Gemeinderat, 2. Sitzung vom 24.06.2025, Wörtliches Protokoll - Seite 76 von 110
GR Theodor Felix Löcker (GRÜNE): Sehr geehrte Frau Vorsitzende, sehr geehrte Frau Stadträtin, geschätzte KollegInnen, werte ZuseherInnen auf den Tribünen!
Gestern durfte ich zum ersten Mal in diesem Saal reden und heute bin ich schon wieder da. Ehrlich gesagt, ich finde das ziemlich schön, nicht nur, weil es Spaß macht, sondern gerade heute auch aus einem inhaltlichen Grund.
Wenn es um Jugendpolitik geht, ist es mir wichtig, dass wir nicht immer nur über junge Leute reden, sondern mit jungen Leuten und vor allem bestmöglich auch als Teil dieser Generation. Insofern finde ich es lustig, wenn mir manche Männer, die vom Alter her meine Väter sein könnten, hier erklären, was junge Menschen gerne haben oder wofür sie sich interessieren.
Ich bin 21 Jahre alt und damit der jüngste Abgeordnete des Hauses. Manche sehen das vielleicht als Schwäche. Der hat noch keine Lebenserfahrung, der soll erst einmal im echten Leben ankommen. Ich sehe das anders. Für mich ist das eine Stärke, es ist eine Perspektive wie alle anderen Hintergründe und Erfahrungen, die jede und jeder von Ihnen mitbringt.
Im Gemeinderat sollte im Idealfall die Bevölkerung der Stadt abgebildet sein. Repräsentation ist zentral dafür, sich gehört zu fühlen. Das gilt von den Kindesbeinen an bis ins Pensionsalter.
Ich habe kein Interesse daran, altkluge Reden zu schwingen, aber sehr wohl daran, die Stimmen in den Gemeinderat zu tragen, die hier manchmal leider fehlen. Wenn ich mit jungen Menschen in Wien spreche, dann höre ich immer öfter: Ich fühle mich manchmal alleine. Das bringt mich zu einem Thema, das heute noch nicht so viel besprochen wurde, nämlich Mental Health bei Kindern und Jugendlichen.
Wenn man sich als junger Mensch alleine fühlt, dann oft nicht, weil man keine FreundInnen hätte, sondern weil viele das Gefühl haben, ihre Sorgen finden keinen Platz, weder in der Schule noch in der Politik. Dabei sind die Herausforderungen enorm: psychische Belastung, Druck, Unsicherheit und Einsamkeit.
Einsamkeit ist leise, aber genau deshalb ist sie gefährlich. Sie führt zu Rückzug, im schlimmsten Fall zu Radikalisierung und zu psychischer Erkrankung. Auch viele junge Menschen sehen sich mit Einsamkeit konfrontiert, obwohl man es nicht zugeben würde, denn man möchte ja kein Loser sein. Diese Stigmatisierung stellt aber eine große Gefahr dar. Psychische Gesundheit bei Jugendlichen ist keine Nebensache, sie ist zentral.
Wir wissen längst, immer mehr Jugendliche kämpfen mit Depressionen, mit Anxiety und mit der Angst, nicht gut genug zu sein. Auch die soziale Isolation während der Pandemie hat das Ihrige dazu beigetragen. Die Realität ist, dass Wartezeiten auf Therapieplätze leider lange sind, oft viel zu lange. Und das darf in einer Stadt wie Wien eigentlich nicht sein. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Die Initiative "Gesund aus der Krise" war ein wichtiger Schritt und ist ein tolles Angebot. Auch ich selbst habe das in einer schwierigen Zeit genutzt.
Man hat unbürokratisch schnell Zugang zu psychischer Hilfe bekommen. Ich finde, das gehört wertgeschätzt. Ich habe gemerkt, was für einen Unterschied es macht, eine unkomplizierte Anlaufstelle zu haben. Aber es braucht ein dauerhaftes, gut finanziertes und leicht zugängliches Angebot - niederschwellig, dezentral und ohne bürokratische Hürden.
Ich sehe im Regierungsprogramm gute Ansätze: Stärkung der Schulsozialarbeit, Prävention, multiprofessionelle Teams. Aber vieles ist leider schwammig formuliert, und wie wir alle wissen, Papier ist halt geduldig. Was es braucht, ist Umsetzung. Was es braucht, ist Tempo. Und was es braucht, ist der politische Wille, psychische Gesundheit nicht nur zu diagnostizieren, sondern auch konsequent zu fördern, auch außerhalb der Schule. Denn es geht nicht nur um Gesundheit, es geht auch um Zugehörigkeit.
Viele junge Menschen sehnen sich nach einem Ort, an dem sie einfach sein dürfen. Deshalb ist es wichtig, dass es in den Bezirken Plätze gibt, ohne Zwang zu konsumieren, ohne Eintritt zu zahlen und ohne Vorbehalte. Grätzelzentren, Streetwork, mobile Jugendarbeit - Wien macht da vieles richtig. Aber das ist kein Extra on top, das ist notwendige Grundversorgung, und genau deswegen bin ich mir sicher, dass jeder Cent, den wir in gute Jugendarbeit stecken, sich auszahlen wird, weil er präventiv, stabilisierend und bestärkend wirkt. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Es ist ein einfaches Prinzip. Nur wer sich gesehen fühlt, wird sich einbringen in der Schule, in der Stadt und in der ganzen Demokratie. Genau darum geht es doch, dass junge Menschen erleben, dass ihre Stimme zählt, nicht erst in zehn Jahren, auch schon heute.
Ich habe gestern in meiner Rede gesagt, ich werde auch einmal loben, wenn etwas gut gemacht wird. Deswegen lassen Sie mich einleitend sagen, dass ich die Kinder- und Jugendmillion, das Kinder- und Jugendparlament für eine wirklich coole Idee halte. Das sage ich nicht nur deshalb, weil die Projekte von VERDE, der GRÜNEN-SchülerInnenorganisation, die ich mit aufbauen durfte, zweimal gewonnen haben, einmal für kostenloses Bluten, also Gratis-Menstruationsartikel in den Schulen, und einmal für sogenannte Lernboxen, wo sich Schülerinnen und Schüler, die es sich sonst nicht leisten könnten, Hefte, Papier et cetera abholen können. Ich sage das auch deshalb, weil ich wirklich glaube, dass das eine coole Möglichkeit ist zur Beteiligung.
Gerade weil wir aber am Prozess mitgemacht haben, erlauben Sie mir eine konstruktive Prozesskritik. Die Jugendlichen, die sich Zeit für dieses Parlament nehmen, können dann im Endeffekt dort nichts entscheiden, weil die Abstimmung in einem Online-Tool erfolgt. Grundsätzlich ist es eine gute Idee, die Abstimmung einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Aber dann muss man für diejenigen, die sich die Zeit nehmen und sich im Kinder- und Jugendparlament einbringen, einen anderen Wirkungsbereich schaffen, denn sonst weichen die anfängliche Motivation und der Tatendrang relativ schnell der Langeweile, denn man sitzt drin, diskutiert, aber entschieden wird dann eh woanders.
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