Gemeinderat, 4. Sitzung vom 22.09.2025, Wörtliches Protokoll - Seite 18 von 34
gleichheit den Kindergarten beitragsfrei gemacht. Wir haben das immer so gesehen, dass das ein guter Schritt ist. Wir werden das immer so sehen, wir werden dafür kämpfen. Es ist extrem wichtig, die Bildungschancen vom Einkommen zu entkoppeln. Aus unserer Sicht soll nicht der Geldbeutel im Mittelpunkt stehen, sondern immer das Kind. Wenn ein Kind im Mittelpunkt steht, dann profitieren vor allem Kinder aus benachteiligten Familien. Sie erhalten dann die Möglichkeit, am Spracherwerb teilzuhaben, soziale Kompetenzen zu erwerben. Und auch eine Studie der WU von Fessler und Schneebaum zeigt, mehrjährige Kindergartenbesuche erhöhen den späteren Bildungserfolg und sind auch entscheidend für die Schullaufbahn. Das heißt, wem jedes Kind gleich viel wert ist, der muss auch jedem Kind die gleichen Chancen geben.
Jetzt ist im Wiener Bildungssystem aber natürlich besonders viel Luft bei der Sprachförderung. Wir reden ja auch immer wieder darüber, dass es Sprachförderkräfte am Standort braucht, die fix sind, und zwar an jedem Standort, der es braucht. Da ist wirklich viel Luft nach oben, das würden wir auch immer wieder so sagen. Aber stellen Sie sich einmal vor, wenn es den offenen Zugang im Kindergarten nicht mehr gäbe, wenn Kinder zu Hause sind und oft, so ehrlich muss man sein, keine sprachlichen Vorbilder mehr vorfinden, dann möchte ich mir nicht vorstellen, wie es dann aussieht. Wenn die schulische Situation in weiterer Folge dann noch schlimmer aussieht, wenn sich die Zahl der außerordentlichen SchülerInnen dann noch weiter erhöht, als es jetzt schon der Fall ist. Ich möchte mir das nicht vorstellen.
Es ist auch ein Integrationsthema. Im Kindergarten kommen Kinder zusammen, spielen Kinder unterschiedlicher Herkunft. Das ist auch ein Friedensprojekt, ein solidarisches Projekt und ein Projekt der Vielfalt und des Miteinanders. In diesem Sinne ist auch der Kindergarten Grundlage für ein gutes Miteinander in einer Metropole wie Wien. Ich hoffe, dass Sie das auch so sehen. (Beifall bei den GRÜNEN sowie von StRin Dr. Katarzyna Greco, MIEM und GR Harald Zierfuß.)
Ich möchte noch einen weiteren Punkt ansprechen, nämlich das Thema Frauen. Wieso ist der Kindergarten auch ein zutiefst frauenpolitisches Thema, oder umgekehrt, was bedeutet es in der Praxis, wenn man jetzt für einen Kindergartenplatz wieder bezahlen müsste? - Jede Familie, die aufs Geld schauen muss, und das sind viele Familien - nicht so wie wir hier herinnen, also wir sind es nicht, Frau Arapović, das kann ich Ihnen sicher sagen - und das wird tendenziell in Wien nicht weniger werden, wird sich natürlich in Zukunft die Frage stellen: Soll ich mein Kind in die Betreuung geben oder sollen wir es besser selbst betreuen? Und wer ist dieses Wir? - In den meisten Fällen sind es die Frauen. Die Frauen verdienen meistens weniger als die Männer und kümmern sich meistens um die Care-Arbeit. Sie wissen das, ich sage Ihnen da überhaupt nichts Neues. Sie leisten dann, wenn sie mehr zu Hause sind, noch einmal die doppelte Arbeit, betreuen die Kinder und den Haushalt parallel. Die Konsequenz ist, die Kinder sind weniger lang im Kindergarten, lernen weniger lang im Kindergarten. Die Frauen sind weniger lang in der Erwerbsarbeit, was zur Folge hat, dass sie natürlich weniger Zeiten haben, weniger Pensionen bekommen, natürlich viel stärker gefährdet sind, was Altersarmut betrifft, besonders Alleinerziehende. Das ist ein hoher Druck, der dann auf den Frauen lastet, das kann ich Ihnen sagen. Ich kenne auch viele Betroffene, die sich jetzt schon bei uns melden, weil sie Angst davor haben, dass der beitragsfreie Kindergarten fällt. Wir können Ihnen auch sagen, wir wollen das nicht in einem Wien von morgen. Wir wollen auf keinen Fall, dass diese Frauen in Stich gelassen werden. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Dann schauen wir dorthin, wo die Rechten regieren, in Oberösterreich. Die Arbeiterkammer hat dort erhoben, dass 42 Prozent der Frauen zwischen 18 und 35 Jahren mit den hohen Kosten für die Kinderbetreuung unzufrieden sind. Vielleicht möchte die dortige Regierung auch die Frauen vom Erwerbsleben fernhalten, das befürchte ich fast ein bissel. Mit so einer Politik wird das auch gelingen. Wir wollen das nicht. Wir sagen in Wien ganz klar: Nein. In Wien ist es nämlich so, dass der beitragsfreie Kindergarten in der Arbeitsmarktstudie als Meilenstein für die Vereinbarkeitspolitik gesehen wird. Dem schließen wir uns absolut an. Eine Subvention der Kinderbetreuungskosten führt nach der Arbeitsmarktstudie zu einem durchschnittlichen Anstieg der Frauenerwerbstätigkeit um 5 bis 11 Prozent. Jetzt haben wir aber das Problem, dass die Frauenerwerbstätigkeit in Wien sogar im Sinken ist. Ich möchte mir also auch in dem Bereich nicht vorstellen, was es bedeuten würde, wenn der beitragsfreie Kindergarten auch noch wegfällt. Ich frage Sie ernsthaft: Wollen wir das in einem feministischen Wien morgen? - Wir sagen ganz klar: Nein, wir wollen das nicht. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Manche würden vielleicht sagen - das hören wir auch schon -, vielleicht wäre eine soziale Staffelung der Beiträge ideal, weil sich Besserverdienende den Kindergarten natürlich auch besser leisten können. Fakt ist aber, dass eine Beitragsfreiheit die einfachste, die effektivste und unbürokratischste Maßnahme ist, um sicherzustellen, dass kein Kind aus finanziellen Gründen zurückfällt. Ich sage Ihnen, selbst moderate Beiträge sind für armutsgefährdete Familien eine reale Barriere. Eine soziale Staffelung ist auch nur vordergründig gerecht, denn in Wahrheit belastet auch diese die Frauen. Sie macht abhängig vom Einkommen des Partners, weil es natürlich dann eine Berechnung vom Familieneinkommen sein wird - und schafft bürokratische Hürden. Deshalb sagen wir ganz klar: Der beitragsfreie Kindergarten ist einfach, fair, stärkt die Gleichstellung, entlastet alle Frauen gleichermaßen und setzt ein Signal, dass Kinderbetreuung ein öffentliches Gut ist und kein Privatproblem der Mütter. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Und vielleicht auch noch ein wirtschaftliches Argument dafür: Der beitragsfreie Kindergarten fördert die Erwerbsarbeit vor allem von Frauen, sorgt dafür, dass mehr Menschen in das Sozialsystem einzahlen. Die Beiträge kommen natürlich den öffentlichen Finanzen zugute, sorgen für mehr junge Menschen im Bildungssystem und steigern den Bildungserfolg insgesamt. Das heißt, sparen beim Kindergarten, das mag auf den ersten Blick kurzfristig vielleicht Kosten reduzieren, hätte langfristig aber zur Folge,
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