Gemeinderat, 54. Sitzung vom 22.05.2024, Wörtliches Protokoll - Seite 87 von 109
Mag. Heidemarie Sequenz, GRÜNE, Dr. Jennifer Kickert, GRÜNE, Dipl.-Ing. Huem Otero Garcia, GRÜNE, Johann Arsenovic, GRÜNE und Ömer Öztas, GRÜNE, an Herrn Bgm Dr. Michael Ludwig für den Gemeinderat am 22. 5. 2024: ‚Klima-Sorgenkind Verkehr - wegen mutloser Politik droht Wien seine Klimaziele zu verfehlen‘.
30 Grad Anfang April in Österreich führen erneut vor Augen, dass wir uns eigentlich im Klimanotstand befinden. Wir müssen alles in unserer Macht Stehende unternehmen, um die Klimaveränderung in einem Ausmaß zu halten, an das wir uns noch anpassen können. Jedes Zehntelgrad weniger an Erwärmung macht einen Unterschied. Wir können mit unseren Entscheidungen Klimaextreme, Dürren, Starkregen, Überflutungen, Wüstenausdehnung, Missernten, und so weiter eindämmen. Dafür muss jeder seinen Beitrag leisten, und Wien hat gute Voraussetzungen, zur Vorreiterin unter den Städten zu zählen.
Der Verkehr macht nach wie vor den Löwenanteil der Wiener CO2- Emissionen aus. Er ist der einzige Sektor, der verglichen mit dem Referenzwert 1990 gestiegen, statt gefallen ist und damit Klimaschutzfortschritte in anderen Sektoren zunichte macht. Für Wien muss also das Credo lauten: keine Klimapolitik ohne Mobilitätswende, keine Mobilitätswende ohne Klimaschutz.
Die Ziele sind klar und die Eckpunkte im Wiener Klimafahrplan formuliert: Klimaneutralität bis 2040. Als Zwischenziele sind für den Anteil des Autoverkehrs am Modal-Split (präzise: den motorisierten Individualverkehr) für 2025 20 Prozent und bis 2030 15 Prozent vorgesehen. In der weiteren Zukunft soll der Anteil weiter gesenkt werden. Auch für den einpendelnden Verkehr hat die Stadt das ambitionierte Ziel einer Halbierung bis 2030 formuliert. Das heißt, die Stadt muss kontinuierlich daran arbeiten, den Autoverkehr zu reduzieren und den klimafreundlichen Verkehr massiv auszubauen.
Die Entwicklungen der letzten Jahre und Jahrzehnte sind ernüchternd. Dabei hätte Wien alle notwendigen Voraussetzungen für die erfolgreiche Klimawende im Verkehr in der Hand. Leider muss man festhalten, dass diese unter der aktuellen Stadtregierung aber nicht angewendet werden.
Die kürzlich veröffentlichte Modal-Split-Erhebung ist Zeugnis der scheiternden Verkehrspolitik in Wien. Die schlechte Nachricht für den Klimaschutz: Das dritte Jahr in Folge gibt es keinen Fortschritt bei der Reduktion des Autoverkehrsanteils. Damit bleibt der Verkehr das Klimasorgenkind in Wien.
Mehr statt weniger Autoverkehr. Auch wenn der Anteil des MIV (motorisierter Individualverkehr) im Vergleich zum letzten Jahr prozentuell gleich geblieben ist, bedeutet das in absoluten Zahlen einen Anstieg, weil insgesamt mehr Menschen in Wien leben und unterwegs sind. Der Autoverkehr ist also mehr geworden. Nach 2021 und 2022 bleibt auch 2023 der Anteil des Autoverkehrs bei 26 Prozent stecken.
Beim Autoverkehr ändert sich nichts, weil die Stadtregierung nichts ändert. Bei vielen der aufwändig beworbenen Projekte wird - anders als angesichts der Ziele der Stadt geboten - der Platz für den Autoverkehr nicht angetastet. Somit kommt es nun innerhalb des umweltfreundlichen Verkehrs zu Anteilsverschiebungen.
Ein Weiter-wie-bisher reicht nicht. Die Stagnation sehen wir auch bei den großen Baustellen der Stadt, zum Beispiel bei der Zweierlinie oder beim Gürtel, wo die Stadtregierung keinen großen Wurf wagt. Angesichts des Klimas reicht ein Weiter-wie-bisher aber einfach nicht. Die Stadtregierung darf das Klimasorgenkind Verkehr nicht länger stiefmütterlich behandeln, sondern muss endlich an den großen Schrauben drehen.
Milliarden für neue Straßen und Autobahnen, PR für den Radverkehr. Neben der Stadtautobahn und dem mehrere Milliarden Euro schweren Klima-Killer-Projekt Lobau-Tunnel, welches die SPÖ fordert, treten die Radverkehrsinvestitionen der Stadt mit angepeilten 20 Millionen EUR (von denen 50 Prozent vom Bund kommen) in den Hintergrund. Immer noch gibt Wien für Autostraßen ein Vielfaches des Radbudgets aus. Vom angekündigten Klima-Check fehlt weiter jede Spur. Das ist in Zeiten der Klimakrise die falsche Prioritätensetzung.
Öffi-Ausbau steckt fest. Auch beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs fehlt es an einem Tempo, das den Klimazielen der Stadt Wien gerecht wird. Wichtige, seit Jahren geplante Straßenbahnausbauten werden hinter dem Bau der Stadtautobahn zurückgestellt. In Liesing, dem Bezirk mit der größten Autoabhängigkeit Wiens, ist neben dem viergleisigen Südbahnausbau, der erst im nächsten Jahrzehnt wirksam werden wird, kein einziges größeres Öffi-Ausbauprojekt bekannt.
Links der Donau ist die tangentiale öffentliche Verbindung zwischen Floridsdorf und Donaustadt immer noch stark unterentwickelt. Die Fertigstellung der Verlängerung der Straßenbahnlinie 25 durch die Seestadt wurde für 2015 versprochen. Jetzt wird sie seitens der Amtsführenden Stadträtin für Innovation, Stadtplanung und Mobilität mit der Fertigstellung der Stadtstraße verknüpft.
Aber auch auf der Fahrplanebene sind die Intervalle nicht über das Vor-Corona-Niveau hinausgekommen. Die vergangenen drei Kürzungswellen sind noch nicht wieder zur Gänze aufgeholt. So wundert es auch nicht, dass der Anteil des öffentlichen Verkehrs an den Verkehrsarten (Modal-Split) noch immer weit hinter dem Anteil von 2019 liegt (2019: 38 Prozent, 2023: 32 Prozent).
Alle Hebel in Bewegung setzen. Das Klimasorgenkind Verkehr erfordert, dass die Stadt Wien bei der Mobilitätswende alle Hebel in Bewegung setzt. Endlich beim vor der Wahl versprochenen Ausbau des Radwegenetzes Tempo machen: 41 km Radwege jährlich wurden versprochen und bisher weniger als ein Viertel davon realisiert. Dem Radverkehr muss der Platz gegeben werden, den er braucht, um zu wachsen.
Konsequente Förderung des Fußverkehrs: Kurze Wege, Gehsteige ausbauen und Ampelphasen attraktivieren. Öffis wieder auf Kurs bringen, bei allen bestehenden Linien die Intervalldichte ausbauen: Insbesondere die Flächenbezirke brauchen neue Straßenbahnen. Die lang geplanten Linien, die Wien mit dem niederösterreichischen Umland besser verbinden, müssen endlich Wirklichkeit
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