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Gemeinderat, 2. Sitzung vom 23.06.2025, Wörtliches Protokoll  -  Seite 39 von 109

 

Ich weiß, dass Sie es wissen, Frau Stadträtin. Das Wirtschaftswachstum für das Jahr 2024 in Wien wird mit minus 0,2 Prozent ausgewiesen. Das macht keinen großen Unterschied. Das ist noch immer - gemeinsam mit Salzburg, by the way - die niedrigste Rezession, wenn ich das so ausdrücken kann. Ich finde es im Wissen um dieses Faktum aber nicht ganz redlich, dass man heute noch von einem Wirtschaftswachstum spricht, das es definitiv nicht gibt, Frau Stadträtin. (Beifall bei der ÖVP. - StR Dominik Nepp, MA - erheitert: Erwischt!)

 

Ähnlich ist es bei einem zweiten Parameter dieses Wirtschaftsstandortes, bei den Betriebsansiedlungen. Ja, da haben wir gute Zahlen. Das ist natürlich auch der wachsenden Stadt geschuldet.

 

Was wir halt schon auch sagen sollten: Wir haben leider Gottes - auch da müssen wir dazuschauen, dass wir unterstützen, dass wir den Standort stärken - Rekordzahlen, was die Insolvenzen betrifft. Auch das wurde verschwiegen, sollte aber bei einer seriösen Budgetpolitik nicht verschwiegen werden.

 

Vom Dritten, meine Damen und Herren, habe ich eigentlich gar nichts gehört. Ich habe nur gehört, was wir beim WAFF - durchaus mit unserer Unterstützung, wir halten den WAFF für ein gutes Instrument - alles tun wollen. Die schwierige Situation am Arbeitsmarkt aber und dass wir das einzige Bundesland mit Double Digits, also zweistelligen Arbeitslosenzahlen, sind, sollte bei so einer Debatte wohl wahrlich nicht unter den Teppich gekehrt werden, meine Damen und Herren. (Beifall bei der ÖVP. - GR Mag. Josef Taucher: Das haben wir gesagt! Wieder nicht zugehört!)

 

Das Thema Neuverschuldung wurde zu Recht schon mehrfach angesprochen. Weder die 1,77 Milliarden EUR für 2024 noch die - jetzt einmal angekündigten - 3,8 Milliarden EUR werden es werden. Man wird sich dann dafür abfeiern lassen, dass es halt nur 3,1, 3,2 oder 3,3 Milliarden EUR Neuverschuldung im Jahr 2025 sind. Auch die müssen wir natürlich massiv unter die Lupe nehmen.

 

Es ist schon auffällig, wenn man die beiden Regierungsfraktionen in ihren Wortmeldungen beobachtet. Während Sie, Frau Stadträtin, eigentlich so getan haben, als wäre alles happy peppy und eitel Wonne, hat Kollege Ornig - das muss ich ihm wirklich hoch anrechnen - zumindest gezeigt, dass er Handlungsbedarf sieht und er es mit seinem Koalitionspartner möglicherweise nicht immer leicht hat. Dass es bei manchen Dingen nicht so einfach ist, Dinge, die eigentlich schon längst auf die Reise geschickt werden müssten, auch umzusetzen, sei dahingestellt. Es gibt aber zumindest ein Problembewusstsein. Das würde ich mir bei Ihnen, Frau Stadträtin, auch dringend erhoffen und erwarten. (Beifall bei der ÖVP.)

 

So stehe ich also wieder hier und konfrontiere - wie schon 2018 Ihren Vorgänger Peter Hanke - diesmal auch Sie, werte Frau Stadträtin, mit unseren Erwartungen nach einer Kurskorrektur. So umgänglich im Persönlichen und so aufgeschlossen für neue Pfade Peter Hanke auch war, muss man ihm heute im Nachhinein leider attestieren, dass er mitunter an den verkrusteten Strukturen der Stadt gescheitert ist.

 

Ich will meine Rede heute daher auch schlicht und einfach als bürgerlichen Gegenentwurf zu der gelebten Praxis des sozialdemokratischen Defizits verstanden wissen. Vielleicht, ja vielleicht, Frau Stadträtin - nach mehreren Jahren in der Wiener Stadtpolitik stirbt die Hoffnung bekanntlich zuletzt -, können Sie sich ja auch für die eine oder andere Anregung einer seriösen Budgetpolitik erwärmen.

 

Mir ist aber auch noch etwas ganz wichtig. Auch da möchte ich mit einer Mär aufräumen. Klubobmann Zierfuß hat es schon angesprochen. Schon im Wahlkampf hat es der Herr Bürgermeister in epischer Breite getan. Heute haben auch Sie dem Thema in Ihrer Rede breiten Raum gelassen, Frau Stadträtin: schlicht und einfach der - mit Verlaub - Unwahrheit, dass an der Wiener Rekordverschuldung der Bund schuld sei.

 

Da fällt immer wieder das Thema: Na ja, die kalte Progression ist damals abgeschafft worden, und das ist nicht gegenfinanziert. Es ist schon lustig, wenn man sich ein bisschen in dieses Thema einliest und beispielsweise einen Artikel auf der ÖGB-Homepage liest - die Institution ÖGB ist Ihnen wahrscheinlich nicht völlig fremd -, in dem am 4. Juli 2024 geschrieben wurde - der Artikel vom Kollegen Katzian ist noch immer abrufbar -: Mit der Abschaffung der kalten Progression wird endlich eine langjährige Forderung des ÖGB erfüllt.

 

Es war damals auch einstimmig, aber eigentlich müsste man froh darüber sein, dass die Menschen entlastet wurden. Es gibt auch nicht weniger Geld für die Stadt Wien. (GR Mag. Josef Taucher: Hat es nicht auch … auf die Gegenfinanzierung?) Herr Kollege Taucher, es gibt nicht weniger Geld für Wien. Der Zuwachs ist geringer. Das ist das Problem.

 

Wenn wir heute von der Gegenfinanzierung reden - danke für das Stichwort -: knapp 1,8 Milliarden EUR Defizit 2024, drei Komma irgendwas 2025, aber die Abschaffung der kalten Progression ist schuld. (Beifall bei der ÖVP. - Neuerlicher Zwischenruf von GR Mag. Josef Taucher.)

 

Gut, ein einfaches Rechenbeispiel. Im Zuge des Finanzausgleichs gibt es die berühmte 68-20-12-Formel. 68 Prozent der Einnahmen bleiben beim Bund, 20 Prozent gehen an die Länder, 12 an die Gemeinden. Wien hat - das ist nicht ganz einfach zu eruieren, weil es spezifische Abweichungen bei Gesundheit und Bildung gibt - etwa 21 Prozent des Länderanteils, also 21 Prozent der 20 Prozent, und rund 25 Prozent des Gemeindeanteils, also 25 Prozent der 12 Prozent.

 

Das heißt, bei 1 Milliarde EUR an Einnahmen im Bund ergibt das für Wien irgendwas zwischen 72 und 78 Millionen EUR. Gut. Was heißt das für den Einnahmenentfall durch die kalte Progression für Wien?

 

Im Jahr 2024 - da war der Einnahmenentfall dadurch auch im Bund höher - sind es knapp 200 Millionen EUR. 2025 sind es 125 Millionen EUR, die die Stadt Wien weniger an Mitteln bekommt. Ja, das ist relevantes Geld, aber damit ein Defizit von über 3 Milliarden EUR nächstes Jahr und von 1,8 Milliarden EUR dieses Jahr zu

 

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