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Gemeinderat, 64. Sitzung vom 19.02.2025, Wörtliches Protokoll  -  Seite 34 von 80

 

klare Bekenntnis zur dualen Ausbildung. Es kam natürlich all das, was wir in Wien machen, und ich erspare Ihnen jetzt die Aufzählung aller Maßnahmen, denn das haben Herr Kollege Konrad und Herr Kollege Schulz schon mit Bravour sozusagen gelöst. Trotz alledem ist es natürlich nicht Milch und Honig, das müssen wir ganz offen sagen. Wir haben in dieser Stadt, wie österreichweit, aber in dieser Stadt besonders, extreme Herausforderungen, weil - und das weiß ich auch, jetzt die Seite wechselnd, denn ich bilde mittlerweile in meinem Betrieb selber Lehrlinge aus, und weiß das natürlich, wie man so schön unter Unternehmern sagt -: was da daherkommt! Und dann wird immer nach Schuldigen gesucht. Mittlerweile gibt es ja eigene Geschäftsmodelle, bei denen Menschen Messen erfinden, die sagen: Nein, liebe Arbeitgeber, bildet keine Lehrlinge aus, die quasi direkt aus dem Polytechnikum oder aus der ÜBA kommen. Wir spezialisieren uns auf HTL-Abbrecher, auf AHS-Abbrecher. Die sind doch schon viel weiter und ich muss mich nicht mit diesen anderen da beschäftigen! - Das heißt, dieses Ringen um die Arbeitskräfte, in die ich als Arbeitgeber so wenig wie möglich an Grundkompetenzen nachrüsten muss, ist ein riesiges. Ich finde diesen Zugang extrem falsch. Ich finde ihn falsch, weil ich finde, wir als Arbeitgeber haben eine Verantwortung, junge Menschen hier auch an der Hand zu nehmen und weiterhin in deren Ausbildung zu investieren. Heute haben ein paar kritischen Stimmen gesagt, das Schulsystem ist gescheitert, die polytechnische Ausbildung ist gescheitert und die Berufsschule ist sowieso eine Katastrophe. - Ja, das mag in manchen Bereichen vielleicht so sein, Status quo jetzt, Status quo aber, glaube ich, auch schon vor 20 Jahren. Aber die Menschen finden immer ihren Weg, und jemand, der einen Beruf erlernen will und der den Willen hat, der findet auch den Weg, selbst wenn es davor Defizite gibt. (GRin Dr. Jennifer Kickert: Ja, das stimmt!)

 

Wer aber angehalten ist, darüber auch nachzudenken, das sind die Arbeitgeber, weil: Ein Lehrling ist keine billige Arbeitskraft. Das wissen viele nicht und das verstehen viele nicht oder sehen, leider Gottes, manche Menschen aus der Wirtschaft immer noch so. Ein Lehrling ist eine Investition in mein Unternehmen und in die Zukunft meines Unternehmens. Schauen wir uns einmal die Dropoutraten an: Ich investiere als Arbeitgeber in einen Lehrling, drei Jahre, dreieinhalb Jahre, je nachdem, wie lange die Lehrzeit ist, und die meisten gehen. Und alle sagen: Das gibt es doch nicht, jetzt habe ich dreieinhalb Jahre in diese Person investiert, der hat bei mir lernen können, und dann geht er! - Da sage ich, na ja, dann habe ich etwas falsch gemacht. Dann muss ich als Arbeitgeber etwas falsch gemacht haben und dann ist vielleicht auch die Erwartungshaltung der Arbeitnehmer falsch.

 

Ich bin das beste Beispiel dafür: Als ich mit meiner Lehre fertig war, wollte ich mehr Geld von meinem Arbeitgeber. Mein Arbeitgeber hat Nein gesagt, und dann habe ich geglaubt, ich bin ganz schlau und gehe nach Wien, denn dort verdiene ich um 2 000 EUR mehr - Entschuldigung, es waren noch Schilling-Zeiten -, um 2 000 Schilling mehr. Ich habe geglaubt, ich bin überhaupt der Beste und in Wien mache ich jetzt die große Karriere - die mir Gott sei Dank gelungen ist -, nur damals nicht bedenkend, dass die Lebenskosten in Wien ein bisschen andere sind als in der Steiermark. Ich habe dann gemerkt, dass das bisschen mehr Geld, das ich hier gekriegt habe, mich vor ganz andere Herausforderungen gestellt hat.

 

Jetzt komme ich zum Thema: Wir müssen schauen, dass wir den Lehrberuf trotz Bekenntnis zum dualen System, trotz all dem, was wir machen, weiterhin attraktivieren. Man muss die Meisterprüfung massiv aufwerten, man muss auch die Lehrabschlussprüfung massiv aufwerten. Und wie geht das? - Natürlich mit Bildung. Ich könnte jetzt auch aufzählen, wo wir weltweit die besten Lehrlinge bei allen Wettbewerben haben und, und, und. Das sind die Personen, das ist nicht das System. Wir dürfen nicht den Fehler machen, uns auf ein System zu verlassen, in dem die Personen die Leistungen erbringen, sondern wir müssen das System jederzeit hinterfragen, und zwar positiv hinterfragen und nicht mit Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Klassenkampfdiskussionen.

 

Wir müssen uns gemeinsam überlegen, wie wir die Fachkräfte der Zukunft schaffen. Das Fachkräftezentrum ist ein enorm wichtiger Schritt in diese Richtung, denn da werden all diese Stellen gebündelt und vernetzt. Aber es muss natürlich noch ins Leben kommen. Ich hoffe, es kommt ins Leben. Ich erinnere daran, dass wir uns als Stadtregierung enorme Ziele, enorm ambitionierte Ziele gesetzt haben, wie wir bei der Lehre in Wien etwas bewirken. Die Förderungen wurden aufgezählt und so weiter. Es wurde auch klar - tatsächlich hat das noch niemand gesagt -, dass wir natürlich auch in der ÜBA unsere Reformen brauchen. Die ÜBA ist wichtig, keine Frage, das kommt vielleicht eh noch, aber auch hier müssen wir schneller reagieren und sozusagen auf den Markt, aber auf den Arbeitsmarkt, eingehen: Wo werden Personen gesucht? Wie lange dauert es zum Beispiel, einen neuen Lehrberuf zu etablieren?

 

Ich schaue jetzt bewusst in die Richtung der Wirtschaftskammer, weil wir es wissen: Es dauert oft bis zu zwei Jahre, wenn jemand, eine Fachgruppe oder eine Sparte, die Idee hat, wir bräuchten da ein ganz neues Lehrlingsbild, bis das dann tatsächlich umgesetzt wird; das dauert extrem lang. Da müssen wir schneller werden, da müssen wir besser werden; und all das mit einer funktionierenden Wirtschaft - und auf die brauche ich jetzt gar nicht einzugehen, weil ich weiß, dass wir auch in der Wirtschaft schwierige Rahmenbedingungen haben. Ich erinnere noch einmal, diese Megaberufsschule, wie ich sie nenne, wird die Menschen ausbilden. Es wird aber nicht so sein, dass Menschen dort hinkommen, dann alles diese Schule lösen wird und danach nur top, top, top Arbeitskräfte, Führungskräfte, was auch immer rauskommen. Das ist nicht so, das geht sich nicht aus. Wir als Stadt Wien werden aber unser Bestes geben.

 

Ich finde diese Berufsschule erst einmal auf Grund der Dimensionen, auf Grund dessen, was sie leisten wird, schon großartig, aber ich sehe es auch ganz klar als Denkmal für diese Stadt, dass wir jetzt hier laufend und ständig über die Lehre nachdenken und darüber,

 

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