«  1  »

 

Gemeinderat, 66. Sitzung vom 26.03.2025, Wörtliches Protokoll  -  Seite 21 von 73

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk: Als Nächster zum Wort gemeldet ist Herr GR Florianschütz und ich erteile es ihm. - Bitte, Herr Gemeinderat.

 

10.46.57

GR Peter Florianschütz, MA, MLS (SPÖ)|: Frau Vorsitzende! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Galerie und via Livestream!

 

Wir sind zum gefühlt tausendsten Mal in der Diskussion zum Thema politischer Islam. Normalerweise diskutieren wir das an der Oberfläche. Lassen Sie mich deshalb heute einen grundsätzlichen Gedankengang einbringen. Was ist das, der politische Islam? Wie definiert sich denn der politische Islam? Offensichtlich handelt es sich erstens um eine Konstruktion einer Ideologie, einer totalen Ideologie übrigens und zweitens gibt es ein paar Kriterien, nach denen man politischen Islam definieren kann.

 

Wenn heute von einigen meiner Vorrednerinnen Besorgnis - ich rechne das jetzt einmal in diese Kategorie - geäußert wurde, dann verstehe ich das. Es gibt durchaus Tendenzen, die besorgniserregend sind. Es ist seriös, diese anzusprechen und diese seriöse Diskussion sollten wir führen. Dazu ein Gedankengang: Der politische Islam zeichnet sich durch eine Struktur von Herrschaft einer Religion aus und einer Nichttrennung zwischen Religion und Staat. Das ist ein Wesen des politischen Islams. Zweitens zeichnet er sich dadurch aus, dass er von der Regierungsform her in Richtung eines Kalifats als Regierungssystem angeht und Schariaregeln als die allein gültigen Rechtsregeln vorsieht. Das sollten die Dinge sein, an denen wir messen.

 

Reden wir von Gruppierungen oder Einzelpersonen, die unbedingt das Schariarecht einfordern und als Regierung scheinbar das Kalifat, dann können wir sagen, das ist eine islamistische Gruppe. Gruppen, die das nicht tun oder nicht in dem Ausmaß tun, muss man dann graduell beobachten, aber in Bausch und Bogen kann man das so pauschal nicht sagen. Ich sage das deshalb, weil man mit Zuschreibungen vorsichtig sein muss, meine Damen und Herren. (Beifall von GR Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi.)

 

Die abrahamitischen Religionen - wenn wir immer vom christlich-jüdischen Abendland reden, gehören die ja da dazu - sind alle, das ist jetzt nicht böse gemeint, totale Ideologien im Sinne von Hannah Arendt, die dazu ein schönes Buch geschrieben hat: „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“. Die Elemente totaler Herrschaft beschreibt die Philosophin dahingehend, dass sie sagt, totale Ideologie ist allerklärend, erfahrungsunabhängig und in sich deduktiv logisch. Das ist die Konstruktion aller drei abrahamitischen Religionen und das ist auch ihre Schwäche, meine Damen und Herren.

 

Das heißt jetzt noch nicht, vorsichtig ausgedrückt, dass man deswegen jede dieser Religionen als Konstruktion verurteilen muss, aber man muss sie realistisch sehen. Wurscht, welcher Pfarrer es ist, er ist getragen vom Gedankengang, dass er - in der Regel, er - Recht hat und die anderen sich irren. Das hat viel mit totaler Ideologie zu tun und passt wenig in eine plurale, offene Gesellschaft. Das sollte man auch so sehen, so verstehe ich die Sorge. (GRin Mag. Caroline Hungerländer: Der Unterschied ist, zwinge ich es jemandem auf oder zwinge ich es nicht auf!)

 

Nein, nein, dazu komme ich, Frau Abgeordnete, dazu komme ich. Die Frage lautet, glaube ich es oder will ich, dass es alle anderen glauben müssen? Das ist ein Unterschied. (Zwischenruf von GRin Mag. Caroline Hungerländer.) Also zu glauben, dass man selber Recht hat und einer Religion anzuhängen, ist ja nicht ehrenrührig. Die Problematik ist, darf ich dann alle anderen zwingen, dasselbe zu tun wie ich. Das ist in meinen Augen verwerflich und das unterstelle ich jetzt einmal allen Religionsgemeinschaften nicht, sondern die sind, um das so schön zu sagen, getragen vom Glauben an das Gute.

 

Das heißt, die Abmessung zum Thema politischer Islam, ja oder nein, oder zu Gruppierungen zum politischen Islam ist an der Kante zu machen, wie sehr Zwang ausgeübt wird, das stimmt, wie sehr Andersdenkende oder Andersdenkendes unterdrückt wird und wie sehr Toleranz und Demokratie möglich sind. Und damit von ein paar Gedankengängen aus der philosophischen Höhe hinunter in die Praxis.

 

Ich bin des Öfteren bei der ATIB gewesen und zwar nicht deshalb, weil ich bekennender Islamist bin, sondern weil ich Politiker dieser Stadt bin und die ATIB eine Organisation ist, die in dieser Stadt angekommen ist. Das bedeutet nicht, dass die alle meiner Meinung sind, sondern das sind Wienerinnen und Wiener, die ihrer Religion anhängen. Ich habe noch nicht erlebt, oder, zugegeben, ganz selten erlebt, dass da versucht worden ist, Druck auszuüben auf mich oder auf andere. Dort, wo das passiert ist, war ich mit meinen Freundinnen und Freunden aus der muslimischen Glaubensgemeinschaft der Meinung, dass das abzulehnen ist.

 

Meine Damen und Herren, ich glaube meinen Freundinnen und Freunden das. Das heißt nicht, dass es das nicht gibt, möchte ich nur sagen. Es gibt natürlich islamistische Tendenzen, aber da sind wir im Gemeinderat auch alle der Meinung, dass wir diese gemeinsam bekämpfen sollten. (Zwischenruf von GRin Mag. Caroline Hungerländer.) - Na, wir zwei schon, Kollegin Hungerländer, da glaube ich dir das, und wir müssen da wirklich differenzieren.

 

Vorsitzende GRin Gabriele Mörk (unterbrechend): Herr Gemeinderat, Entschuldigung, bitte den Schlusssatz formulieren.

 

GR Peter Florianschütz, MA, MLS (fortsetzend): Ich komme zum Schlusssatz. Ich komme zum längeren Schlusssatz, da muss ich jetzt viele Beistriche machen. (Heiterkeit bei NEOS und FPÖ.) Gut, um zum Schlusssatz zu kommen: Faktum ist, dass diese Stadt eine plurale Stadt ist, der Herr Bürgermeister es geschafft hat, unterschiedliche Religionen, nicht nur abrahamitische, in eine gemeinsame Struktur zu bringen und es im Wesentlichen nicht darum geht, sich gegenseitig zu bezichtigen, sondern gemeinsam diese Stadt zu entwickeln, totalitären, autoritären Tendenzen entgegenzutreten und zu versuchen, nicht unter Prinzipienverrat, diese Stadt gemeinsam zu entwickeln. Und da sind wir auf dem guten Weg. (GRin Mag. Caroline Hungerländer: Das meinst du nicht ernst!) 

 

Ehrlich gesagt, wenn ich am Anfang gesagt habe, man muss besorgt sein, ich bin nicht besorgt über die Entwicklung der Stadt. Ich glaube, dass wir eine gute Entwicklung

 

«  1  »

Verantwortlich für diese Seite:
Stadt Wien | Geschäftsstelle Landtag, Gemeinderat, Landesregierung und Stadtsenat (Magistratsdirektion)
Kontaktformular