Gemeinderat, 68. Sitzung vom 23.04.2025, Wörtliches Protokoll - Seite 80 von 116
Aber was braucht es eigentlich, um qualifiziertes Personal zu halten? Studien zeigen deutlich, dass unplanbare Überstunden, kurzfristige Dienstplanänderungen, mangelnde Vereinbarung von Beruf und Familie zentrale Gründe sind, um aus diesen Berufen auszusteigen. Besonders junge Fachkräfte legen großen Wert auf eine ausgewogenes Work-Life-Balance und ohne attraktive Arbeitszeitmodelle droht eine Abwanderung von vielen Kolleginnen und Kollegen, von qualifizierten Kräften im Pflegebereich.
Sie scheiden gänzlich aus diesen Berufen aus. Das hat sich auch in den letzten Jahren gezeigt. Ich gebe zu, auch Corona war ein bisschen ein Brandbeschleuniger. Deswegen brauchen wir flexiblere Modelle, die es ermöglichen, die Arbeitszeiten an der jeweiligen Lebensrealität anzupassen, ohne eine Versorgungssicherheit zu gefährden.
Wir haben das heute in der Früh schon angesprochen - auch älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen Angebote gemacht werden, dass sie im Betrieb bleiben, im Gesundheitsbereich bleiben, zum Beispiel die Option einzuräumen, von Nachtdiensten befreit zu werden und auch schrittweise Dienste zu reduzieren, ohne komplett aus dem Beruf auszusteigen. Denn gerade die Älteren haben eine extreme Berufserfahrung, sie sind wichtig für die Aus- und Weiterbildung junger Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der ÖVP und von GRin Mag. Barbara Huemer.)
Zur Dienstplangestaltung. Ich sehe ja immer wieder in den Pflegeberufen, wie man stundenlang vor den Dienstplänen sitzt, um sie zu füllen. Auch im ärztlichen Bereich gibt es ein komplett veraltetes ESF-System, mit dem Stunden verbracht werden, völlig sinnlose Zeit, die verbraucht wird, um Dienstpläne zu erstellen. Deshalb braucht es den Einsatz moderner Technologien, auch eine Möglichkeit des Wunschzeiteintrages, wann man Dienst macht und wann nicht, und auch eine Tauschbörse, insbesondere im Pflegebereich. Dieser hohe administrative Aufwand, der geführt wird in der Dienstplanerstellung, gehört abgeschafft, Dienstplanerstellung gehört erneuert und modernisiert. (Beifall bei der ÖVP.)
Der Herr Stadtrat hat gesagt, die Lösung des Personalproblems ist das Nebenbeschäftigungsverbot für die Ärzte. Wie viele Ärzte betrifft das jetzt eigentlich, die im Spital angestellt sind? Genau 8 Prozent aller Ärzte arbeiten weniger als 30 Stunden, insgesamt nicht einmal 1 Prozent arbeiten nur weniger als 20 Stunden. Erstens einmal stellt sich die Frage: Wer hat eigentlich diese Verträge vergeben? Das muss ja einen Grund haben. Es ist nicht der Grund, dass diese Ärztinnen und Ärzte nachher großartig verdienen können mit Wahlarztordinationen und zu Millionären werden, das ist nämlich Blödsinn, das ist eine Mär, die dauernd erzählt wird, das ist völliger Schwachsinn.
Dieses Nebenbeschäftigungsverbot ist erstens einmal arbeitsrechtlich gar nicht zulässig, das hat der Prof. Resch als führender Arbeitsrechtler schon bestätigt. Es widerspricht auch den flexiblen Arbeitszeitmodellen, auf die eigentlich der Wiener Gesundheitsverbund stolz sein könnte, und es diskriminiert viele Menschen, vor allem Frauen, die Kinderbetreuung machen müssen, oder Familien, die nebenbei eine Altenpflege machen müssen. Das ist eine absolut diskriminierende Maßnahme für diese Berufsgruppe. Außerdem gibt es ein EU-Recht, Artikel 9, Arbeitsbedingungen der Richtlinien der Europäischen Union, der das Recht auf Nebenbeschäftigung bestätigt. Das Absurdeste daran ist, dass die Generaldirektion des Wiener Gesundheitsverbundes nichts von einem Nebenbeschäftigungsverbot weiß. Das ist interessant. Wir stellen dazu auch einen Antrag, dass man mit diesen blödsinnigen Forderungen aufhören sollte. (Beifall bei der ÖVP.)
Die Dringliche Anfrage war zu Recht zu dem Thema lange OP-Wartezeiten, und heute in der Früh bei der Fragestunde gab es praktisch einen Offenbarungseid des Herrn Stadtrats. Denn die Frage von mir war, wie viele OP-Säle jeden Tag leer stehen und wie viel Personal in den OP-Sälen fehlt. Es gab heute darauf keine Antwort und es gab auch keine Antwort auf unsere Anfrage, die wir vor drei Monaten gestellt haben. Es wird festgestellt, dass wir 140 000 Operationen pro Jahr in 130 OP-Sälen durchführen. Das ist eine beachtliche Leistung, das ist keine Frage, das möchte ich auch gar nicht bestreiten. Das ist bedingt durch das außergewöhnliche Engagement unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die hohe Fachkenntnis, das ist keine Frage, das bestreite ich überhaupt nicht. Wenn man das durchrechnet, bedeutet es, dass jeden Tag in einem OP-Saal drei Operationen durchgeführt werden. Jetzt ist nicht in jedem Operationssaal eine Herzoperation, die ungefähr fünf bis sechs Stunden dauert, fällig, sondern es sind auch ein paar kleinere Operationen, zu denen kommen wir später noch. Das passt eben nicht zusammen.
Ich sage Ihnen, Herr Stadtrat, schauen Sie einmal unangemeldet in Ihre Operationssäle, dann werden Sie merken, dass Sie untertags mit Sicherheit, das verspreche ich Ihnen, da wette ich mit Ihnen, ein Drittel der OP-Säle leer stehen sehen, am Nachmittag sind es sogar noch viel mehr. Wir brauchen eine Strategie und eine Überlegung, wie wir diese Operationssäle mit ausreichend Personal füllen, damit wir die OP-Wartezeiten, die wir eindeutig haben, das ist auch nicht wegzudiskutieren, in den Griff bekommen.
Es wurden in der Vergangenheit viele strategische Fehler gemacht, zum Beispiel das Zentralisieren und das Zusammenlegen von Abteilungen. Die Kollegin von den GRÜNEN hat das heute schon angesprochen, im HNO-Bereich ist es besonders drastisch. Es wurde zum Beispiel eine hervorragende Abteilung aus der Klinik Hietzing zusammengelegt mit anderen Abteilungen. Ich habe das schon einmal, glaube ich, erzählt, ich weiß nicht, ob es hier war, eine Zusammenlegung von medizinischen Abteilungen ist ungefähr gleich, als würden Sie die Fußballklubs Rapid und Austria zusammenlegen. Spielen Sie miteinander, ihr bekommt aber nicht zwei Fußballplätze, sondern nur einen. So war es im HNO-Bereich nämlich, man hat zwei Abteilungen zusammengelegt, die hatten vier Operationssäle, jetzt haben sie nur mehr zwei. Die Folge der Zusammenlegung war, dass ein Großteil des Pflegepersonals weggelaufen ist.
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