Gemeinderat, 68. Sitzung vom 23.04.2025, Wörtliches Protokoll - Seite 81 von 116
Was ist die tatsächliche Folge für den Einzelnen? Ich kenne den Fall eines Dreijährigen, da haben die Eltern geglaubt, er ist taub, über ein Jahr lang ist da nichts passiert. Dann hat er einen Termin beim HNO-Arzt bekommen, der hat festgestellt, er hat so riesige Polypen, sodass er eigentlich nichts hören kann. Die Polypen sind dann ein halbes Jahr später wegoperiert worden und danach hat das Kind mit über drei Jahren zu hören und dann auch erst zu sprechen begonnen. Das heißt, es ist in seiner Sprachentwicklung über zwei Jahre hinterher. Es ist wirklich dramatisch für jede einzelne Person. Das ist eine konkrete Auswirkung unseres Systems und dem müssen wir absolut entgegenwirken. (Beifall bei der ÖVP und von GRin Mag. Barbara Huemer sowie GRin Dr. Jennifer Kickert.)
Ein weiterer strategischer Fehler waren die sogenannten Partnerspitäler. Partnerspitäler klingt am Reißbrett super - der ist für das eine spezialisiert, der andere für das andere -, die Folge davon ist, dass es zu unzähligen Hin- und Herfahrten von Ambulanzen kommt zwischen den Spitälern. Ein Urologe zum Beispiel ist in der Donaustadt, wird benötigt in Floridsdorf, der braucht aber in einem Notfall Stunden, bis der überhaupt wieder dorthin fährt und so kommt es zu stundenlangen, manchmal auch zu tagelangen Verzögerungen, bis ein adäquater Facharzt im betreffenden Spital zur Verfügung steht.
Was macht jetzt der Herr Stadtrat gegen die leer stehenden OP-Säle? Er sagt, ich habe eine super Idee, ich hole mir ein Privatkrankenhaus und verlege dort 500 Operationen hin. In diesem Privatkrankenhaus haben wir allerdings ein kleines Problemchen, da ist nämlich kein Anästhesist zur Verfügung. Das heißt, man kann eigentlich Operationen nur in lokaler Betäubung durchführen, weil dort das gleiche Problem ist, wie wir es eh schon in den leer stehenden OP-Sälen haben, es ist kein Anästhesist zur Verfügung, das ist der Grund, warum ein OP leer steht, weil kein Anästhesist und keine OP-Pflege da sind.
Es ist letzten Freitag ein Slot gewesen in dem betreffenden Krankenhaus für eine der 500 Operationen, es geht nur um eine lokale Betäubung, und ich habe nachgefragt, wie viele Operationen an diesem Tag, der für den WIGEV reserviert war, durchgeführt worden sind. Jetzt können Sie raten: 0, 10, 20? (GR Dr. Markus Wölbitsch, MIM: Null!) - Es waren null, richtig, also das ist offensichtlich auch nicht ganz die richtige Strategie.
Was wir heute in der Früh schon diskutiert haben - ein neues OP-Zentrum für ambulante Eingriffe -, das ist eine gute Konzeption. Aber jetzt haben wir sowieso ganz viele leer stehende OP-Säle im WIGEV, die wir betreiben könnten, wenn wir genügend Personal hätten. Wenn wir jetzt ein neues OP-Zentrum bauen um viele Millionen Euro, dann ziehen wir erst recht wieder Personal von unseren Krankenhäusern in dieses neue OP-Zentrum ab. Das ist eine völlig absurde Idee. Es wäre besser, bestehende Ressourcen zu nützen, keine Parallelstrukturen aufzubauen, das Personal flexibel und ordentlich zu bezahlen und Modelle zu entwickeln, wie es zum Beispiel bei den Erstversorgungsambulanzen funktioniert. Da werden die Leute nämlich ordentlich bezahlt und sind auch froh über ihre Arbeit dort. (Beifall bei der ÖVP.)
Dann haben wir noch ein Problem, das immer wieder benannt wird. Die Gastpatienten sind die Bösen, die belasten unser Gesundheitssystem so stark. Wie hoch war der GastpatientInnenanteil 2017? Der lag in Wien bei 17 Prozent. Wie hoch ist er jetzt? Er liegt bei 18 Prozent. Das ist also praktisch keine Steigerung.
Ich sage Ihnen etwas, es ist nicht der IT-Techniker aus Purkersdorf, die Krankenschwester aus Mödling oder der Mechaniker aus Gerasdorf, der unser Gesundheitssystem belastet, das sind nicht die Probleme, die wir haben. Es ist die steigende Bevölkerungsanzahl, vor allem aus Drittstaaten, und das Älterwerden unserer Generationen. Das belastet unser Gesundheitssystem, nicht die Gastpatienten. Das ist nur eine Geschichte, die Gastpatienten.
Letzter Punkt, die Digitalisierung: Ein Schwerpunkt in unseren Reden, der auch von Herrn StR Hacker immer wieder benannt wird, die Digitalisierung ist so wichtig. Wir waren ganz begeistert, wie wir unsere Ausflüge gemacht haben nach Tallinn oder nach Helsinki, wie gut es dort funktioniert. Wie gut es nicht funktioniert, sehen wir in Wien. Die Online-Buchung für Ambulanzbesuche funktioniert mehr schlecht als recht. Eine Ausweitung der Wartezeiten von den Ambulanzterminen gibt es nicht, eine effiziente Planung von Patientenströmen gibt es nicht. Es gibt auch kein Monitoring, inwieweit das Online-Buchen richtig passiert, ob die auch tatsächlich zur richtigen Stelle zugewiesen werden. Manchmal kommt es auch vor, dass jemand anruft, sagt, ich bin aus Purkersdorf, und dann sagt die Telefonistin, Sie kommen da gar nicht dran. Der muss dann über zehn Ecken herumrufen, bis er endlich an der richtigen Stelle einen Termin bekommt.
Die elektronische Fieberkurve ist auch ein Ding, das seit Jahren verschlafen wird und nach wie vor in den Kinderschuhen steckt. Dann haben wir ein Patienteninformationssystem, impuls.kis heißt das, das über 20 Jahre alt ist und so langsam wie mein Computer, den ich vor zehn Jahren weggehaut habe.
Was wir brauchen, ist ein Aufbau einer digitalen Nachsorgeplattform für entlassene Spitalspatienten, auch zusammen mit einem Telemonitoring. Es braucht eine Förderung und ein Schulungsangebot der Gesundheitsberufe für diese Hybridversorgung. Es braucht nicht jeder Mensch sofort zur Kontrolle in die Ambulanz zu kommen mit seinen CT-Bildern, das kann man online auch anschauen, da braucht er nicht herwanken vom 13. Bezirk in den 21. mit CT-Bildern. Das kann man telefonisch mit Telemonitoring erledigen.
Wir brauchen auch eine Einführung eines digitalen Patientenportals, das web- oder appbasiert ist, um mit dem Patienten aktiv, wie es in den nordischen Staaten der Fall ist, an der Betreuung mitzuwirken. Für langzeitbetreute, chronische Patienten und Hochrisikopatienten gibt es auch internationale Beispiele, nämlich ein Heim- oder Telemonitoring, das in Wien zur Installation gebracht werden muss. Wir haben dazu heute jede Menge Anträge gestellt.
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