haben. Alexander Nikolai ist ganz besonders bemüht, Wünsche, die an uns, an den Bezirk herangetragen werden, an die Stadt weiterzuleiten oder wenn es im eigenen Bereich ist, selbst umzusetzen, soweit dies möglich ist.
Die Stadt Wien und der 2. Bezirk nehmen ihre Verantwortung auch seit vielen Jahren mit einer Aktion wahr, die Sie alle kennen, mit den „Steinen der Erinnerung“. Messingplatten erinnern an deportierte und ermordete Jüdinnen und Juden. Ihnen sind diese Messingplatten in Wien sicher schon aufgefallen, aus historischen Gründen gibt es im 2. Bezirk besonders viele. Auch am kommenden Sonntag wird wieder ein weiterer Teil dieses Weges eröffnet. Er macht die Geschichte der Vertreibung und Ermordung der jüdischen Bevölkerung sichtbar. Er berührt den Alltag des jüdischen Lebens, er gedenkt beispielhaft der vielen Menschen, die hier gelebt haben. Auf diese Weise geben wir Stein für Stein symbolisch den von hier vertriebenen und ermordeten EinwohnerInnen wieder einen Platz in ihrem Heimatbezirk, und den Angehörigen geben wir somit die Chance, Eltern, Großeltern und Geschwister zu verewigen.
Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele Nachfahren jedes Mal zu Eröffnungen von solchen Teilstücken aus Israel, aus den USA, zum Teil auch aus Australien anreisen, weil es diesen Menschen wichtig ist, die Erinnerung an ihre Vorfahren zu pflegen und die wenigen Stücke, die Erinnerungsfetzen, die Briefe, die Postkarten, die es gibt, vor Ort vorzulesen und wieder mit dem Ort zu verbinden, an dem ihre Angehörigen ursprünglich gelebt haben. Eine solche Familie pflegt im Karmeliterviertel die Steine der israelischen Familie, schmückt regelmäßig diese Steine mit Blumen und schickt Fotos nach Israel. Ich finde, das ist ein besonders schönes Symbol, denn da entstehen Freundschaften, und über diese schöne Geste der Versöhnung der Nachfahren berichtet sogar eine israelische Zeitung. Ich möchte an dieser Stelle dem Verein „Steine der Erinnerung“ und speziell den fünf folgenden Personen meinen Dank für ihre kontinuierliche, jahrelange, wirklich sehr kraftraubende Erinnerungsarbeit aussprechen, und zwar sind das Daliah Hindler, Roswitha Hammer, Matthias Beier, Vally Steiner und Ernst Fitzka, stellvertretend für all jene, die sich Jahr für Jahr für diese Erinnerungskultur einsetzen. (Beifall bei SPÖ und NEOS sowie von GRin Dr. Jennifer Kickert.)
Ich möchte noch ein anderes Stück Gedenkkultur aus dem 2. Bezirk hervorheben, und zwar die Ausstellung „Letzte Orte vor der Deportation. Kleine Sperlgasse, Castellezgasse, Malzgasse“, eine Ausstellung, die lange in der Bezirksvorstehung gezeigt wurde und die über die Sammellager berichtet hat, wo Frauen, Männer und Kinder auf engstem Raum zusammengepfercht wurden, bevor sie in die Vernichtungslager deportiert wurden. Die Ausstellung wurde von Monika Sommer und Heidemarie Uhl kuratiert und wissenschaftlich erarbeitet, und das besonders Bittere ist, Heidemarie Uhl ist voriges Jahr im August leider verstorben. Sie hat dort sehr viele Führungen, insbesonders viele Führungen für Schulklassen persönlich durchgeführt, und auch ihnen gilt mein großer Dank und der Dank des 2. Bezirks, weil dort in diesem Zusammenhang sehr wichtige Arbeit passiert ist.
Kurz möchte ich noch einmal die vielen Projekte ansprechen, die die Stadt mitfinanziert, gefördert, auf mannigfaltige Weise unterstützt hat. Zum Teil hat sie unser Bürgermeister heute auch schon angesprochen, aber ich denke, es sind ganz klare Zeichen, wie sehr die Stadt zum Kampf gegen Antisemitismus steht. Das sind einerseits die personenbezogene Forschung und die vielen Ausstellungen des DÖW, des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands, das Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien, das Institut für die Wissenschaften vom Menschen. Der Verein QWien, Zentrum für queere Geschichte, widmet sich der Aufarbeitung der Geschichte von verfolgten LGBTIQ-Personen während der NS-Zeit, selbstverständlich das Mauthausen Komitee Österreich, mit seinen zahlreichen Vermittlungsprojekten und dem großen Fest der Freude am 8. Mai, die Museen der Stadt Wien, das Jüdische Museum Wien, das Freud Museum, das Wien Museum, die sich alle auch dem Kampf gegen das Vergessen widmen, auch das Jüdische Film-Festival.
Wichtig sind mir in diesem Zusammenhang auch die Denkmäler, die Mahnmäler im öffentlichen Raum, die die Stadt zum Teil mitgestaltet, organisiert und unterstützt hat: Das Mahnmal gegen Krieg und Faschismus des österreichischen Bildhauers Alfred Hrdlicka am Helmut-Zilk-Platz, das Denkmal für die Verfolgten der NS-Militärjustiz am Ballhausplatz, das Mahnmal für die österreichischen jüdischen Opfer der Schoa, und 2023 wurde endlich das lang geplante Mahnmal für homosexuelle NS-Opfer im Resselpark enthüllt, der bunte Regenbogen wurde von den KünstlerInnen in vielfältige Grautöne übersetzt.
Auch in der regelmäßigen politischen Arbeit in der Bezirksvertretung passiert heute noch sehr viel Erinnerungsarbeit, holen wir die Geschichte ins Heute, indem öffentliche Flächen nach Jüdinnen und Juden benannt werden. Der 2. Bezirk hat sich selbst einen Schwerpunkt auferlegt, indem vorwiegend nach Frauen benannt wird, schon seit
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