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Gemeinderat, 2. Sitzung vom 23.06.2025, Wörtliches Protokoll  -  Seite 81 von 109

 

93 Prozent Auslastung bei den Wiener Festwochen, nationale Auszeichnungen und internationale Auszeichnungen für unsere Theaterproduktionen. Aber hinter diesen Zahlen stehen Menschen. Menschen, die sich für Kultur begeistern, Menschen, die Kunst schaffen, Menschen, die Brücken bauen zwischen dem, was war, und dem, was kommen wird. Wien ist nicht nur eine Stadt mit einer großen Vergangenheit. Wien ist eine Stadt mit einer großen Zukunft. Diese Zukunft schreiben wir gemeinsam mit jedem Museumsbesuch, mit jeder Theateraufführung, mit jedem Diskurs über die Gestaltung unserer digitalen Zukunft, und natürlich auch mit der Zustimmung zum Rechnungsabschluss. Vielen Dank. (Beifall bei SPÖ und NEOS.)

 

Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Amtsf. StRin Kaup-Hasler. Ihre Redezeit beträgt 15 Minuten. Bitte.

 

18.03.13

Amtsf. StRin Mag. Veronica Kaup-Hasler|: Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf der Galerie und im Livestream!

 

Kulturpolitik ist auch immer eine Reflexion des Standpunkts, wo eine Gesellschaft im Jetzt steht. Dieses Jetzt der vergangenen Jahre war von einer wirklich nicht abreißen wollenden Sukzession von Krisen geprägt. Wir haben sie alle erlebt. Wir als Stadtgesellschaft haben erlebt, was passiert ist mit der Corona-Krise, mit einer großen Herausforderung an das Gesundheitssystem unserer Gesellschaft, an unsere Kinder und Jugendliche. Meine Kinder waren damals auch noch in der Schule. Ich habe als Mutter erlebt, was es bedeutet, wenn sich Kinder zurückziehen, und wie schwer es ist, wieder Anschluss zu finden. Genauso ist es aber auch sehr vielen Institutionen gegangen. Für uns Erwachsene in unserem doch relativ langen Leben ist es eine kurze Zeit, für Kinder und Jugendliche ist es eine besonders wichtige Zeit gewesen, eine Zeit, wo zum Beispiel auch diese Kluberfahrung oder die Erfahrung, sich hinauszubewegen, andere Kontexte zu erleben, nicht gegeben war.

 

Vom heutigen Standpunkt blickt man fast schon melancholisch auf diese Krise zurück, denn nach dieser Krise gab es sofort die Krise, die durch den Angriffskrieg Putins ausgelöst wurde, den Krieg in Europa, gegen die Ukraine, gefolgt von einer Teuerungswelle der Energiekosten. Wir alle haben es erlebt. Deswegen sind wir miteinander durch diese Zeit gegangen. Und vor diesem Hintergrund, glaube ich, muss man bewerten, was passiert ist, auch in der Kultur.

 

Die Kultur wurde kurz nach der Corona-Krise wirklich geschüttelt. Es hat lange gebraucht, bis das Publikum auch wieder gekommen ist, dieses Vertrauen gewonnen hat. Jetzt sind wir wieder in der gelebten Normalität. Die Menschen kommen, sie kommen mehr denn je. Kinos haben mehr Zulauf denn je, auch die Theater verzeichnen einen wirklich erfreulichen Anstieg an Besucherzahlen, an Auslastungen. Das ist wirklich insgesamt eine große Freude, und ich hoffe, wir haben in diesen Jahren auch unseren Beitrag geleistet, dass diese Krisenresilienz auch vorangeschritten ist. Die Teuerungen in der Folge - das war das letzte und das vorletzte Jahr - haben uns natürlich vor unendlich viele große Probleme gestellt und haben auch das städtische Budget extrem angespannt. In dieser Zeit sind Menschen verunsichert. Jetzt haben wir einen Präsidenten Trump, der alle unsere alten Sichtweisen auf die Achse zwischen USA und Europa, auf verbindliche Sicherheitspakte einfach aushebelt, gestützt von einem Silicon Valley und von den Menschen, die dahinterstecken, von einer Broligarchie wird es genannt - Bros, also Brothers, die sich finden, um eigentlich plutokratisch zu agieren. Da geht es nicht mehr um Demokratie und um diese Werte, sondern es geht eigentlich um das Survival-of-the-Richest, wie das Douglas Rushkoff in einem Buch sehr treffend und kritisch beschreibt, das ich Ihnen sehr ans Herz lege.

 

Wissenschaftler auf der ganzen Welt, ganz speziell in den Vereinigten Staaten, erleben in kürzester Zeit einen Wandel und einen Angriff demokratischer Grundfeste, wie sie nie in der Geschichte Amerikas jemals denkbar gewesen wären. Das erschüttert und verunsichert uns alle, auch die Wirtschaft - und es verunsichert die Menschen. Deswegen sage ich: Wo gibt es denn das Gegengift gegen die Verunsicherung, die Vereinzelung, gegen dieses Voranschreiten des Individualismus negativen Ausmaßes? - Das braucht eben einen Ort, wo eine zunehmend gespaltene Öffentlichkeit wieder zusammenkommt. Diese Öffentlichkeit wird hergestellt in den Feldern von Kunst, Kultur und Wissenschaft. Deswegen bin ich sehr froh bei diesem wirklich daseinsrelevanten Ressort gemeinsam mit meinem Koalitionspartner dafür zu sorgen, dass wir ein anderes, ein demokratisches Gegenmodell erarbeiten, in dem, was wir tun.

 

Es umfasst so vieles. Die Orte der Kunst - denken Sie nach, wo wir sie alle bereitstellen: Wir stellen sie bereit eben nicht nur im Bereich der Hochkultur, sondern wir öffnen Institutionen wie das Wien Museum, und wir öffnen sie im Bereich einer großzügigen und notwendigen Gratiskultur, wie wir sie finden im Kultursommer, in diesen vielen Gratisereignissen, die diese Stadt bietet. Denn ich bin überzeugt, dass jeder und jede und jedes Kind diese Anteilhabe an Kunst und Kultur braucht. Das ist in unserer DNA, es ist Teil der Problemlösung.

 

Denn was kann Kunst? - Ich wende mich jetzt speziell an diese Seite des Gemeinderates (Die Rednerin blickt in Richtung der ÖVP und der FPÖ.), Sie haben einiges gut erwähnt, Sie liegen richtig. Kunst kann trösten, Kunst kann Schönheit verbreiten, und das ist ganz wichtig. Was aber jemand braucht, um den Trost zu finden, das ist sehr unterschiedlich. Manchmal, das muss ich ehrlich sagen, war in der Geschichte der Kunst der Fortschritt der Kunst immer wieder auch durch Schockmomente gegeben. Schockmomente, sage ich einmal, wie der Jugendstil. Der hat radikal mit einer Bauweise davor gebrochen, wurde am Anfang unendlich bekämpft. In der Kunst war die Erneuerung, waren die Sezessionen eine radikale Abwehr der Malerei davor. Die haben sich gegen die Akademien gewandt, sie haben sich gewandt gegen sehr vieles. Mahler wurde bekämpft, Schönberg wurde bekämpft. Jetzt wären wir erschrocken, würde ein Konzert von Schönberg verboten werden.

 

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