Gemeinderat, 62. Sitzung vom 21.01.2025, Wörtliches Protokoll - Seite 77 von 106
Ich war ja bislang, sage ich, überrascht. Ganz kurz nur: Würde man das für 2025 prognostizierte Defizit für Wien auf den Rest Österreichs als Länder und Gemeinden umlegen, wären das 17 Milliarden EUR nur alleine, was Länder und Gemeinden an Verschuldung haben. Jetzt sind wir Gott sei Dank bei Ländern und Gemeinden der Größenordnung von 6 Milliarden und nicht mehr. Das ist ein bisschen ein Spielraum. Aber ich glaube, das muss man sich langsam, aber sicher bewusstmachen, weshalb es notwendig ist, in Verhandlungen zu treten.
Was unbedingt notwendig ist, ist endlich einmal das Einsehen und das Sicheingestehen, es geht nicht mehr allein. Wien ist nur deshalb nicht insolvent, da widerspreche ich, weil Wien natürlich nach wie vor kreditwürdig ist. Wien ist kreditwürdig, weil es Gott sei Dank Vermögen hat. Aber wenn wir da jetzt nicht gegensteuern, dann ist irgendwann einmal das Vermögen weg und die Zinsen haben einen Zuschlag von drei Prozent. Wollen Sie das? - Ich will das nicht. Wer braucht denn das, wenn wir 16 Milliarden EUR Schulden haben Ende nächsten Jahres, wir hätten dann 400 Millionen, 500 Millionen, 700 Millionen EUR Zinsen, das Doppelte des Kulturbudgets! Das ist es, worauf Ihre Politik hinsteuert, wenn Sie nicht beginnen, gegenzusteuern.
Was ich mir wünschen würde, ist eine klare Ansage von Ihnen, in welcher Art und Weise Sie sich sozial verträgliche Maßnahmen vorstellen, wie wir gemeinsam auf absehbare Zeit dieses Defizit wieder reduzieren können.
Wirtschaftswachstum: Wenn es hoffentlich relativ bald wiederkommt, wie sehr schlägt es sich auf Wien nieder? Bei einem Prozent Wirtschaftswachstum, wie viel wird das sein? Ich rede jetzt vom realen Wirtschaftswachstum, nicht vom nominellen, weil das die Inflation ist. Ein reales Wirtschaftswachstum von 5 Milliarden EUR bringt österreichweit ungefähr 1,25 Milliarden an Steuern, bringt Wien ungefähr 80 Millionen bis 90 Millionen EUR.
Die Mehreinnahmen auf Wiener Ebene durch Steuereinnahmen im jetzigen System werden also begrenzt sein, denn mehr als drei Prozent Wirtschaftswachstum werden wir nicht erreichen, dann sind wir bei 240 Millionen EUR. Gott sei Dank hat das noch ein bisschen einen anderen Effekt, wenn die Wirtschaft wächst, es heißt weniger Arbeitslosengeld, weniger Notstandshilfe, weniger Mindestsicherung, weniger Armut. Das reduziert in Wien den Aufwand noch einmal um gute 250 Millionen oder 300 Millionen EUR.
Aber das heißt, selbst ein Wirtschaftswachstum von drei Prozent hilft Wien alleine einmal von sich aus nur in der Größenordnung von 500, 600, 700 Millionen EUR. Es bleiben immer noch über 3 Milliarden EUR strukturelles Defizit, wo momentan nicht absehbar ist, wie wir das in den Griff bekommen können.
Ich glaube, es lohnt sich tatsächlich über Steuern nachzudenken, selbst wenn es nur die kleinen Steuern sind. Wie heißt das? Kleinvieh macht auch Mist. Selbstverständlich brauchen wir eine Leerstandsabgabe. Selbstverständlich brauchen wir eine Zweitwohnsitzabgabe, auch um Infrastruktur besser steuern zu können, denn das sind ja beides Einnahmen, die eigentlich darauf abzielen, dass nicht Infrastruktur, die relativ teuer ist, sinnlos gebaut werden muss, weil man selbstverständlich glaubt, dort, wo Wohnraum gebaut wird, braucht man auch die notwendige Infrastruktur an Schulen, an Kindergärten, an Parkanlagen, an Müllabfuhr, alles Mögliche. Das sind Sachen, die man besser planen kann, und das sind Steuern, die mehr dazu dienen, Infrastrukturplanung sicherzustellen und dadurch günstiger als Stadt anbieten und arbeiten zu können als in Wirklichkeit Geld irgendwelchen Menschen unbedingt wegnehmen zu wollen. Darum geht es gar nicht, aber man muss sich in Zeiten wie diesen überlegen, weshalb und warum man Steuern einzieht, und ich glaube, das wäre eine sehr notwendige und sehr sinnvolle Möglichkeit, die Infrastruktur der Stadt Wien deutlich günstiger anbieten zu können. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Dann brauchen wir mit Sicherheit Gespräche über die Grundsteuer. Wir reden darüber schon seit 100 Jahren. Naja, 100 Jahre ist jetzt übertrieben, aber die letzte Neufestsetzung der Einheitswerte ist gute 50 Jahre her. In der Zwischenzeit hat Grund und Boden seinen Wert wahrscheinlich vervierzigfacht. Wenn ich mir manche landwirtschaftlichen Grundstücke im 22. Bezirk anschaue, dann haben die den Wert vertausendfacht, das war vor ungefähr 50 Jahren 1 EUR wert, jetzt ist es 1 000 EUR wert. Davon profitieren in der Regel immer nur Einzelpersonen und nie die Öffentlichkeit. Das heißt, werte Stadtregierung, bitte gesteht euch endlich einmal ein, dass es so nicht funktionieren kann. (Zwischenruf bei der FPÖ: Na, Wien ...)
Und weil der Kollege Ornig das vorher angesprochen hat - ich finde es wirklich sehr angenehm und sehr nett, dass wir im Finanzausschuss darüber geredet haben, aber ich kann mich an die Gemeinderatssitzung vorher erinnern, wo ich den Kollegen Hanke genau mit den 3,8 Milliarden EUR konfrontiert habe. Denn so schwer ist das auch wieder nicht. Es kann jeder von Ihnen mitrechnen, genauso wie ich es tue, sich die Ausschussunterlagen anschauen, Überschreitungsanträge anschauen. Überall dort, wo Überschreitungsanträge durch Fremdmittel finanziert werden, heißt das in der Regel, es ist kein Geld mehr da, man braucht mehr. So einfach ist das, und dann kann man relativ schnell rechnen. Das hätte im Übrigen auch auf Bundesebene gegolten. Wenn man sich die monatlichen Zahlen, die vom Finanzministerium dargelegt werden, einfach anschaut, kriegt man immer einen hervorragenden Überblick über die Budgetpolitik. (Zwischenruf von GR Mag. Dietbert Kowarik.)
In diesem Sinne, sehr geehrte Damen und Herren und vor allem liebe Sozialdemokratie, bitte liefert einen Plan, und wenn es geht, irgendwie vor der Wahl. - Ich danke sehr. (Beifall bei den GRÜNEN und von GR Mag. Dietbert Kowarik.)
Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR Mag. Juraczka, und ich erteile es ihm. - Bitte, Herr Gemeinderat.
GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP): Sehr geehrte Frau Vorsitzende, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Es war durchaus ein spannender Tag heute. Ich freue mich auch, dass wieder ein bisschen Leidenschaft in
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