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Gemeinderat, 59. Sitzung vom 23.10.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 17 von 82

 

Vielmehr ist es eine Dauerbaustelle, viele Umleitungen, viele Absperrbänder, viele Schlaglöcher.

 

Und was sagen diejenigen, die das zu verantworten habe? Nicht schlechtreden, gemeinsam auf Herausforderungen reagieren, sagen sie. In Wirklichkeit meinen sie damit: Wie könnt ihr es überhaupt wagen zu hinterfragen, das gehört sich nicht. Und genau dieser Reflex in der Wiener Kulturpolitik ist nicht mehr zeitgemäß. (Beifall bei der ÖVP.) Dieser Reflex ist sogar kontraproduktiv. Viele Menschen spüren doch längst, dass das, was Sie als große Kultur verkaufen, eine Mogelpackung ist. Die Wahrnehmung vieler Menschen ist oft komplett konträr zu dem, was Sie behaupten.

 

Die Beispiele kenne Sie alle, ich wiederhole sie gerne. Das Volkstheater habe anfänglich ganz schwierige Zeiten gehabt, um sich zu einem Leuchtturm des Theaters zu entwickeln, um das Wien im ganzen deutschsprachigen Raum beneidet wird, sagt die Frau Kulturstadträtin, und zieht, wie ein Beweisstück, Platz 2 bei einer Wahl der besten Theater im deutschsprachigen Raum heraus. Die Fakten zu dieser Wahl: 45 - nur 45 - Kritiker haben gewählt, gerade einmal 4 Stimmen hat das Volkstheater bekommen, und das verkaufen Sie uns als große Sensation. Es ist das Papier nicht wert, auf dem das gedruckt ist, und das spüren die Menschen längst. Die Folgen sind schwerwiegend. Immer mehr Menschen wenden sich ab, von der Politik und von der Kultur, und das halte ich für eine bedenkliche Entwicklung, über die wir offen sprechen müssen und zügig handeln müssen.

 

Hören Sie bitte endlich auch auf das, was andere außerhalb der theatergewordenen „bubble“ zu sagen haben. Das sind viele, viele Menschen, deren Stimmen ich auch immer wieder gerne vertrete. Selbst wenn Ihnen das nicht gefällt, was die zu sagen haben, es gehört zu Ihrer Aufgabe als politisch Verantwortliche, auch jenen Menschen Raum zu geben, die mit vielem, was in dieser Stadt kulturell passiert, überhaupt nichts anfangen können und es auch hinterfragen. Das zuzulassen, das ernst zu nehmen, gehört zu Ihrer Aufgabe. So gewinnt man übrigens auch Glaubwürdigkeit. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Die ständigen Millionensubventionen, die in einige wenige Institutionen fließen - das Volkstheater, die Vereinigten Bühnen, die Wiener Festwochen -, zeigen klar: Wien subventioniert sich ins Abseits. Denn während auf der einen Seite Unsummen an Steuergeld fließen, bleibt das Publikum zunehmend fern und andere, kleinere Bühnen und Künstler auf der Strecke. Was hören die dann? Wir haben alles schon verplant.

 

Das reflexartige es war schon immer so, diese Förderpolitik und der Rückgang an Besuchern sprechen eine deutliche Sprache. Die Antwort der Stadtregierung: Wir können eigentlich relativ zufrieden sein, sagt die Frau Stadträtin. Ich frage, womit? Beginnen wir beim Volkstheater, einem Ort, der einst für breiten Zuspruch stand. Jetzt: gesperrte Ränge, erschreckend wenige Abos, dürftige Eigenmittel.

 

Weiter zu den Festwochen, oder besser gesagt, die Wiener Fastenwochen, denn die haben im Laufe der letzten Jahre derartig abgespeckt, dass sie mit ihrem Programm kaum mehr im öffentlichen Diskurs sichtbar sind. Sie sind wie eine geschlossene Gesellschaft, die am liebsten unter sich bleibt. Sie haben zudem ein neues Geschäftsmodell entdeckt, die Provokation. Wenn wir dieses Spiel schon mitspielen, dann setzt es für dieses deutliche Überschreiten von roten Linien die rote Karte. Wir bleiben dabei: Keine Bühne für Antisemitismus bei den Wiener Festwochen! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Das beginnt gerade bei der Einladungspolitik und macht dann keinen Unterschied, ob jemand tatsächlich vor Ort ist oder nicht. Keine Bühne für Antisemitismus bei den Wiener Festwochen, und schon gar nicht als gezielte Schlagzeilenmaschine, die man dahinter vermuten könnte. Das müssen wir alle entschieden ablehnen - damals, jetzt, wie auch in Zukunft.

 

Die nächste städtische Kulturbaustelle: die Vereinigten Bühnen. Die waren einmal das Flaggschiff in Wien, sind noch immer hochsubventioniert. Aktuelle Situation am Theater an der Wien: Erst sind die Baukosten rasant von 60 auf über 80 Millionen EUR explodiert. Jetzt soll der Finanzplan, nicht aber der Zeitplan, halten und die Öffentlichkeit - Sie alle - wird erst kurz vor der Eröffnung informiert, dass gar nicht so eröffnet wird, wie gedacht, aber man eröffnet trotzdem. Und das bei einem Projekt, das 81 Millionen EUR in der Renovierung kostet, alles mit reichlich Steuergeld.

 

Das sind die bitteren Fakten, die jeder Wiener, jede Wienerin nachlesen können. Und was passiert hier? Man lobt sich selbst. Die Auslastung wird immer besser, sagt die Frau Stadträtin. Was erfahren wir vom Volkstheater? Der komplette 2. Rang, fast 300 Plätze, ist gar nicht im Verkauf. Das ist längst keine Frage des guten Geschmacks mehr, über den wir hier trefflich streiten können und was wir immer wieder tun, Herr Weber. Unsere Kritik zielt heute woanders hin: Gerade, wenn ich eine Bühne neu positioniere, bei der ich ernster, kritischer, provokativer, experimenteller sein möchte, kann ich doch den Faktor Auslastung nicht leugnen. Gerade dann bin ich doch interessiert daran, dass möglichst viele Menschen das sehen. Das passiert aber nicht.

 

Die Aktie der Wiener Festwochen verliert massiv an Wert, schon seit Jahren. Derzeit sind sie irgendwo im Nirgendwo, wie ein Relikt aus vergangenen Tagen. So wie die Telefonzellen in unserer Stadt, wo man auch nicht weiß, warum es sie noch gibt. Hin und wieder steht einer drin, wenn es regnet, stellt man sich gerne hinein. Bei den Vereinigten Bühnen: In den letzten Jahren von 36 Millionen EUR Subvention auf über 52 Millionen EUR für Bühnen - Sie freuen sich ja immer, Herr Weber -, die sich in anderen Städten wirtschaftlich von selbst tragen. Das ist ein super Zitat eurer Parteichefin als Kultursprecherin hier im Wiener Gemeinderat. Sie hat so recht. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Geschätzte Damen und Herren, wir erleben hier Momente, in denen sich die Wiener Kulturpolitik selbst ins Abseits stellt, denn Theater, die sich selbst feiern, fragen selten, warum sie noch immer so viel bekommen, während andere sich längst selbst erhalten. Die Antwort ist immer die gleiche: Das war schon immer so. Ist das aber wirklich die Antwort, die uns in dieser Zeit weiterbringt? Es reicht nicht mehr, uns zu erzählen, dass alles nur an der

 

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