Gemeinderat, 68. Sitzung vom 23.04.2025, Wörtliches Protokoll - Seite 11 von 116
Sinn, Wertevermittlung, oft keinen Platz haben, weil viele Lehrerinnen und Lehrer den sehr theoretischen Unterricht in dieser Frage in den Vordergrund stellen. Auch das ist ein wichtiger Faktor, denn ich glaube, gerade Politische Bildung gibt die Antwort auf Fragen, wie: Wie funktionieren politische Systeme? Was sind Parteien? Wie funktioniert eine Mehrheitsfindung? Wie werden Beschlüsse auf den Weg gebracht? Was sind unsere Organisationen? Was sind unsere Institutionen in diesem Land? Das ist ganz, ganz wichtig. Wertebildung und Demokratiebildung passieren auf einer ganz anderen Ebene, auch zum Beispiel - was ich eben beschrieben habe - im Rahmen der Demokratieschule, wobei es darum geht, sich wirklich auch in einem Unterrichtsfach - das ist der Plan, das heißt, es ist eine zusätzliche Stunde - den Raum und die Zeit zu nehmen, gemeinsam in der Schulgemeinschaft und im schulischen Umfeld Demokratie zu gestalten.
Das ist, glaube ich, das Wichtige, denn wir wissen ja auch, dass die Vielfalt der Schülerinnen und Schüler in den letzten Jahren und Jahrzehnten extrem zugenommen hat, dass wir unterschiedliche Wertebilder haben. Das drückt sich natürlich auch in unterschiedlicher Religionszugehörigkeit aus, das ist auch ein Faktor, der hier eine Rolle spielt. Aber was wichtig ist: Wir vermitteln jedem Kind, das in Österreich in die Schule geht, was unsere gemeinsamen Werte sind. Das ist, dass wir einen liberalen Rechtsstaat haben, dass es eine Gleichberechtigung von Mann und Frau gibt, dass es in Österreich egal ist, wen du liebst. Das sind so Fragen, die in diesen Unterricht Eingang finden sollen.
Vorsitzender GR Mag. Thomas Reindl: Vielen Dank. - Damit ist die 2. Anfrage beantwortet.
Die 3. Anfrage (FSP-532188-2025-KGR/GM) wurde von Frau GRin Dr. Kickert gestellt und ist an den Herrn Bürgermeister gerichtet. In dieser Anfrage geht es um die Nichtzulassung von BürgerInnenversammlungen in den Bezirken. (In den Bezirken häufen sich Nicht-Zulassungen von BürgerInnenversammlungen nach § 104c WStV. Die für die Einberufung zuständigen BezirksvorsteherInnen rechtfertigen ihr restriktives Handeln mit Gutachten der MD-Recht, welche bescheinigen, dass BürgerInnenversammlungen nur für Agenden der Gemeindeverwaltung und sogar in Zuständigkeitsbereichen der Bezirke zulässig wären. Dies widerspricht klar der rechtlichen Beurteilung der Volksanwaltschaft im 43. Bericht an den Wiener Landtag: Formalvoraussetzung einer Versammlung nach § 104c WStV ist nur „das ausschließliche oder überwiegende Interesse des Bezirkes“, die Rechtsbegriffe „Interesse“ und „Zuständigkeit“ sind nicht gleichzusetzen. Werden Sie, Herr Bürgermeister, als Vorstand des Magistrates und einzig weisungsbefugtes Organ gegenüber den BezirksvorsteherInnen dafür Sorge tragen, dass dieses wichtige Instrument der direkten Demokratie rechtskonform im Sinne größtmöglicher Information der Bevölkerung auf Bezirksebene zum Einsatz kommt?)
Schönen guten Morgen, Herr Bürgermeister! Bitte um Beantwortung.
Bgm Dr. Michael Ludwig: Schönen guten Morgen, Herr Vorsitzender! Werte Mitglieder des Gemeinderates!
Bevor ich in die eigentliche Anfragebeantwortung eintrete, Frau GRin Dr. Jennifer Kickert, möchte ich nur den rechtlichen Rahmen ein bisschen darstellen, weil man dann das eine oder andere vielleicht doch einordnen kann.
Die Ihrerseits angesprochenen Bürgerversammlungen nach § 104c der Wiener Stadtverfassung können zur Information und Diskussion über Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse eines Bezirkes gelegen sind, abgehalten werden. Eine solche Bürgerversammlung ist durchzuführen, wenn sie die Bezirksvertretung beschließt oder mindestens ein Fünftel der Mitglieder der Bezirksvertretung verlangt. Sie ist von der Bezirksvorsteherin beziehungsweise dem Bezirksvorsteher oder einem von ihr beziehungsweise ihm beauftragten Mitglied der Bezirksvertretung einzuberufen oder zu leiten. Vorab hat die Bezirksvorsteherin beziehungsweise der Bezirksvorsteher als zuständiges Organ ein Verlangen auf Abhaltung einer Bürgerversammlung entsprechend den Vorgaben der Wiener Stadtverfassung zu prüfen. Dies erfolgt unter zwei Aspekten:
Zum einen werden die Organe der Bezirke bei der Einberufung und Abhaltung einer Bürgerversammlung ausschließlich im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde tätig. Damit legt die Wiener Stadtverfassung eindeutig fest, dass Gegenstand einer Bürgerversammlung nur eine Angelegenheit der Gemeindeverwaltung sein kann. Sofern der Gegenstand einer beantragten Bürgerversammlung die Gemeindeverwaltung betrifft, ist zum anderen zu prüfen, ob es sich um eine Angelegenheit handelt, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse des Bezirkes gelegen ist. Die Bezirksvorsteher sind daher verpflichtet, auch das Vorliegen dieser Voraussetzung zu prüfen, um einen rechtmäßigen Vollzug der Wiener Stadtverfassung zu gewährleisten. Kommt die Bezirksvorsteherin beziehungsweise der Bezirksvorsteher zum Ergebnis, dass das Verlangen die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, darf es nicht weiter behandelt werden. Dies bedeutet, dass die Bezirksvorsteherin oder der Bezirksvorsteher in diesem Fall die Bürgerversammlung nicht einberufen beziehungsweise abhalten darf.
Nach den vorliegenden Informationen hat es in dieser Legislaturperiode in den Bezirken insgesamt nachweislich elf Bürgerversammlungen gegeben. Inhaltlich betrafen diese etwa die Sport-und-Fun-Halle beim Praterstern, die Begrünung der Seestadt oder die Parkplatzsituation beim Siedlerverein Lobau.
Wie Sie meinen bisherigen Ausführungen entnehmen können, läuft eine Bürgerversammlung nach klaren Vorgaben der Stadtverfassung ab. Nur wenn die beiden von mir erläuterten Voraussetzungen - eigener Wirkungsbereich der Gemeinde und überwiegendes Interesse des Bezirkes - kumulativ erfüllt sind, ist eine Bürgerversammlung durchzuführen. Ich sehe daher keine Veranlassung, hier aktiv einzugreifen und Bezirksvorsteherinnen und Bezirksvorstehern Vorgaben zu machen oder auf diese in sonstiger Weise einzuwirken.
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