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Gemeinderat, 2. Sitzung vom 23.06.2025, Wörtliches Protokoll  -  Seite 21 von 109

 

Sie haben Life Science als Beispiel genannt für den Wirtschaftsstandort - richtig, wichtig, genauso die KI-Gigafactory, absolut. Aber wie schaut es aus mit dem Wiener Mittelstand, mit unseren EPU, mit unseren KMU? - Das ist genau der Bereich, der mir hier fehlt, der zumindest bis jetzt noch nicht erwähnt wurde. Diese Unternehmerinnen und Unternehmer leisten Enormes, tagein und tagaus. Sie bringen Arbeitsplätze, sie gestalten unsere Stadt, sie bieten unserer Stadt viel, sie halten diesen Standort am Laufen. Und was sie bräuchten, ist Entlastung, Verlässlichkeit und Planbarkeit, und all das fehlt - diese Zukunftsperspektiven. Wir haben eine investitionsarme Politik, die uns hier entgegenschaut. Selma Arapović hat vorhin erwähnt: sparen, reformieren und investieren. Aber das, was Sie machen, was wir sehen, ist evaluieren. Ich werde darauf noch einmal zurückkommen.

 

Investitionen. Ich darf Sie vielleicht darauf aufmerksam machen, soweit ich es herausgelesen habe, sind die tatsächlichen Investitionen - mit Ausnahme des Jahres 2023 - laut Rechnungsabschluss immer unter den Investitionen laut Voranschlag gelegen. Und ja, ich selbst kenne viele Gründe, aber es war nicht alternativlos. Hier darf und hier muss mehr geschehen! Wir als Wiener Volkspartei haben gedacht, dass bereits die Ära Renate Brauner ihren absoluten Tiefpunkt, was Investitionen angeht, erreicht hatte. Doch die aktuelle Investitionsquote mit 11,75 Prozent liegt deutlich unter jener von damals, die in den Jahren 2010 bis 2015 doch über 15 Prozent lag. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Im Umkehrschluss fließen knapp 90 Prozent des Budgets in den operativen Bereich. Überlegen wir uns einmal: Was wäre ein Unternehmen der Größenordnung der Stadt Wien, wenn es nicht investieren würde oder wenn es in die Zukunft nur knappe 12 Prozent investieren würde? - Das wäre kein Vorzeigeunternehmen, das wäre kein Marktführer, keine Marktführerin, das wäre schlichtweg ein reiner Verwalter. Das, was wir brauchen, ist Zukunft. Zukunft braucht Mut, und Zukunft braucht Investitionen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Wenn man sich weitere wirtschaftliche Kennzahlen anschaut, dann sieht man die Arbeitslosigkeit. Die Quote in Wien im Jahr 2025: Laut Wifo liegt die Prognose bei 11,9 Prozent; österreichweit: 6,7 Prozent. Gleichzeitig - und mein Kollege Harald Zierfuß hat bereits darauf hingewiesen, die Zahlen werden Ende der Woche präsentiert - liegt das Wirtschaftswachstum in Wien bei minus 0,2 Prozent. Drei Jahre in Folge negatives Wachstum. Ja, Wien gehört zu den besseren Performern im Bundesländerschnitt, aber besser ist noch lange nicht gut genug. Und das muss uns allen ein Weckruf sein, ein Weckruf, um echte wirtschaftspolitische Akzente zu setzen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ich denke da besonders an unseren Mittelstand, an die vielen EPU, an die KMU und an viele Themen, die hier bereits oft besprochen wurden: eine Reduktion der Bagatellsteuern - Fehlanzeige. Dabei haben die einen so enormen Verwaltungsaufwand, und im Vergleich zu den Einnahmen ist die Bürokratie wirklich nicht erklärbar. Die Einführung von Tourismuszonen - immer noch nicht umgesetzt. Bürokratiebremse für Unternehmen - versprochen, aber nicht geliefert.

 

Es ist ein Rechnungsabschluss voller Warnsignale, und er zeigt die ganze Dimension des Finanzdramas. Der Schuldenstand hat sich nahezu verdoppelt und stieg von 7,79 Milliarden EUR auf 15,74 Milliarden EUR. Die Neuverschuldung liegt bei 1,77 Milliarden EUR, und die Rücklagen wurden um über 500 Millionen EUR aufgebraucht, aufgelöst. Das ist mehr als ein Viertel in nur einer Periode.

 

Dann gibt es noch die Großprojekte. Ich frage mich nur: Was ist denn da los bei den Großprojekten? - Wenn ich so an die Eventhalle Sankt Marx denke: Vorstellung der Pläne war 2019, geplanter Eröffnungstermin war letztes Jahr, also 2024, und Letztstand der Eröffnung ist 2030, wenn es nicht noch weiterverschoben wird. Dabei hätten wir so viele Chancen, hier auch internationale Großevents zu gestalten. Ich denke jetzt nur an den Eurovision Song Contest - das hätte bereits ein großartiges Auftaktereignis sein können. Aber es bleibt offen, wann wir mit der Eventhalle fertig sind.

 

Fernbusterminal: Vorstellung der Pläne: 2021, geplanter Eröffnungstermin: 2025, Letztstand: 2028. Und so einiges mehr. Das heißt, auch hier ein trauriges Resümee. Trotz allen Verständnisses, aller Krisen, aber Großprojekte … das muss Wien eindeutig besser machen! (Beifall bei der ÖVP.)

 

Ein ganz besonders kritischer Blick gilt an dieser Stelle auch unseren Kolleginnen und Kollegen von den NEOS. Als Oppositionspartei und im Wahlkampf haben Sie gefordert: Tourismuszonen, Abschaffung der U-Bahn-Steuer, Schuldenbremse im Verfassungsrang, Konsolidierung mit Ausgabendisziplin. - Der Wahlkampf ist vorbei, die Schulden sind geblieben. Nichts wurde umgesetzt, stattdessen liest man 85-mal das Wort Evaluierung.

 

Ja, Kollege Ornig, bei der Angelobungsrede haben Sie es gesagt, ich darf heute darauf replizieren und Sie zitieren: Ich finde, das ist etwas Großartiges, in schwierigen Zeiten fährt man eben auf Sicht. - Mit Verlaub, wer auf Sicht fährt, der hat kein Ziel. (Zwischenruf von GR Markus Ornig, MBA.) Das, was wir gerade in schwierigen Zeiten brauchen, ist endlich ein Kurs, ein wirtschaftspolitisch mutiger Kurs und keine Kosmetik, kein Verwalten der Krise, sondern Verantwortung für die Zukunft unserer Stadt. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Wir brauchen Investitionen, diese müssen umgesetzt werden und nicht verschoben, eine Wirtschaft, die gestärkt werden muss und nicht nur besprochen, und wir müssen die Menschen entlasten, nicht mit Placebos vertrösten. Der Rechnungsabschluss 2024 zeigt, Wien lebt über seine Verhältnisse, wir haben eine eindeutige finanzielle Schieflage. Allein die Anzahl der frühzeitigen Pensionierungen - mein Kollege Zierfuß hat auch darauf bereits hingewiesen - zeigt auf, was Wien in den letzten Jahren negativ beeinflusst. Ich bin wirklich die Allerletzte, die jemandem etwas neidig ist oder die Schuld zuschiebt. Aber das, was hier passiert ist - mit einem Schuldenstand, der sich seit 2020 verdoppelt hat, mit Rücklagen, die aufgelöst wurden, mit zentralen Investiti

 

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