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Gemeinderat, 2. Sitzung vom 24.06.2025, Wörtliches Protokoll  -  Seite 79 von 110

 

weiterzuarbeiten und sich dem zu stellen. Danke an all die, die weiter im Dienst bleiben, wenn sie schon einen Nachtdienst gehabt haben, weil der Kollege krank geworden ist oder sie 50 Familien alleine betreuen als SozialarbeiterIn bei der MA 11. Das ist nicht der Standard in Europa. Es ist wirklich großartig, dass Sie da dranbleiben, weil die Kinder dieser Stadt Sie brauchen. Herzlichen Dank. (Beifall bei den GRÜNEN und von GR Mag. Marcus Gremel, MBA.)

 

Ich möchte mich bei allen Krisenpflegeeltern, die mitten in der Nacht Kinder übernehmen, bedanken und auch bei denen, die als Pflegefamilien die Kinder in Not in ihre Familie aufnehmen. All das ist nicht selbstverständlich. Es braucht viel soziales Engagement und Solidarität. Wir müssen stolz auf diese Personen sein, da sie bereit sind, so viel Solidarität in die Stadt zu bringen und diesen Kindern eine Chance zu geben. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Im Jahr 2024 wurden in Wien 13 181 Gefährdungsabklärungen durchgeführt. Das ist ein Höchststand. In 1 056 Fällen mussten Kinder und Jugendliche in Krisenzentren oder Krisenpflege untergebracht werden. Die Zahl der Neuaufnahmen in volle Erziehung, so heißt das, wenn sie nicht mehr zu Hause wohnen können, sondern in dauerhafter Herausnahme aus der Familie, liegt bei 615 Kindern und Jugendlichen pro Jahr.

 

Aber es geht leider nicht aus dem Bericht hervor, wo diese zusätzlichen Kinder, 1 000 mehr als 2022, tatsächlich untergebracht sind. Die Krisenzentren in dieser Stadt waren ja schon davor überbelegt. Die Krisenzentren sind chronisch überlastet, das wissen wir. Statt einem sicheren Hafen finden sich dort überfüllte Gruppen, erschöpfte Betreuerinnen und Betreuer und viel zu wenig Zeit für individuelle Betreuung oder auch Abklärung. Das ist keine neue Erkenntnis. Sie haben das schon hundertmal hier gehört. Der Stadtrechnungshof hat Ihnen das vorgeworfen, die Kinder- und Jugendanwaltschaft und auch die Volksanwaltschaft kritisiert regelmäßig, dass es zu wenig Personal und vor allen Dingen zu wenig Supervision gibt. Sie alle haben es schon gehört: Es sind zehn bis zwölf Kinder statt der acht zugelassenen dort, zum Teil schlafen sie auf Matratzen am Boden. Das hat sich leider 2024 auch nicht geändert. Das ist dramatisch und da müssen wir hinschauen, aber auch finanziell Geld investieren. (Beifall bei den GRÜNEN und von GRin Sabine Keri.)

 

Die MA 11, die für den Schutz von Kindern und Jugendlichen zuständig sein soll, wirkt in ihrer aktuellen Form leider wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten - zu bürokratisch, oft zu defensiv und leider oft zu wenig lernbereit. Nicht erst seit der Reportage "Die Kinder aus Hernals" ist klar, die Abteilung braucht keine kosmetische Reform, sie braucht tatsächlich einen Neustart. Wir Wiener GRÜNE sagen deshalb, es ist möglich, auch hochproblematische Jugendliche zu erreichen, aber nicht mit Wegsperren oder Straflogik und auch nicht mit Verachtung, sondern mit Geduld, Fachlichkeit und einem grundlegend neuen Denken in der Kinder- und Jugendhilfe. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Es geht darum, junge Menschen aus dem Sumpf zu heben und sie nicht zu vergraben, sagte der österreichische Pädagoge und Psychoanalytiker August Aichhorn, den man noch öfter zitieren kann.

 

Ich weiß, dass wir noch ein paar Minuten übrighaben, deshalb werde ich noch ein paar GRÜNE-Forderungen sagen. Und zwar fordern wir GRÜNE daher zu handeln, ganz konkret. Erstens: Schließung überforderter Großwohngemeinschaften. Kinder mit besonderen Herausforderungen brauchen Einzelbetreuung, die sogenannten Systemsprenger können nicht in einer WG mit acht Kindern betreut werden, das ist zu viel. Sie brauchen Auslandsprojekte, individuell zugeschnittene Wohnformen, sie müssen raus aus ihrem Milieu und in eine engmaschige sozialpädagogische Betreuung.

 

Zweitens braucht es einen Ausbau pädagogischer Angebote und fairer Bezahlung. Wir haben das vorher schon vom Kollegen Löcker gehört: Streetwork, mobile Jugendbetreuung und niederschwellige, mehrsprachige Angebote müssen massiv gestärkt werden. Wir alle wissen, dass in Wien mehr Sprachen gesprochen werden als nur Deutsch. Dem muss auch die MA 11 langsam Rechnung tragen. Die PädagogInnen brauchen endlich eine Bezahlung, die ihrer Verantwortung gerecht wird. (Beifall bei den GRÜNEN.)

 

Es braucht Entbürokratisierung und Handlungsspielräume, weil gerade professionelle Arbeit mit hochbelasteten Jugendlichen nicht immer so funktioniert wie ein Aktenschrank. Die braucht Vertrauen, Zeit und gute Supervision. Das ist nicht immer mit einem Nine-to-five-Job verbindbar.

 

Dann braucht es einen Neuaufbau einer transparenten und lernfähigen Jugendhilfe. Eine neue MA 11 muss fachlich begleitet, evaluiert und mit ausreichend Ressourcen ausgestattet sein. Es ist mir schon klar, dass vieles an den Ressourcen liegt. Es braucht ein System, das Verantwortung übernimmt, statt diese abzuschieben.

 

Das Letzte und das Wichtigste wäre, dass wir auch mehr Schwerpunkt in die Prävention legen, auch das ist heute gesagt worden. Es wäre nett, wenn die Herren der FPÖ sich kurz zurückhalten, ich habe nur noch zwei Sätze. - Danke schön. (Beifall bei den GRÜNEN. - FPÖ: Seit vier Minuten!)

 

Prävention ist etwas, was Sie auch interessieren muss, denn Sie sind dafür, dass kriminelle Jugendliche nicht mehr kriminell sind, das heißt, wir müssen schauen, wie wir dort hinkommen, dafür würde es Prävention brauchen.

 

Es braucht spezialisierte Einrichtung, Schutzkonzepte, Bildungsangebote zur Prävention und vor allen Dingen zur Prävention sexualisierter Gewalt in Schulen, in Heimen, in Sportvereinen. Denn Prävention ist Schutz. Natürlich braucht es auch einen weiteren Ausbau der frühen Hilfen. Da ist ein bisschen etwas passiert - mit Bundesgeldern übrigens -, aber das ist noch nicht genug für eine Stadt, die so groß ist wie Wien heute.

 

Unser Appell: Es reicht nicht mehr, auf Skandale nur mit Betroffenheit zu reagieren. Wir brauchen ein richtiges Konzept. Wien braucht eine Kinder- und Jugendhilfe, die gerecht, inklusiv und wirksam ist. Es ist Zeit für einen

 

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