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Gemeinderat, 3. Sitzung vom 25.06.2025, Wörtliches Protokoll  -  Seite 38 von 52

 

Drittens: Es gibt 21 Objekte, die von der Vugesta - das war die Verwaltungsstelle für jüdisches Umzugsgut der Gestapo - geraubt wurden und jetzt als sogenanntes anonymes jüdisches Vermögen angekauft wurden. Sie sind laut Gemeinderatsbeschluss dem Nationalfonds zu überreichen. Aber die Frage ist: Wann wird es endlich dem Nationalfonds übergeben? Was muss unternommen werden, damit das übergeben wird? - Die Veräußerung dieser Objekte sollte ja allen noch überlebenden Opfern zugutekommen. Wie wir wissen, sind die alle schon recht alt und werden bald verstorben sein. Trotzdem wird das von Jahr zu Jahr aufgeschoben.

 

Es bleibt auch nicht nachvollziehbar, warum Besitztümer der Familie Menzel aus dem Bund schon 2021 refundiert werden konnten, während die Besitztümer derselben Familie in der Wienbibliothek bis heute nicht restituiert werden, weil angeblich die Erben nicht erreichbar sind.

 

Es ist erfreulich, dass zu Fehlern in der Recherche betreffend Teresa Feodorowna Ries im heurigen Bericht entsprechende Ergänzungen erfolgen konnten. Wer war das? - Ich weiß, es ist schon ein langer Nachmittag, aber man kann es trotzdem erklären. Teresa Feodorowna Ries war eine um 1900 gefeierte Bildhauerin und Malerin, die als Jüdin und Frau jedoch während der NS-Zeit die Stadt verlassen musste und dann aus dem kulturellen Gedächtnis der Stadt verdrängt wurde. Ihre wichtigsten Werke - das sind einige Selbstbildnisse und vier Skulpturen, unter anderem die "Hexe" - überstanden den Krieg, haben Vandalismus und jahrzehntelange Vernachlässigung erlebt und befinden sich heute im Wien Museum. Vielleicht erinnern Sie sich, die "Hexe bei der Toilette für die Walpurgisnacht" ist ja mittlerweile bekannt und wird vom Wien Museum auch ausgestellt. Es ist aber leider bis heute nicht geklärt, wem dieses Objekt eigentlich gehört und ob es restituiert werden müsste oder nicht. Es ist eine sehr komplexe Geschichte.

 

Es wurde schon im Restitutionsbericht des letzten Jahres versucht, die Geschichte aufzuarbeiten, es waren da leider sehr viele Fehler drinnen. Es gab Gespräche dazu, es gibt einen zweiten Restitutionsbericht. Aber wie da aufgearbeitet wurde, dazu möchte ich ein Zitat aus dem Bericht bringen, damit Sie verstehen, worum es hier vielleicht geht. Und jetzt kommt das Zitat: "Um es" - es, das ist das Testament von Frau Ries - "einzusehen, bräuchte es aber die Genehmigung der […] Notariatskammer in Lugano. Dieser Auskunft folgten etliche Versuche von Ulrike Hirhager und Michael Wladika, diese Institution per Telefon oder E-Mail zu erreichen. Es gibt weder einen Anrufbeantworter noch eine Empfangsbestätigung für die eingegangenen E-Mails. Deshalb wurde am 4. September 2024 Christoph Thun-Hohenstein […]" - der ist im Außenministerium tätig - "um Unterstützung bei den laufenden Bemühungen ersucht", und bis in den "Berichtszeitraum ist keine Antwort eingelangt".

 

Sorry, aber wie kann es sein, dass die Stadt Wien es nicht schafft, über diplomatische Beziehungen Einblick in ein Testament in Italien zu bekommen? - Das gibt es doch nicht. Thun-Hohenstein ist schon seit Monaten nicht mehr im Amt. Es ist offensichtlich auch nicht gelungen, seine Nachfolgerin zu kontaktieren. Ich verstehe das wirklich nicht. Das wirkt leider eher so, als wäre es sehr im Interesse der Stadt Wien und des Wien Museums, dieses attraktive Objekt einfach weiter als großen Anziehungspunkt auszustellen. Das ist ja auch okay. Aber was nicht okay ist, ist, es als Eigentum zu betrachten. Das ist eine beeindruckende Statue. Es wäre aber sinnvoll, zumindest den Kontext über die Besitzverhältnisse auch öffentlich zu machen, wenn man die Statue schon ausstellt, denn eigentlich erzählen diese unklaren Besitzverhältnisse sehr viel über die Geschichte in Österreich, über die lange Weigerung der politisch Verantwortlichen in dieser Republik, aber auch in dieser Stadt, sich mit geraubter Kunst auseinanderzusetzen, über den schwierigen Weg, bis das offizielle Österreich sich endlich der eigenen Verantwortung bezüglich der Auswirkungen des Nationalsozialismus stellte.

 

Bis zur Aufarbeitung bezüglich der eigenen Schuld hat es in Österreich eh lange genug gedauert, Sie wissen das. Ich sage nur das Stichwort Waldheim, und das war erst 1986, 41 Jahre nach dem Krieg. Erst 1991 entschuldigte sich Vranitzky öffentlich, erkannte die österreichische Mitschuld an der Nazi-Diktatur und dem damit einhergehenden Holocaust an und relativierte erstmals öffentlich die Opferthese.

 

Das alles könnte man an dieser Stelle miterzählen.

 

Der Fall der Restitutionsfrage um das Kunstwerk von Teresa Feodorowna Ries wird mittlerweile auch international als Beispiel für die strukturelle Schwäche der österreichischen Restitutionspraxis wahrgenommen. Künstlerische Initiativen und Ausstellungen versuchten, das Vermächtnis von Ries wieder sichtbar zu machen und Druck auf die Institutionen auszuüben. Die Stadt Wien wirkt dagegen ein wenig zu wenig engagiert.

 

Mein Appell richtet daher den Blick auf zukünftige Restitutionsberichte. Bitte nehmen Sie die Restitution auch weiterhin ernst! Gerade jetzt, da die letzten Überlebenden langsam sterben, wäre es dringend notwendig, schnell zu handeln. Es ist zu wenig, festzuschreiben, dass herrenlose Objekte an den Nationalfonds übergeben werden sollen. Man muss es tatsächlich tun.

 

Ich finde es ziemlich unpassend, dass die NEOS jetzt ein Selfie machen, während es um die Rückgabe von geraubter Kunst an den Nationalfonds geht. - Danke schön.

 

Es ist zu wenig, jedes Jahr erneut festzuschreiben, dass die Erben leider ihre Dinge nicht abholen. Es wäre Zeit, sie aktiv zu kontaktieren. Es ist weiters zu wenig, festzustellen, dass man das Testament von Frau Ries leider nicht einsehen konnte, ohne diplomatische Hebel in Bewegung zu setzen. So bleibt der schale Eindruck, dass das Wien Museum ein arisiertes Objekt als Eigentum vermarktet. Es ist zu wenig, sich auf den ehemaligen Erfolgen auszuruhen. Wer Restitution ernst meint, wer ernsthaft versucht, ehemalige Verbrechen zu ahnden, zumindest, was verlorene Objekte betrifft, der muss mehr in die Gänge kommen. Ich hoffe auf mehr Engagement beim nächstjährigen Restitutionsbericht und auf eine

 

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