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Gemeinderat, 59. Sitzung vom 23.10.2024, Wörtliches Protokoll  -  Seite 38 von 82

 

Ausgangspunkt dieser Gewalt ist fast immer eine Art toxische Männlichkeit, die an patriarchalen Rollenvorstellungen festhält, Frauen abwertet und zu Objekten degradiert. Das dürfen wir als Gesellschaft nicht hinnehmen, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)

 

Selbstverständlich ist daher auch die Politik gefordert, geeignete Maßnahmen zu treffen, um diesem Horror etwas entgegenzusetzen. Das tun wir in Wien aus voller Überzeugung mit einer ganzen Reihe unterschiedlicher Maßnahmen. Eine dieser Maßnahmen ist die Männerberatung Wien, deren Förderung wir heute mit diesem Beschluss verdoppeln wollen. Sie bietet psychologische, psychotherapeutische, soziale und juristische Hilfe an. Einen wesentlichen Aspekt ihrer Arbeit nimmt dabei die Gewaltprävention ein. Mit dem Wiener Antigewaltprogramm führt die Männerberatung Wien ein opferorientiertes Täterprogramm durch. Ziele dieses Programms sind die Veränderung des Verhaltens von gewalttätigen Männern, das Erlernen von gewaltfreien und partnerschaftlichen Verhaltensweisen und natürlich auch die Unterstützung und Stärkung der von Gewalt betroffenen Partnerinnen und Kindern.

 

Ja, es ist ganz bestimmt noch ein weiter Weg, bis wir in unserer Gesellschaft ein durchgängig gewaltfreies Männlichkeitsbild und eine faire Geschlechterdemokratie etabliert haben. Es führt aber kein Weg vorbei. Wir werden diesen Weg gehen und alles daransetzen, diesem Ziel näherzukommen. Daher möchte ich mich abschließend auch bei allen Fraktionen bedanken, dass wir diese Aufstockung der Förderung heute hier parteiübergreifend und gemeinsam beschließen. - Vielen Dank. (Beifall bei NEOS, SPÖ und GRÜNEN.)

 

Vorsitzende GRin Dipl.-Ing. Elisabeth Olischar, BSc: Als nächster Redner ist GR Ellensohn zu Wort gemeldet. Bitte.

 

12.42.30

GR David Ellensohn (GRÜNE)|: Frau Vorsitzende! Frau Berichterstatterin!

 

Es freut mich, dass wir heute nicht nur der Männerberatung Geld geben, sondern für die, die es nicht wissen: Eine Verdoppelung der Mittel für heuer in dem Bereich von 150.000 EUR auf 300.000 EUR ist, sage ich jetzt einmal, tatsächlich ein Sehr gut. Es kann immer mehr und noch mehr geben, aber ich finde es hervorragend, dass die Männerberatung heuer tatsächlich so aufgestockt wird, weil das eine wahnsinnig wichtige Arbeit ist, wie Kollege Konrad jetzt auch ausgeführt hat. (Beifall bei GRÜNEN und SPÖ.)

 

Der Bericht über Männerberatung hat leider den Schwerpunkt Gewalt. Was die ganze Arbeit betrifft, muss man sagen, da ist auch viel anderes dabei. Bei Scheidungen muss man sich als trennendes Ehepaar beraten lassen. Da stehen auch solche - ich sage jetzt einmal - Alltagsdinge drinnen, die für alles Mögliche notwendig sind. Männer können sich zu verschiedenen Dingen beraten lassen. Es werden auch Einrichtungen erwähnt, die sich um Leute kümmern, die arbeitslos werden, und, und, und.

 

Es ist aber leider eine traurige Tatsache, dass Männerberatung sehr, sehr viel mit Gewalt und der Beratung von gewalttätigen Männern zu tun hat. Ich möchte nur ein paar Zahlen nennen, damit man sich vorstellen kann, was das bedeutet. Die fünf Frauenhäuser in Wien sind voll. Sie sind voll ausgelastet. Hinsichtlich der Aufenthaltstage in den Wiener Frauenhäusern muss man sich das einmal vorstellen: Die müssen von zu Hause flüchten. Die müssen von zu Hause weg. Die können am Abend nicht nach Hause gehen, weil dort ein Partner oder eher Ex-Partner sitzt, der das nicht mehr möglich macht. Es sind 77.626 Nächtigungen im Jahr. 77.626 Mal kann eine Frau nicht nach Hause gehen, weil es nicht geht, weil es für sie nicht geht, weil es für die Kinder und für alle nicht geht.

 

Vorhin ist von Jörg Konrad das Wort „toxische Männlichkeit“ gefallen. Ich kenne das. Wenn man das sagt und es sind hauptsächlich Männer in der Nähe und wenn man sich nicht in einem halbwegs progressiven Umfeld aufhält, dann heißt es: Was soll das jetzt wieder bedeuten? Was heißt das? Ich probiere dann oft, es nicht zu erklären, weil es heißt, ich übertreibe es. Das ist dieses oder jenes, um es dann gern auf irgendwelche Gruppen herunterbrechen. Ich verwende dann gern andere Zahlen, nämlich um zu sehen, was das für Männer heißt.

 

Wenn man einen Sohn hat, ist die Wahrscheinlichkeit, dass er im Gefängnis landet, 14 Mal so hoch, wie wenn man eine Tochter hat. Die Gefängnisse sind voll mit Männern. 93,25 Prozent dort - die Statistik ist fast täglich im Innenministerium abrufbar - sind Männer. Das kann man ja nicht wollen. Ich habe drei Söhne. Ich wünsche mir logischerweise, dass keiner von denen jemals einen Tag im Gefängnis verbringen muss, so wie das auch alle anderen hier für ihre eigenen Kinder hoffen. In dem Fall sind es Söhne.

 

Da muss man einfach sehen: Was hat das mit uns zu tun? Was machen Männer so verkehrt, dass wir mit einer 14 Mal höheren Wahrscheinlichkeit ins Gefängnis kommen? Das muss man sich echt einmal vorstellen: Es gibt sonst nicht viele Statistiken, wo man mal 14 hinschreiben kann. In erster Linie kommen Männer ja nicht ins Gefängnis, weil sie irgendeine Kleinigkeit angestellt haben. Da muss man schon ein bisschen etwas Gröberes verursachen. Das als Zahl für alle, die sagen: Ja, ich selber möchte schon einmal nicht dort hinkommen - das kann man aber zu einem guten Teil mit sich selbst ausmachen -, aber ich wünsche mir das auch in der Verwandtschaft nicht.

 

Die Femizide sind die Spitze des Eisbergs. Ich fürchte, dass unter den 100 GemeinderätInnen hier nicht 0 Personen sind, die Gewalt in der Familie nicht kennen - zumindest aus der eigenen Verwandtschaft oder im eigenen Bekanntenkreis. Das ist ein sehr, sehr ernstes Thema. Man muss dieses Rollenverständnis von Männern, Burschen und Heranwachsenden tatsächlich immer wieder hinterfragen: Was kann man verbessern? Dazu gibt es so viele gute Aktionen. Der Gesundheitsminister hat in den letzten Jahren einen Haufen dazu gemacht. Die Stadt Wien macht vieles. Alles, was wir in dem Bereich machen, ist dringend notwendig. Alles ist gern gesehen, und die Verdoppelung heute freut mich tatsächlich wahnsinnig. Wir stimmen dem heute natürlich gern und mit Freude zu und hoffen, dass das auch einen Impact hat, damit diese Zahlen irgendwann besser werden.

 

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