Gemeinderat, 4. Sitzung vom 22.09.2025, Wörtliches Protokoll - Seite 4 von 34
Bevor wir zur Erledigung der Tagesordnung kommen, gebe ich gemäß § 15 Abs. 2 der Geschäftsordnung bekannt, dass von Gemeinderatsmitgliedern des Klubs der Wiener Freiheitlichen fünf, des Grünen Klubs im Rathaus acht und des ÖVP-Klubs der Bundeshauptstadt Wien 27 schriftliche Anfragen eingegangen sind.
Von den GRen Maximilian Krauss, Brucker, Bussek, Gudenus, Guggenberger, Guggenbichler, Kreutzinger, Lugner, Schmid, Schütz, Stadler, Stark und Stumpf wurde ein Ersuchen an den Stadtrechnungshof gemäß § 73f Abs. 1 der WStV betreffend "Gebarung öffentlicher Mittel sowie weiterer Förderungen durch die Stadt Wien trotz Exekutionstitel sowie Abrechnungsunklarheiten" eingebracht. Dieses Prüfersuchen wurde an den Stadtrechnungshof weitergeleitet.
Wir kommen nun zur Besprechung des Verlangens. Ich eröffne die Debatte. Zur Begründung hat sich Herr StR Peter Kraus zu Wort gemeldet. Ich erteile es ihm, wobei ich bemerke, dass seine Gesamtredezeit zehn Minuten beträgt. - Bitte schön.
StR Peter Kraus, MSc: Herr Vorsitzender, Herr Bürgermeister, liebe StadträtInnen, liebe Kolleginnen und Kollegen! "In Zeiten der Teuerung ist es wichtig, die Wienerinnen und Wiener zu entlasten. Deshalb bleibt der Preis des 365-EUR-Tickets der Wiener Linien 2025 und 2026 sicher bestehen." Dieses Zitat findet sich bis heute auf der Instagram-Seite des offiziellen Accounts von Bgm Ludwig. So hat das im ganzen Wahlkampf geklungen. So hat das bis zum Wahltag geklungen.
Jetzt, wenige Wochen später, ist dieses zentrale Versprechen gebrochen. Der politische Herbst startet heute mit unserem Sondergemeinderat, weil die rot-pinke Stadtregierung ziel- und planlos mit dem Vorschlaghammer wütet und die klimasozialen Grundpfeiler unserer Stadt zerstört, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Die Zerstörung der 365-EUR-Jahreskarte reiht sich in eine ganze Liste von Maßnahmen ein, die wir in den letzten Wochen gesehen haben und die zur Begründung dieses Sondergemeinderates dienen: die Kürzung bei armutsbetroffenen Kindern, die ursprünglich angedachte Streichung des Gratisjahrestickets für Blinde und sehbehinderte Menschen, bei der man mittlerweile wieder zurückrudern musste, die kolportierten Ausbauverspätungen bei der U5. Es ist eine ganze Liste an Dingen - fast jeden Tag ein neues Beispiel für ein rücksichtsloses und planloses Vorgehen dieser Stadtregierung, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ja, es ist vollkommen klar: Die budgetären Situationen sind nicht einfach. Die Wirtschaftslage ist nicht gut, nicht positiv. Das wirkt sich natürlich auf die Budgets aus. Die Inflation steigt wieder, die Arbeitslosenzahlen gehen nach oben. Es waren schon einfachere Zeiten für Wien. Es waren schon einfachere Zeiten für Österreich.
Gerade in solchen Zeiten gibt es aber natürlich unterschiedliche Wege, wie man damit umgeht. Der eine Weg wäre zu sagen: Genau in krisenhaften Zeiten schaut man darauf, dass die öffentliche Hand, der Staat, die öffentlichen Finanzen ausgleicht, damit eben gerade bei den Schwächsten nicht gespart wird, damit Investitionen in Öffis, in Kindergärten, in Schulen und in Bildungseinrichtungen eben nicht abgesagt und verschoben werden, weil sie eine wichtige Daseinsvorsorge sind und weil sie gleichzeitig Investitionen sind, die die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt unterstützen. Das wäre ein Wiener Weg, bei dem man in schwierigen Zeiten aufeinander schaut und für Gerechtigkeit kämpft. Die Stadtregierung hat sich aber genau für das Gegenteil entschieden: blind der Austerität zu folgen und mit dem Vorschlaghammer die Errungenschaften dieser Stadt zu zerstören. Das ist der falsche Weg, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
So richtig losgegangen ist es genau heute vor drei Wochen. Am 1. September wurde die Zerstörung der 365-EUR-Jahreskarte bekannt gegeben. 365 EUR für die Jahreskarte: Das ist oder war ein klimasoziales Versprechen in unserer Stadt, ein klimasoziales Herzstück Wiens. Entgegen allen Beteuerungen im Wahlkampf durch Bgm Ludwig hat die rot-pinke Stadtregierung dieses Ende jetzt offenbar beschlossen. Damit bricht die SPÖ nicht nur ein zentrales Wahlversprechen, das bis heute noch online zu finden ist, sondern verabschiedet sich auch von dem, was sie selbst im Wahlkampf als sozial und ökologisch richtig bezeichnet hat.
Im Ergebnis ist diese massive Verteuerung um über 100 EUR die Selbstaufgabe dieser Stadtregierung in Sachen Klimapolitik. Diese Verteuerung trifft vor allem die, die ohnehin wenig im Geldbörsel haben und die auf Öffis angewiesen sind, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Was gern vergessen wird - ich möchte jetzt kurz ins Jahr 2012 zurückgehen, als die Jahreskarte auf 365 EUR gesenkt wurde: Als sie damals eingeführt wurde, waren das auch budgetär schwere Zeiten. Das waren keine Zeiten, in denen Wien einen Budgetüberschuss hatte. Ganz im Gegenteil: Damals hatte Wien ein von der Opposition damals zu Recht und hart kritisiertes Budgetdefizit. Trotzdem hat sich die Stadtregierung damals entschlossen, die Öffi-Tarife zu senken, und das betriebswirtschaftlich auch sehr verantwortlich kalkuliert.
Denn die Ticketeinnahmen der Wiener Linien sind in den Jahren seit 2012 gestiegen. Die Tarifreform zur 365-EUR-Jahreskarte hat zu deutlichen Mehreinnahmen bei den Ticketerlösen der Wiener Linien geführt. Diese sind von 477 Millionen EUR im Jahr 2012, als die Tarifreform in Kraft getreten ist, auf 654 Millionen EUR gestiegen. Das ist ein Plus von ganzen 42,7 Prozent. Das heißt, die Einnahmen sind entlang der Inflation der letzten Jahre, die zusammengerechnet bei 43 Prozent liegt, gestiegen. Was heißt das? - Das heißt, die Öffi-Fahrgäste haben die Teuerung sozusagen bereits mitausgeglichen. Es ist vollkommen unverständlich, dass die Öffi-Fahrgäste jetzt für das Budgetloch der Stadt herhalten müssen, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich möchte kurz noch bei diesem Tarifaspekt bleiben. Die Stadtregierung riskiert jetzt nämlich auch, dass durch diese Preiserhöhung genau das Gegenteil von dem passiert, was wir die letzten Jahre gesehen haben, weil die JahreskartennutzerInnen jetzt nämlich genau überlegen,
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