«  1  »

 

Gemeinderat, 2. Sitzung vom 23.06.2025, Wörtliches Protokoll  -  Seite 32 von 109

 

der Mut zur Veränderung. Ich kann Ihnen versprechen: Wir werden Sie an Ihre Verantwortung erinnern. Wir werden Ihnen auf die Nerven gehen. Wir werden Sie ermutigen, Veränderungen möglich zu machen, zum Beispiel bei der Leerstandsabgabe. Denn mutig ist Wien am schönsten. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Vorsitzende GRin Dr. Jennifer Kickert: Tatsächliche Redezeit: elf Minuten.

 

Als Nächste zu Wort gemeldet ist StRin Nittmann. Selbst gewählte Redezeit: zwölf Minuten. - Sie sind am Wort.

 

12.26.13

StRin Mag. Ulrike Nittmann|: Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Frau Stadträtin, werte Kollegen im Gemeinderat und werte Zuseher vor den Bildschirmen!

 

Der Rechnungsabschluss 2024, den wir diskutieren, liegt uns vor, und nach den Redebeiträgen von Vertretern der Regierungsparteien SPÖ und NEOS und auf den ersten Blick könnte man ja meinen: Alles halb so wild, alles halb so schlimm; immerhin haben wir ein nahezu neutrales Nettoergebnis präsentiert bekommen! - Doch wenn das so wäre, dass alles halb so schlimm und alles halb so wild ist, stellt sich natürlich die berechtigte Frage: Warum hat die Stadt Wien ein massives Liquiditätsproblem und einen riesigen Schuldenberg? - Ganz einfach, wenn man nämlich ins Detail geht und sich nicht nur mit Pressemeldungen und Überschriften zufriedengibt, dann sieht man, dass dieses positive neutrale Ergebnis mit massiven Einmaleffekten und buchhalterischen Maßnahmen erkauft wurde. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Das Nettoergebnis - das sehen wir in der Ergebnisrechnung - vor Veränderung der Haushaltsrücklagen verbesserte sich von minus 2,3 Milliarden EUR auf minus 124 Millionen EUR. Minus 2,3 Milliarden EUR waren veranschlagt, tatsächlich waren es minus 124 Millionen EUR. Da könnte man sagen: Ein super Ergebnis! Was gibt es Besseres? - Die Frau Stadträtin hat uns gesagt, dieses wunderbare Ergebnis wurde durch Budgetdisziplin und Konsequenz beim Sparen erwirtschaftet. Richtig ist vielmehr: Pensionsrückstellungen in der Höhe von rund 1,4 Milliarden EUR wurden aufgelöst, und es kam zu einer Neubewertung von Rückstellungen.

 

Was sehen wir weiters in der Ergebnisrechnung? - Die Erträge vom Voranschlag 2024 sind gesunken und zwar um 1,8 Milliarden EUR - und das ist jetzt nicht nur, sage ich, das Thema mit den Erträgnissen, die vom Bund kommen. Aber nicht nur die Erträge sind gesunken, auch die Aufwendungen sind im Vergleich zum Voranschlag 2024 um 4 Milliarden EUR gesunken. Das bedeutet, durch das Auflösen der Haushaltsrücklagen in Höhe von 1,4 Milliarden EUR - das ist die buchhalterische Maßnahme, von der ich gesprochen habe - und wesentlich weniger Aufwendungen als veranschlagt, nämlich um 4 Milliarden EUR weniger, entsteht dieses nahezu neutrale Nettoergebnis von rund einer halben Million EUR minus.

 

Kurz gefasst: Das ist eine Budgetsanierung durch Buchungstricks. Und eines muss uns natürlich allen klar sein: Wer heute durch das Auflösen von Haushaltsrücklagen diese Reserven angreift und notwendige Investitionen - dazu komme ich später noch: weniger Aufwendungen von 4 Milliarden EUR - nicht tätigt oder verschiebt, der verschiebt natürlich auch die finanziellen Probleme nur in die Zukunft und belastet so die zukünftigen Generationen. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Ganz besonders dramatisch sind die Minderauszahlungen, der Liquiditätsabfluss bei den Wiener Linien. Bei den Wiener Linien wurden 327 Millionen EUR an Liquidität entzogen, und die Bevölkerung spürt das. Sie spürt das ganz genau: eine schlechte Wartung des Schienennetzes, Taktverlängerungen und Verschiebungen notwendiger Investitionen bei den Wiener Linien.

 

Wir sehen das auch bei den Buchwerten - StR Nepp hat es angesprochen -: Wir schreiben wesentlich mehr ab, als wir investieren - und das ist nichts anderes als ein schleichender Substanzverlust. (Beifall bei der FPÖ.)

 

Was sehen wir noch - die Zahlen lügen nicht, hat Klubobmann Taucher gesagt -: ein strukturelles Defizit auf Rekordhöhe. Es hat sich zwar der Nettofinanzierungssaldo leicht verbessert, aber nur weil weniger investiert wurde. Gleichzeitig, obwohl weniger investiert wurde, erhöhen sich aber die Schulden um 1,8 Milliarden EUR. Es ist also nicht so, dass die Schulden ausschließlich aufgenommen werden, um in die Stadt zu investieren und um das Vermögen der Stadt zu erhöhen, ganz im Gegenteil. Es sinken die Investitionen, und es erhöhen sich die Schulden. Das bedeutet auch für 2024 wieder, es wird mehr konsumiert als erwirtschaftet. Die laufenden Investitionen - so steht es ja auch im Rechnungsabschluss drinnen - können längst nicht mehr aus dem laufenden Betrieb finanziert werden. Das ist genau das strukturelle Defizit - und dieses explodiert. Vor zehn Jahren lag das strukturelle Defizit bei 350 Millionen EUR, und heute liegt es bei 2,2 Milliarden EUR. 2,2 Milliarden EUR! Und was machen Sie? - Sie evaluieren.

 

Was sehen wir noch? - Die Finanzschulden erreichen neue Höchststände. Das sehen wir im Finanzschuldenbericht. Und in der Konzernansicht, und von der reden wir, haben wir 17,4 Milliarden EUR Finanzschulden und insgesamt 31,5 Milliarden EUR an Gesamtverschuldung inklusive der Beteiligungen und Haftungen der Stadt Wien. Das sind Wahnsinnszahlen. Und Sie stellen sich her und sagen: Alles ist gut, alles ist halb so wild, die Stadt Wien steht auf soliden Beinen. (Beifall bei der FPÖ.)

 

In den letzten 16 Jahren haben sich die Finanzschulden um 700 Prozent erhöht, und seitdem Herr Bgm Ludwig Bürgermeister ist, haben sich die Schulden verdoppelt. Es muss uns natürlich auch klar sein: Diese Schulden gibt es nicht kostenlos. Mit den Schulden steigen die Zinsen. Wir haben jetzt einen Anstieg der durchschnittlichen Verzinsung von rund 70 Millionen EUR jährlich. Eine Simulation zeigt, wenn der Refinanzierungssatz von derzeit 1,12 Prozent auf 2,38 Prozent steigt, wird sich die Zinsbelastung binnen fünf Jahren um weitere 190 Millionen EUR erhöhen. Dieses Geld fehlt für dringend notwendige Investitionen in Schulen, Spitälern, Pflegeheimen und in die Infrastruktur.

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular