Gemeinderat, 68. Sitzung vom 23.04.2025, Wörtliches Protokoll - Seite 68 von 116
Ein Widerspruch beispielsweise ist, dass im WIGEV, im Wiener Gesundheitsverbund, angeblich das Personal fehlt, dass deswegen sehr lange Wartezeiten entstehen, weil die ÄrztInnen fehlen, weil AnästhesistInnen fehlen, weil Pflegekräfte fehlen. Gleichzeitig wird aber gesagt, operiert bei diesen ausgelagerten OPs wird von WIGEV-ÄrztInnen. Wie geht das zusammen, meine sehr geehrten Damen und Herren? Auf der einen Seite Personalnot, auf der anderen Seite hätte das gleiche Personal plötzlich Ressourcen, um in Privatspitälern zu operieren. Wird dort von den viel gescholtenen TeilzeitärztInnen im WIGEV operiert, die dann das private OP-Häubchen aufsetzen? Also, ich erwarte hier wirklich Antwort, wer operiert und warum hier die Privatspitäler etwas leisten können, das der Wiener Gesundheitsverbund nicht schafft, weil dort der Personalmangel herrscht. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Unklar ist ebenso, wie es sein kann, dass auf der einen Seite im Wiener Gesundheitsverbund hunderte, viele hunderte Betten leer stehen, OP-Säle nicht ausgelastet sind, hier aber nicht operiert werden kann, obwohl Ressourcen ungenützt sind, und man auf der anderen Seite in den Privatkliniken fremde Ressourcen nützt, hier auf Auslagerung angewiesen ist, um die Notsituation zu beheben, um die elendslangen Wartelisten auf Operationen zu kürzen. Das geht sich bei mir nicht aus, hier ist irgendein Missmanagement, hier fehlt wirklich die Planung: die Planung in Bezug auf eine wachsende Stadt, die Planung in Bezug auf die Pensionierung. Das scheint irgendwie schon leider ein System zu haben.
Und was wir hier erleben, ist ja nicht nur eine Auslagerung von Leistung. Es ist eine Auslagerung von Verantwortung, meine sehr geehrten Damen und Herren, und es kommt mir vor, als wäre das eine stille, aber eine sehr reale Verschiebung in Richtung Privatisierung im öffentlichen Gesundheitswesen. Und das, meine sehr geehrten Damen und Herren, wollen wir keinesfalls zulassen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Wir hatten in dieser Zeit der rot-pinken Stadtregierung die größte Gesundheitskrise aller Zeiten, also der letzten Jahrzehnte, die Coronapandemie, die COVID-19-Pandemie, und es scheint, dass diese Krise nach wie vor überhaupt nicht bewältigt ist, und das ist besorgniserregend, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir beobachten vielerlei Rückschritte. Vieles ist schlechter geworden, vieles dauert länger und vieles, das in die Wege geleitet wird, ist zwar gut, aber zu wenig, kommt zu spät. Im Grunde herrscht nach wie vor das Prinzip, die Probleme kleinzureden.
Und es wurde ja gesagt, dass diese Kooperation nichts Neues sei, sondern schon in der Pandemie praktiziert wurde, aber damals war es ein Notbehelf, meine sehr geehrten Damen und Herren. Damals war es ein Notbehelf, jetzt ist diese Kooperation eigentlich eine Dauerlösung. Die Kooperation wird auf unbestimmte Zeit festgelegt und angelegt. Also, hier ist tatsächlich ein Systemwandel im Gange, der durch die Hintertür eine Form von Privatisierung und Auslagerung ist.
Ehrlich gesagt tut es mir leid, wenn der Wiener Gesundheitsverbund, der vom Herrn Gesundheitsstadtrat als das Rückgrat der Gesundheitsversorgung in Wien beschrieben wird, die ausreichende Versorgung nicht geleistet werden kann. Dieses Rückgrat hat offenbar ziemlich viele schwere Bandscheibenvorfälle, meine sehr geehrten Damen und Herren. Da braucht es mehr als ein Pflasterl, da braucht es definitiv Strukturmaßnahmen. (Beifall bei den GRÜNEN.)
Unsere Fragen, die wir heute stellen - und es sind ja an die 84, also tatsächlich viele -, die sich auf Grund so einer kleinen Kooperation, wie es ja scheint, ergeben, möchte ich so zusammenfassen: In erster Linie wollen wir einmal hier Kostentransparenz schaffen. Wir fragen uns: Was kostet diese Kooperation tatsächlich? Ist es billiger? Ist es teurer? Wieso kann es sein, dass Steuergelder der Wienerinnen und Wiener in eine Privatversicherung fließen? Warum fließt dieses Geld nicht in das öffentliche Gesundheitssystem?
Wir wollen auch wissen, wie es tatsächlich mit den Personalressourcen ausschaut? Sind das jetzt MitarbeiterInnen vom WIGEV, oder arbeiten sie für ihren Nebenverdienst, mit ihrem Nebenvertrag als Privatärzte? Wie kann das sein?
Wir wollen auch wissen, wie es mit der Frage von Haftung und Rechten ausschaut. Was ist zum Beispiel im Fall einer Komplikation? Wer kommt für einen Schaden auf? Ist das der Wiener Gesundheitsverbund, oder sind das die Privatspitäler? Denn das hat definitiv für die PatientInnen dann ganz unterschiedliche Rechtsfolgen.
Unklar ist auch, wo tatsächlich die Nachbetreuung stattfindet. Findet sie im Wiener Gesundheitsverbund statt, wie es teilweise kolportiert wird, oder wird alles in der Privatklinik erledigt? Viele, viele offene Fragen, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Und insgesamt würde uns interessieren: Was ist denn das, eine zumutbare Wartezeit? Also, derzeit wachsen sie oft, in manchen Bereichen gehen sie zurück, aber sie sind immer noch ewig lang.
Wo ist das Ziel? Wohin will man eigentlich? Wir würden gerne von Ihnen, Herr Stadtrat, wissen: Was ist der langfristige Plan? Wohin soll sich die Wiener Gesundheitsversorgung entwickeln, damit sie weiterhin eigenständig funktioniert und tatsächlich zeitgerechte Operationen bieten kann?
Denn eines ist ganz klar, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch diese Kooperation - es handelt sich hier tatsächlich ja nur um ein paar hundert, glaube ich, 500, Operationen, so die Zahl, die ausgelagert werden - wird dieses strukturelle Problem, das wir in der Wiener Gesundheitsversorgung haben, nicht lösen, denn es fehlt, zumindest soweit ich das sehen kann, ja nicht an OP-Sälen, sondern es fehlt an Personal. Und es fehlt nach wie vor die Ressource und die langfristige Strategie, um das System zu stabilisieren und eine Normalität hineinzubringen.
Und ich denke, gerade eine Stadt wie Wien, die sich stolz auf ihr solidarisches Gesundheitssystem beruft - und ich glaube, das wollen wir ja alle auch weiterhin so haben -, darf sich mit so einer kurzfristigen Maßnahme - und nichts anderes ist diese Kooperation -, diesem kurzfristigen Deal nicht zufriedengeben. Wir erwarten daher
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