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Gemeinderat, 54. Sitzung vom 22.05.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 82 von 109

 

die ich jetzt definitiv nicht namentlich nenne, weil sie nicht von der Politik beansprucht werden sollen und sich wahrscheinlich auch nicht nach christlich-sozialem Zuspruch sehnen, die nach dem 7. Oktober trotz ihres Hintergrundes eines Antifa-Daseins gesagt haben: Wo war eigentlich die große Demo gegen Antisemitismus in Berlin nach dem 7. Oktober, die habe ich irgendwie verpasst.

 

All das sind Beispiele, wo Menschen in unterschiedlichen Kontexten sind und wiederum sehr unterschiedliche Opfer bringen, die einen beruhigen und bestärken darin, dass der menschliche Instinkt sehr wohl diese Menschenwürde auch über die eigene Gruppe hinausgehend sehen kann und sich für sie einsetzen kann. Und ich glaube, das ist auch der Appell an die Politik, dort hinzugehen, wo es für einen gerade nicht leicht ist, das zu tun, was für einen gerade schwer ist.

 

Ich bin auf eine Art und Weise sehr, sehr dankbar für diese Debatte heute, weil sie auch gezeigt hat, dass hier grundsätzlich kein politisches Kleingeld gewechselt wurde - auch wenn hin und wieder diesbezüglich Kommentare waren, ist das vollkommen klar -, sondern sich alle zur Sache bekannt haben und wir uns daran erinnern können, dass es in diesem Land 1938 bis 1945 nicht weniger als eine Heldentat war, sich gegen rechten Antisemitismus auszusprechen. Man hat alles riskiert, das eigene Leben, die eigene Karriere mit Sicherheit und wahrscheinlich auch das Wohlbefinden der eigenen Familie. Gott sei Dank ist das über die Jahre von einem Zeichen der Integrität zu einem Zeichen des politischen Mainstreams, des Parteienkonsenses geworden. Das heißt nicht, um auf Kollegen Kunrath zu replizieren, dass jetzt der Kampf gegen den rechten Antisemitismus deswegen weniger wichtig ist oder dass wir das nicht erwähnen wollen. Nein, im Gegenteil, gestern, heute, morgen genauso wichtig: Wehret den Anfängen!

 

Die Herausforderung sind diese konkreten Beispiele aus dem Mittleren Osten und von anderswo, die uns daran erinnern, auch dort hinzugehen, wo es für uns heute schwer ist. Es ist wichtig, dass wir sagen, alle Formen des Antisemitismus sind in der Antwort gleich zu behandeln, nämlich mit Nein. Sie sind in den Mitteln gleich zu behandeln, nämlich mit dem Strafrecht und dem Bilden und Arbeiten dagegen. Wir müssen aber natürlich, wie meine Vorrednerin ausgeführt hat, auch differenzieren, was die aktuellen, akuten Herausforderungen in unserem Handlungsbereich in Wien sind.

 

Ich entnehme der Debatte, und da brauche ich jetzt wirklich nicht zu wiederholen, was schon sehr gut artikuliert wurde, dass es dazu auch einen Konsens gibt. Ich hoffe, dass dieser Konsens sich auch darin auswirkt, um bei Kollegen Florianschütz anzusetzen, dass wir diese tausend kleinen Erlebnisse, die es braucht, um sozialisiert zu werden, in Grund- und Freiheitsrechten, in liberaler Demokratie, in dem Respekt der Würde des anderen, für alle Menschen einfordern und auch möglich machen, die hier in dieser Gesellschaft in Wien leben. Dabei möchte ich es belassen. Vielen Dank für die konstruktive Debatte. Danke sehr. (Beifall bei ÖVP, GRÜNEN, FPÖ und SPÖ sowie von GR Wolfgang Kieslich.)

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Als nächste Rednerin zu Wort gemeldet ist GRin Dr. Kickert. Sie sind am Wort.

 

18.38.23

GRin Dr. Jennifer Kickert (GRÜNE)|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte ZuseherInnen vor dem Bildschirm!

 

Ich hoffe für den Fall, dass Sie diese Debatte schon länger verfolgen, dass Sie miterlebt haben, dass es in diesem Haus möglich ist, ein schwieriges Thema in einer wirklich konstruktiven, differenzierten und ich sage es jetzt einfach, anständigen Art und Weise zu diskutieren. Meiner Rede und meinen Gedanken, die ich noch hinzufügen möchte, werde ich jetzt einfach ein Danke für die bisherige Debatte voranstellen, weil ich glaube, so etwas können wir einander auch gönnen, ein gemeinsames Danke dafür, dass wir das auch zusammenbringen. - Danke. (Allgemeiner Beifall.)

 

Die Gedanken, die ich noch hinzufügen wollte, sind, vielleicht ein bisschen darauf aufmerksam zu machen, dass wir - ich spreche jetzt für meine Fraktion und auch für mich persönlich - versuchen, uns nicht in die Tasche zu lügen, dass wir sehr wohl auf die unterschiedlichsten Formen des Antisemitismus achtgeben. Ich möchte an die zwei Definitionen von Kollegen Florianschütz, der von strukturellem und von funktionellem Antisemitismus gesprochen hat, eine Definition anschließen, die ich von Monika Schwarz-Friesel übernommen habe, die die „Keynote-Speakerin“ der diesjährigen Gedenkveranstaltung gegen Gewalt und Rassismus war. Sie hat nämlich konstatiert, dass es aktuell zur Zeit vier deutliche politisch-ideologische Formen des Antisemitismus gibt, nämlich den linken, den rechten, den islamistischen und den, wie sie ihn bezeichnet, mittig gebildeten Feuilleton-Antisemitismus, und der letztere ist der am schwierigsten zu erkennende. Ich werde jetzt aber nicht darauf eingehen, sondern ich möchte sagen, weil wir in der Debatte ein bisschen hin- und hergeschwungen sind zwischen dem rechten und dem linken, dass trotz aller ideologischen Divergenzen dieser Formen der Judenfeindlichkeit sie alle auf denselben seit Jahrhunderten wiederholten Stereotypen und Zerrbildern aufbauen. Das ist bei all diesen auch politisch-ideologischen Formen gleich, das heißt, ich glaube nicht, dass es neue Narrative gibt. Es gibt neue Codierungen und neue Verbrämungen all dieser uralten Zerrbilder des Judenhasses, und die müssen wir natürlich selbstverständlich erkennen. Trotz aller ideologischer Divergenzen weisen diese vier Formen des Antisemitismus erstaunlicherweise Synergien und Allianzen auf, und auch die müssen wir erkennen.

 

Daher - jetzt im Sinne von dem, was Thomas Weber gesagt hat, dass wir das Gemeinsame über das Trennende stellen - möchte ich sagen, dass ich mich persönlich und auch für meine Fraktion selbstverständlich dieser Wiener Erklärung zur Bekämpfung des Antisemitismus, die wir alle beschlossen haben, verpflichtet fühle und ich daher klar, deutlich und entschieden alle Formen des Antisemitismus verurteile, aber natürlich auch versuche, als Individuum, nicht nur als Teil eines politischen Gremiums,

 

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