Gemeinderat, 65. Sitzung vom 07.03.2025, Wörtliches Protokoll - Seite 17 von 27
Gehen wir noch einmal ein paar Schritte zurück. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Über die Lobauautobahn wird seit zwei Jahrzehnten gestritten, seit zwei Jahrzehnten diskutiert. Sie wurde bekämpft, es wurde dagegen protestiert, und dann wurde sie dank Klimaschutzministerin Leonore Gewessler endlich abgesagt. (Bgm Dr. Michael Ludwig: Nein, die kann man gar nicht absagen!) Ganz aktuell haben wir vor einigen Wochen die Strategische Prüfung Verkehr gesehen, die unter Einbeziehung von vielen Expertinnen und Experten, von vielen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein ganz eindeutiges Ergebnis gebracht hat: Die Lobauautobahn ist die schlechteste aller Alternativen, die wir haben, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Entgegen jeden Wissens, entgegen jeder Evidenz, entgegen jeder Wissenschaftlichkeit hält diese Regierung an diesem fossilen Milliardengrab einfach fest. 6 Milliarden EUR für ein Loch unter einem Naturschutzgebiet, 6 Milliarden EUR bei einem Budget, bei dem wir doch gerade um jeden Euro kämpfen. Um jeden Euro kämpfen wir gerade. Wir schauen uns alles ganz genau an - und dann graben wir ein 6-Milliarden-EUR-Grab unter der Lobau. Sollte dieses Projekt wirklich kommen, sollte es durchgeboxt werden, werden unsere Kinder und Kindeskinder uns jedenfalls noch fragen, was uns da geritten hat, mitten durch ein Naturschutzgebiet eine Betonspur zu planieren.
Ich frage mich schon, warum das jetzt Priorität haben soll, wenn uns das Geld überall fehlt, bei der Gesundheit, bei der Bildung, bei der Pflege, beim Sozialen. Ich frage mich auch, wie Infrastrukturminister Peter Hanke und Finanzminister Marterbauer, der bekannt dafür ist, sehr gut zu wissen, was Zukunftsinvestitionen sind und was nicht, das erklären werden. Noch einmal, wir haben es schwarz auf weiß: Die Lobauautobahn ist die schlechteste aller Alternativen. Sie ist ein totes Pferd und ein sehr bekanntes Sprichwort sagt, ein totes Pferd soll man nicht reiten, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Leider ist da auch auf die NEOS kein Verlass, dabei haben doch die NEOS die Absage des Lobautunnels vor nicht allzu langer Zeit noch begrüßt. Bettina Emmerling ist jetzt nicht mehr im Raum, aber die neue Vizebürgermeisterin von den NEOS hat heute auch gesagt, das Klimathema ist ihr Herzensthema, es liegt in ihrer DNA. Sie hat 2021 noch bejubelt, dass die Absage des Lobautunnels die richtige Entscheidung für den Klimaschutz sei. Jetzt aber haben sich anscheinend die Betonierer auf allen Seiten widerstandslos durchgesetzt. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich bleibe gleich bei den NEOS. Kollegin Bakos und auch Kollegin Emmerling haben wortreich die vielen Errungenschaften bei der Bildung aufgezählt. Aber ganz ehrlich, dass Christoph Wiederkehr nun als neuer Bildungsminister in den Bund geht, lässt gerade in Wien viele die Stirn runzeln, und ich kann das, offen gesagt, auch sehr, sehr gut verstehen. Christoph Wiederkehr hinterlässt in Wien eine handfeste Bildungskrise. Anders kann man das nicht sagen, angesichts der himmelschreienden Probleme von Lehrerinnen und Lehrern, von ElementarpädagogInnen, von Eltern und Kindern in Wien. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Sie kennen die Zahlen. Sie haben sie heute nicht gesagt, aber Sie kennen die Zahlen: 50 Prozent der Erstklässler in den Wiener Volksschulen spricht nicht ausreichend Deutsch, um dem Unterricht folgen zu können. 80 Prozent davon waren aber schon mindestens zwei Jahre in einem Wiener Kindergarten. Also was ist das? - Es ist ein Systemversagen in der Deutschförderung, sehr geehrte Damen und Herren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Sie haben davon gesprochen, dass die Schule ums Eck die beste Schule für alle Kinder und Eltern sein soll. Das wollen wir auch, aber Fakt ist, nach fünf Jahren NEOS-Zuständigkeit für den Bildungsbereich ist es nicht so. Die Kinder und die Eltern können sich nicht darauf verlassen, dass die Volksschule ums Eck die beste Schule ist. Es gibt miserable Rahmenbedingungen in der Elementarpädagogik. Sprechen Sie mit Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen, die sind am Anschlag. Sie sagen, wir wollen unseren Job gut machen können, aber wir können das nicht.
Es gibt Klassenräume ohne Lehrpersonal, es gibt immer noch viel zu wenig SchulsozialarbeiterInnen. In der Volksschule meiner Tochter wartet man seit sieben Jahren auf eine Schulsozialarbeiterin und es gibt keine Erklärung, warum keine kommt. Das ist einfach viel zu wenig. Diese Liste der Versäumnisse könnte ich jetzt ebenso lange aufzählen, wie Sie das vorher gemacht haben, aber wir müssen nach fast fünf Jahren Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr leider festhalten: Ein Kind, das heute in die Schule geht, hat nicht mehr Chancen als vor fünf Jahren. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Eine andere Kuriosität ist, dass Christoph Wiederkehr jetzt den Ministerjob quasi nebenbei machen will, neben seiner Rolle als Spitzenkandidat für die Wien-Wahl. Ich finde das tatsächlich einigermaßen kurios, auch deshalb - sorry, liebe NEOS, auch hier schafft der Blick ins Archiv Klarheit -, weil es gerade die NEOS waren, die Gernot Blümel, dem damaligen ÖVP-Finanzminister und ÖVP-Spitzenkandidat vorgeworfen haben, er wäre Teilzeitminister. Jetzt macht Christoph Wiederkehr anscheinend als neuer Bildungsteilzeitminister genau das Gleiche. (GRin Dipl.-Ing. Selma Arapović: Mit einem nicht amtsführenden Stadtrat geht sich das gut aus!) Das ist wirklich ziemlich schwach, liebe NEOS. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Was zumindest wegfällt, ist eine Ausrede, die wir hier immer wieder gehört haben, nämlich, dass der Bund schuld ist. Jetzt wird diese Ausrede nicht mehr gelten. Wir sind jedenfalls sehr gespannt. Wir werden Ihre Arbeit weiterhin genau beobachten und einordnen. So viel ist sicher. Trotz alledem und abschließend wünsche ich vor allem der neuen Vizebürgermeisterin und dem neuen Stadtrat alles Gute in ihren neuen Rollen.
Ich schließe aber mit Blick auf die Bildungskrise in Wien mit einem wirklich eindringlichen Appell an Bundesminister Christoph Wiederkehr: Herr Wiederkehr, seien Sie mutig, schauen Sie gut auf die erschöpften Elementarpädagoginnen und Elementarpädagogen, schauen Sie gut auf die Lehrerinnen und Lehrer, und
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