Gemeinderat, 66. Sitzung vom 26.03.2025, Wörtliches Protokoll - Seite 37 von 73
bieten genau Raum für innovative und alternative Kunstformen. Dort treten KünstlerInnen dieser Stadt auf, die nicht nur den Mainstream bedienen, sondern Neues wagen - oft mit kleineren Budgets und auch mit zumindest sehr viel Herzblut. Ich will jetzt den internationalen Stars nicht unterstellen, dass sie kein Herzblut haben, aber die anderen haben es hauptsächlich, denn Geld verdienen tun sie mit ihren Auftritten meistens nicht großartig.
Mit einer riesigen kommerziellen Halle droht eine Ausdünnung dieser Orte mit dem Fokus auf profitmaximierende Großevents. Das kann doch nicht sein, dass wir das unterstützen wollen! Die zunehmende Kommerzialisierung der Musiklandschaft hat bereits dazu geführt, dass immer weniger künstlerisch hochwertige Musikerinnen und Musiker, die gut ausgebildet sind, finanziell überleben können mit dem, was sie an Kunst machen. Während große Musikkonzerne gleichzeitig Rekordumsätze erzielen, kämpfen lokale KünstlerInnen ums Überleben. Das wissen Sie, und warum wollen wir diese Entwicklung unterstützen als Musikstadt und Kulturstadt Wien? - Ich verstehe es wirklich nicht.
Die neue Halle wird zweifellos internationale Stars anziehen (GR Peter L. Eppinger: Ist das jetzt ein Problem?) - Das ist kein Problem. Die internationalen Stars können kommen, aber warum müssen wir es mit den Steuergeldern finanzieren? (Zwischenruf von GR Dr. Markus Wölbitsch, MIM.) - Die kommen und die Leute sollen zahlen, wenn sie das gerne anschauen wollen. Das ist ja wunderbar, dass es das gibt. Es ist nur die Frage, warum Wien das finanzieren muss.
Kunst darf nicht nur für jene zugänglich sein, die sich teure Tickets leisten können, Kunst muss für alle da sein, unabhängig von Einkommen und Herkunft. Wenn wir zulassen, dass kommerzielle Großprojekte die Kulturlandschaft so dominieren, verlieren wir die Seele dieser Stadt - nämlich die Kulturseele.
Dann gibt es noch dieses Problem mit der Umweltbelastung und das Verkehrsproblem. Ich weiß nicht, ob Sie darüber schon nachgedacht haben. Mit bis zu 1 200 000 Besuchern jährlich wird das Verkehrsaufkommen in Neu Marx massiv steigen. (Zwischenruf von GR Mag. Manfred Juraczka.) Geplant sind 145 Veranstaltungen, die jeden zweiten Tag jeweils 20 000 Menschen bringen. (GR Dr. Markus Wölbitsch, MIM: Machen wir Hausmusik!)
Ohne ein nachhaltiges Mobilitätskonzept drohen Staus - Stichwort Südosttangente -, Luftverschmutzung und Lärmbelästigung. Schon im Akt wird positiv herausgehoben, dass der Flughafen eh in der Nähe ist und also wird davon ausgegangen, dass die Halle den Flugverkehr anheben wird. Wollen wir das? - Eine dritte Piste, damit die Eventhalle gefüllt wird? (GR Mag. Manfred Juraczka: Ja! Ja!) - Das kann doch nicht das sein, was wir wollen!
Es gäbe Alternativen, ich möchten ja nicht nur kritisieren. Wir könnten bestehende Veranstaltungsorte modernisieren, wie zum Beispiel die Marx Halle oder auch die Arena. Wir könnten in viel kleinere Hallen investieren, denn lokale Veranstalter aus Wien, aus Österreich wünschen sich in Wirklichkeit eine Halle, die 5 000 bis 8 000 Personen beherbergt. (GR Dr. Markus Wölbitsch, MIM: Das haben wir ja schon!) - Nein, die gibt es nur zum Teil und nicht in der Ausführung, in der wir sie brauchen. Jedenfalls wird immer etwas gesucht, das größer als der Gasometer und kleiner als die Stadthalle ist, und genau das wird die CTS Eventim Halle nicht erfüllen.
Natürlich könnten wir diese 153 Millionen EUR - ich habe jetzt mit 153 Millionen gerechnet, denn das war, was wir ursprünglich gehört haben, bevor wir dann erfahren haben, dass es doch noch um 60 Millionen EUR mehr sind - auf 23 Bezirke in Wien aufteilen, das wären 6 Millionen pro Bezirk - 6 Millionen EUR, mit denen man zum Beispiel ein lokales Kulturzentrum konzeptionieren und aufbauen könnte, mit denen tatsächlich lokale VeranstalterInnen, lokale MusikerInnen gefördert werden können. Und was noch wichtiger ist: Das könnten wirklich Orte sein, wo verschiedene Bevölkerungsgruppen zusammenkommen, wo wir Brücken schaffen, wo wir miteinander ins Gespräch kommen und der soziale Zusammenhalt gestärkt wird. Das wollen wir doch eigentlich, oder wollen wir das nicht?
Auch das Areal von St. Marx könnte man ohne Halle wunderbar nutzen. Wir haben vorher die BesucherInnen auf den Zuschauerbänken gehört, es gibt seit zehn Jahren Initiativen, die das Areal nutzen als Gartengemeinschaften, als Skater Park, als Basketfeld, die das in Eigenregie entwickelt haben, und es gibt auch regelmäßig Märkte dort. Was das zeigt, ist, dass es in Wien wenige freie Flächen gibt, die Bürgerinnen und Bürger selbstdefiniert und selbstbestimmt so nutzen können, wie sie das wollen, und die Fläche in Neu Marx ist derzeit eine dieser wenigen Flächen.
Gerade Corona hat uns gezeigt, dass es wichtig ist, in dicht besiedelten Gebieten Freiflächen zu haben, die auch von der Bevölkerung selbst definiert werden können. Wir wissen, wir haben diese Chance beim Nordbahnviertel gehabt - die Freie Mitte im Nordbahnviertel ist etwas, das frei genutzt werden kann, und offensichtlich gibt es großen Druck, dass unterschiedliche NutzerInnengruppen solche freien Flächen auch nutzen wollen. Ich finde, wir könnten das unterstützen, aber das wäre nur eine Form, wie man damit umgehen könnte. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Ich komme schon zum Schluss - keine Sorge -, es geht um das Gefühl. Es sind die kleinen Bühnen in dieser Stadt, die den KünstlerInnen die ersten Möglichkeiten zur Präsentation schaffen und die vielen großen und bekannten Leuten auch intime Momente der Präsentation schaffen. Es sind experimentelle Performances, es sind elektrisierende Konzerte in der Arena Wien, wo man spürt, was diese Stadt ausmacht, was diese Stadt zur Kulturstadt macht. Doch wenn wir zulassen, dass Projekte wie CTS Eventim unsere Kulturlandschaft dominieren, riskieren wir, genau das zu verlieren, nämlich die Seele dieser Stadt.
Kunst darf nicht dem Profit geopfert werden, sie ist ein zentraler Bestandteil der Identität Wiens und so sollen wir sie auch stützen. Deshalb sind wir für Kulturförderung statt für Kommerzförderung. Die CTS Eventim Halle mag kurzfristig beeindruckend sein, doch langfristig droht sie mehr zu schaden als zu nützen. Statt öffentliche Gelder in ein
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