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Gemeinderat, 64. Sitzung vom 19.02.2025, Wörtliches Protokoll  -  Seite 52 von 80

 

weitergegeben werden. Elternteil zu sein ist eine der verantwortungsvollsten Aufgaben, die ein Mensch übernehmen kann. Erziehung und Begleitung eines Kindes erfordern nicht nur Liebe und Fürsorge, sondern auch Wissen, Kompetenz und die Fähigkeit, mit den unterschiedlichsten Herausforderungen des Alltags umzugehen.

 

Eine gute Erziehung ist jedoch nicht nur eine private Angelegenheit, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Wir wissen: Die Familie ist das Rückgrat und die Basis der Gesellschaft. Wie das Sprichwort schon sagt: Um ein Kind aufzuziehen, braucht es ein ganzes Dorf.

 

Daher sind Bildung und Erziehung nicht nur Sache der Schule, sondern auch der Eltern. Viele Familien wünschen sich Unterstützung bei diesen herausfordernden Aufgaben, scheitern aber leider oft an der Zeit oder auch an den finanziellen Mitteln, um regelmäßig Hilfe in Anspruch nehmen zu können.

 

Sehr geehrter Herr Bildungsstadtrat, in den letzten Jahren habe ich durch meine politische Funktion hier als Kinder- und Familiensprecherin ein großes Netzwerk mit unterschiedlichen Institutionen, Vereinen, Lobbys sowie Expertinnen und Experten in Wien aufgebaut. Alle haben ein Ziel: Sie arbeiten für Kinder und Familien in Wien.

 

Ich habe genau zugehört und hier auch immer wieder Anträge eingebracht. Ich begleite knapp 95 Stakeholder regelmäßig politisch und pädagogisch in diesem Bereich. Wissen Sie, das Spektrum an familiären Herausforderungen ist in den letzten Jahren überdimensional gewachsen. Ich kann Ihnen sagen: Am Ende jedes Gesprächs standen dann ein tiefes Seufzen und die übereinstimmende Gewissheit im Raum, dass wir unsere Familien stärken müssen. Denn nur gut unterstützte Eltern sind in der Lage, ihre Kinder bestmöglich zu begleiten.

 

Deshalb ist es jetzt an der Zeit, die Elternsäule innerhalb der Gesellschaft massiv aufzubauen, um zusätzliche Familiencoachings attraktiv anzubieten. Um dieses Ziel gemeinsam zu schaffen, möchte ich einen Antrag zur Aufwertung und Weiterentwicklung des Eltern-Kind-Passes zum Wiener Familienführerschein einbringen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Derzeit deckt der Eltern-Kind-Pass ausschließlich die Zeit von der Schwangerschaft bis zum fünften Lebensjahr ab und dient hauptsächlich der Gesundheitsvorsorge des ungeborenen Kindes sowie jener der Mutter. Der Wiener Familienführerschein soll aber zukünftig Eltern mit Kindern im Alter von 0 bis 18 Jahren in allen Lebenslagen zur Seite stehen.

 

Neben den Gesundheitsuntersuchungen sollen vor allem Kurse und Onlinelehrinhalte angeboten werden, um so zielgerichtet und individuell bei der Erziehung zu unterstützen. Der Wiener Familienführerschein soll Eltern Werkzeuge in die Hand geben, um den Alltag besser zu bewältigen, um langfristig Frustration und Überforderung zu minimieren beziehungsweise vorzubeugen.

 

Neben theoretischem Wissen zu Themen wie Bindung, kindliche Entwicklung, Erziehungsmethoden und Konfliktlösung sollen auch praktische Inhalte vermittelt werden, etwa zur Kommunikation in der Familie oder im Umgang mit Stress. Ziel soll es auch sein, dass mit diesem Angebot auch Väter stärker in die Erziehung mit eingebunden werden, zum Beispiel durch spezifische Module. Auch sie sollen damit Rückhalt und Stärkung erfahren. Ich denke, dass man auch da den Fokus auf eine fair aufgeteilte Care-Arbeit legen kann.

 

Elternbildungsseminare können in erster Linie über die Paar- und Familienberatungsstellen der Stadt Wien, aber darüber hinaus auch über zertifizierte Anbieter absolviert werden. Um dabei ein Optimum zu erzielen, spreche ich mich für ein Expertengremium aus, welches die Angebote laufend überprüft. Ziel ist somit die Schaffung einer einheitlichen wienweiten Plattform für Inhalte und Kursangebote, niederschwellig, barrierefrei sowie kostengünstig oder kostenfrei. Eltern sollen mit diesem Tool nicht bevormundet, sondern vor allem unterstützt werden. Im Vordergrund steht immer das Wohl des Kindes.

 

Um altersadäquat und zielgerichtet Themen aufgreifen zu können, soll der Familienführerschein in fünf Altersstufen aufgeteilt werden: pränatal bis zum dritten Lebensjahr, 3 bis 6 Jahre, 6 bis 10 Jahre, 10 bis 14 Jahre und 14 bis 18 Jahre.

 

Sehr geehrter Herr Bildungsstadtrat, ich möchte Ihnen nun einen groben Überblick über mögliche Themenbereiche geben, die der Familienführerschein abdecken kann: prä- und postnatale Herausforderungen und Veränderungen, Ernährung, Bewegung, Sprachstandsfeststellung, Gesundheitsförderung, Umgang mit Behinderungen, Vorbereitung auf den Kindergarten und die Schule, Kinderschutz, Gewaltschutz, Bräuche und Kultur, Tagesablauf und Struktur, Gesundheitsförderung, Sprachförderung, Schulalltag, Umgang mit Noten, Schulwechsel, Cyberschutz, nebenschulische Interessen, Sport, Vorpubertät, Pubertät, erste Verliebtheit, Sexualität, Mobbing, Umgang mit digitalen Medien, Social Media, psychische Gewalt, Demokratiebildung, Kriege und Umwelt, Berufswahl, erste Wohnung, Steuern, Finanzbildung, Bewerbungsunterlagen, Drogen und Missbrauch, Suizid, Terror, Scheidung, Tod, Trauer und Radikalisierung. Das alles sind Themenbereiche, die ich gemeinsam mit den Stakeholdern ausgearbeitet habe, um Familien effektiv zu unterstützen. (Beifall bei der ÖVP.)

 

Sagen wir einmal so: Das Schöne an diesem Wiener Familienführerschein ist, dass er jederzeit ausbaufähig ist und sich dann natürlich auch an die neuen Herausforderungen im Alltag anpassen kann. Der Wiener Familienführerschein soll Eltern motivieren und ein nützlicher Begleiter im Alltag sein.

 

Um eine breite Teilnahme garantieren zu können, braucht es auch Anreize. Dafür können zum Beispiel finanzielle Zuschüsse, Bonusleistungen oder Vergünstigungen bei städtischen Angeboten geschaffen werden. Die Teilnahme an den Modulen des Wiener Familienführerscheins soll Eltern nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch den Austausch mit Fachkräften und anderen Eltern ermöglichen, um so langfristig eine stärkere Unterstützungskultur zu etablieren.

 

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