Gemeinderat, 62. Sitzung vom 21.01.2025, Wörtliches Protokoll - Seite 78 von 106
diese heiligen Hallen eingekehrt ist. Erlauben Sie, dass ich zu Beginn meiner Ausführungen direkt auf meinen Vorredner eingehe, denn bei einem muss ich ihm absolut Recht geben: Es hilft halt nichts, ein Riesenbudgetloch von 3,8 Milliarden EUR mit Keckheit wegkaspern zu wollen. Bei aller Wertschätzung, man kann natürlich darüber blödeln, wo genau Birmingham liegt, ich wünsche euch dabei viel Vergnügen, es gibt eigene Gesellschaftsspiele, wo man Städte zuordnen kann, wo sie dann genau liegen, nur das ändert nichts am Problem, dass Wien in der Tat ein budgetäres Thema hat, unabhängig davon, wie es in anderen Haushalten aussieht.
Um bei meinem Vorredner zu bleiben, ich freue mich auch, dass es scheinbar breite Übereinstimmung gibt, dass wir sehr rasch wieder Wachstum brauchen, nicht, weil das jetzt eine besonders clevere Feststellung ist, nur weil ich weiß, dass es gerade bei den GRÜNEN nicht immer so war, dass man Wachstum für wichtig und wirtschaftlich erstrebenswert wahrgenommen hat. (Zwischenruf von GR Dr. Markus Wölbitsch, MIM. - GR Dipl.-Ing. Martin Margulies: Die Klimaförderungen sind super gewesen!) Umso besser, wenn es da wieder Übereinstimmung gibt, freut es mich und dann werde ich das nur für die Nachwelt festhalten, dass wir Wachstum brauchen.
Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, bevor ich auf die einzelnen Zahlen eingehe - der Nachredner aus meiner Fraktion, Kollege Gstöttner, wird das dann noch viel detaillierter tun -, dass ich die gesamte Situation des Neuwahlantrags, der heute von der Regierungsfraktion eingebracht und dann von uns allen einstimmig beschlossen wurde, ein bisschen Revue passieren lasse. Denn Budgetpolitik ist natürlich immer Querschnittspolitik und betrifft damit alle Bereiche der Politik.
Wann werden für gewöhnlich vorgezogene Neuwahlen ausgerufen? Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Eine davon ist, dass eine Regierung keine Mehrheit mehr hat, das kann einmal passieren, wenn man sich in einer Koalition über Sachthemen zerstreitet oder Ähnliches. Wenn der Herr Bürgermeister sich über seine Schulter geblickt hat, konnte er aber sicher sein, der Herr Wiederkehr war brav an seiner Seite, da hat keine Gefahr gedroht.
Wenn eine Mehrheit aber vorhanden ist und man geht trotzdem in frühzeitige Wahlen, dann - und das meine ich jetzt gar nicht als Vorwurf, das ist politische Realität - wohl meistens deshalb, weil sich Regierende daraus einen Vorteil erwarten. Gut, soll sein, die Realität zeigt uns, dass sehr oft die, die die Wahlen vorziehen, durchaus bestraft werden. Letztes Jahr haben wir das in Frankreich gesehen, als nach den Europa-Wahlen Macron Wahlen vorgezogen hat, es hat ihm nicht gutgetan. Wir werden sehen, ob sich die Sozialdemokratie auch in Wien überdribbelt hat, die Zukunft wird es weisen, wie auch immer.
Aber was mich ein bisschen irritiert hat, war, dass man nicht einmal versucht hat, wirklich eine tiefgründige Erklärung zu liefern. Es hat auf X, ehemals Twitter, ein Video des Herrn Bürgermeisters gegeben und ich zitiere wörtlich: „Wir befinden uns in einer Zeitenwende, die Zweite Republik steht am Scheideweg.“ - Das sind sehr pathetische, aber auch ein bisschen nebulose Worte. Es zeigt aber deutlich, dass man ganz offensichtlich Fronten aufbauen will: wir gegen die - nichts von dem so oft zitierten Wiener Miteinander. Bgm Ludwig will Fronten aufbauen, will außen abgrenzen: Wir gegen die. Soweit zu einer eigentlich nicht sehr staatsmännischen Wahlkampfstrategie, aber wie gesagt, das muss jeder für sich entscheiden.
Aber gibt es außer dieser Taktik vielleicht noch weitere Gründe? Das ist ja heute auch schon mehrfach angesprochen worden. Ich denke, Bgm Ludwig will in diesem Wien-Wahlkampf so ziemlich über alles reden, nur über eines nicht, über Wien. Meine Damen und Herren, das ist schon sehr eigentümlich und deshalb sollten wir den Blick noch viel genauer auf das lenken, was in dieser Stadt in den letzten vier Jahren passiert ist.
Ein Blick auf die Erfolgsbilanz dieser Fortschrittskoalition, wie sie genannt wurde, zeigt uns relativ rasch eines, die Erfolgsbilanz hat einen kleinen Haken. Sie hat nämlich keine Erfolge.
Meine Damen und Herren, wenn mich Journalisten beispielsweise fragen: Du, tut sich in Wien eigentlich gar nichts mehr? Man muss ja nicht unbedingt gut finden, was der Michael Häupl früher gemacht hat, aber da war ja wenigstens noch was los. (Heiterkeit bei GR Dr. Markus Wölbitsch, MIM.) Dann muss ich ehrlich sagen, ja, früher ist leidenschaftlich gestritten und diskutiert worden, aber über Wien-Themen. Gott sei Dank, dazu sind wir ja auch gewählt, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Heute, zu Beginn des Jahres 2025 und immerhin schon sieben Jahre nach Amtsantritt von Bgm Michael Ludwig und seinem neuen Regierungsteam muss man eines ganz offen feststellen, Michael Ludwig ist ein eloquenter, intelligenter Verwalter. Gestalter ist er ganz sicher keiner, meine Damen und Herren, und er hat eine panische Angst, dass Wien-Themen zum Thema dieses Wahlkampfes werden. (Beifall bei der ÖVP.)
Das ist auch nachvollziehbar, wenn man mit dem Fingernagel ein bisschen den Lack dieser Fortschrittskoalition, wie sie sich nennt, abreibt. Schauen wir es uns doch an. In der Kultur macht die Frau Stadträtin - sie ist jetzt leider nicht mehr da - hauptsächlich mit Kulturkampf von sich reden. Wir reden über Antisemitismus bei Lueger, haben aber gleichzeitig ein Programm wie bei den Wiener Festwochen. Bei Sobieski reden wir nicht viel darüber, das heißt, wir führen bewusst oder unbewusst - ich fürchte durchaus bewusst - einen Kulturkampf in diesem Ressort.
Schauen wir uns das Verkehrsressort an. Da haben viele Wienerinnen und Wiener nach zehn Jahren Rot-Gün geglaubt, aufatmen zu können. Die Realität sieht so aus, dass Autofahrerschikanen weiter an der Tagesordnung sind und Verbieten und Verteuern nach wie vor das Verkehrsressort in dieser Stadt leiten.
Im Gesundheits- und Sozialbereich: Es ist schon gesagt worden, das Thema Mindestsicherung wird auch morgen hinlänglich diskutiert werden. Dass da nicht alles in Ordnung ist, hat jeder in dieser Stadt mitbekommen bis auf StR Hacker. Der steht wirklich vor den Menschen in dieser Stadt und sagt: Na, das geht doch gar nicht, dass man bitte Kindern die Kleidung von den Geschwistern weitergibt, verteidigt aber gleichzeitig, dass Migranten, Asyl
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