Gemeinderat, 2. Sitzung vom 23.06.2025, Wörtliches Protokoll - Seite 63 von 109
Vielleicht ein paar grundsätzliche Anmerkungen. Jeder, der mich kennt, weiß, wenn ich über Kulturpolitik spreche, dann geht es mir immer um eine Sache. Es geht mir um die Freiheit, es geht mir um die Verantwortung, und es geht mir aber auch um die Vielfalt und um unsere Überzeugung, dass Kunst und Kultur kein Luxus, sondern eine demokratische Notwendigkeit sind. Kunst und Kultur sind nämlich eines, sie sind das Immunsystem unserer liberalen Gesellschaft. Sie halten uns wach, sie halten uns kritisch, sie halten uns beweglich, und sie brauchen Freiheit und nicht Gängelung, sie brauchen Weltoffenheit und nicht Abschottung, sie brauchen Vertrauen und nicht Zensur. Und das ist der Grund, warum autoritäre Systeme, die Putins, die Orbans, die Erdogans, aber auch manche, denen man hier in diesem Haus in den letzten fünf Jahren zugehört hat, Kunst und Kultur, die Freiheit der Kunst und Kultur fürchten, denn sie wissen, dort, wo die Kunst Fragen stellt, hat Propaganda ein Problem. Sie wissen, wo Kunst- und Kulturschaffende widersprechen, hat Macht keine Ruhe, und sie wissen, wo Vielfalt lebt, dort stirbt der Populismus.
Aber ganz ehrlich, das ist ihr Problem und nicht unseres. Unser Thema ist, dass wir auch in Österreich wachsam sein müssen, denn wer von einer nationalen Kultur spricht, wer Abschottung beschwört, wer nicht debattiert, sondern ausgrenzt, wer Kunst als identitätspolitisches Instrument umdeuten will, der zielt auf Macht und Kontrolle und nicht auf Kultur. Kunst ist nicht Verzierung, sie ist Haltung, Kunst ist Störung, sie ist Widerspruch, sie ist Zweifel, sie ist Ausdruck dessen, was uns als eine freie Gesellschaft ausmacht, die Vielfalt der Stimmen, die Offenheit der Brüche und die Zumutung der Wahrheit. Ohne freie Kunst gibt es keine freie Gesellschaft. (Beifall bei den NEOS.)
Zum Rechnungsabschluss: Der Rechnungsabschluss Kunst und Kultur 2024 erzählt eine richtig gute Geschichte, nämlich die Geschichte einer Stadt, die an ihre Kunst- und Kulturschaffenden glaubt, die nicht nur verwaltet, sondern ermöglicht und die in Kunst und Kultur mehr sieht, als nur schöne Momente, die in Kunst und Kultur Zukunft sieht, die Zusammenhalt sieht und die in Kunst und Kultur eine große gesellschaftliche Kraft sieht.
Das vergangene Jahr im Kunst- und Kulturbereich war reich an Ideen. Es war mutig in der Umsetzung, und es war beeindruckend in seiner Vielfalt. Vieles wäre wert, heute hier auf die Bühne zu holen. Ein paar Projekte habe ich mitgenommen, ganz am Anfang natürlich das Wien Museum. Das ist wahrscheinlich eine der wichtigsten kulturpolitischen Initiativen, die wir in den letzten Jahren gesetzt haben. Der Umbau ist nicht nur eine architektonische Meisterleistung, sondern auch eine kulturpolitische Meisterleistung.
Über 650 000 Menschen haben in wenigen Monaten dieses Haus besucht. Ich glaube, das spricht eine sehr klare Sprache, nämlich, dass dieses Haus berührt, begeistert und vor allem auch bildet. Was da ganz besonders zählt, ist der Gratiseintritt in die neue Dauerausstellung. Er hat das Wien Museum zu einem echten öffentlichen Ort gemacht, inklusiv, barrierearm, offen, zu einem Ort, in dem Kunst und Kultur und vor allem auch Geschichte nicht vom Einkommen abhängen, sondern nur von Neugier und Interesse der Menschen. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)
Neben dem großartigen Wien Museum möchte ich auch die Ankerzentren erwähnen. 2024 ist dieses kulturpolitische Konzept, das einzigartig in Wien ist, weiter ausgebaut worden. Dieses Konzept ist in seiner Wirkung auch kaum zu überschätzen, denn es steht für einen dezentralen, nahbaren und offenen Zugang zu Kunst und Kultur. Hier entstehen Räume, wo nicht nur Kunst und Kultur gemacht, geteilt und zugänglich werden, es sind auch Räume, Produktionsmöglichkeiten, Begegnungsräume, soziale Räume, Nachbarschaften, Plattformen für Austausch, für Vielfalt, für gemeinsam Erfahrung, mehr als kulturelle Punkte auf einer Landkarte. Es ist echte Nachbarschaft, die im gemeinsamen Begegnen und Austauschen über Kunst und Kultur spürbar wird.
Und es ist heute schon gefallen, Kollege Mahrer hat es gesagt und es freut mich auch sehr, dass Sie das auch anerkannt haben, nämlich das Thema Kultur für die Jüngsten. Kultur für die Jüngsten haben wir auch sehr beeindruckend im letzten Jahr mit dem Projekt Junge Theater Wien gezeigt. Wir haben da ein neues Kapitel aufgeschlagen, nämlich in fünf Außenbezirken ganz gezielt Theaterangebote für Kinder und Familien geschaffen. Dabei geht es aber nicht nur um Aufführungen, sondern auch um Workshops, um Gespräche, ums Mitmachen. Gerade in der kulturellen Bildung legen wir damit einen ganz wichtigen Grundstein, nämlich für die Teilhabe an unserer Stadt, für die frühe Begegnung mit Kunst und Kultur.
Wir gehen aber bei der Jugendkultur mit dem neuen Zentrum der Kinderkultur in Floridsdorf auch noch einen Schritt weiter. Das ist ein innovativer Ort, an dem Geschichten, Sprache und Fantasie sich ineinander verweben, ein Ort, der einen Raum schafft, wo so etwas passiert wie die kreative Selbstermächtigung von jungen Menschen. Neugieriges Lernen und vielfältige Ausdrucksformen stehen dort im Mittelpunkt. Wir tun das, weil wir davon überzeugt sind, dass wenn wir in Kultur und kulturelle Bildung investieren, investieren wir in Chancengerechtigkeit. Wenn wir Kindern den Zugang zu Kunst und Kultur öffnen, dann stärken wir nicht nur die individuelle Entwicklung, wir stärken auch die Zukunft unserer Demokratie.
Was bei den Jüngsten beginnt, nämlich bei Kindern und Jugendlichen, das braucht natürlich auch in der Jugend echte Räume zur Entfaltung, Räume, in denen man sich ausdrücken kann, in dem man sich ausprobieren kann. Auch 2024 wurde die Jugend- und Klubkultur in Wien gezielt gestärkt. Ein Beispiel dafür ist die Soundanlage in der Arena Wien, mit der der Open-Air-Betrieb mit Rücksicht auf alle Beteiligten gesichert werden konnte oder Initiativen wie das Popfest oder Awareness-Workshops für ein sicheres Nachtleben. Denn eines ist ganz klar, auch die Nacht gehört zur Kultur der Stadt, und sie verdient die gleiche Aufmerksamkeit wie der Tag. (Beifall bei NEOS und SPÖ.)
Es braucht aber auch Räume für die Geschichte und Selbstverortung gerade für Menschen, für Gruppen,
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