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Landtag, 6. Sitzung vom 30.1.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 23 von 64

 

EU-Abgeordneten dargelegt.

 

Freilich sind die Diskussionen damit nicht beendet. Das sollen sie im Sinne einer effizienten Erbringung der kommunalen Dienstleistungen auch gar nicht, aber es wurde für die weitere Arbeit in diesem Bereich klargestellt, dass unterschiedliche Positionen und Voraussetzungen eine höhere Berücksichtigung erfahren müssen.

 

Ich darf meine weiteren Ausführungen mit einem Zitat fortsetzen: "Es steht jedenfalls fest: Die Annahme der Marktfundamentalisten, Märkte regulieren sich von selbst, ist falsch. Der Regierung fällt eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung der Makroökonomie zu." - Dieses Zitat, meine Damen und Herren, stammt nicht von Karl Marx, es ist nicht einmal von Keynes, sondern es stammt vom aktuellen Nobelpreisträger für Ökonomie, Joseph Stiglitz.

 

Man könnte jetzt der Ansicht sein, dass diese Aussage ein Allgemeinplatz ist. Er ist es - leider, möchte ich hinzufügen - nicht. Nach wie vor und ungeachtet aller wirtschaftlichen Probleme herrscht vielfach die Ansicht vor, die öffentliche Hand möge sich weitgehendst aus der wirtschaftspolitischen Gestaltung zurückziehen. Das gilt nicht nur für die klassischen Maßnahmen aktiver Wirtschaftspolitik, sondern dieses Argument zielt auch auf die Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen. Leider macht es dabei auch vor der Europäischen Kommission nicht Halt, die erst kürzlich einen Verordnungsentwurf zum Thema "Daseinsvorsorge" vorgelegt hat.

 

Meine Damen und Herren! Ich bin sicher, dass es auch unter jenen von Ihnen, die für eine weit reichende Liberalisierung oder Privatisierung kommunaler Dienstleistungen eintreten, viele gibt, denen die Verbesserung dieser Dienstleistungen und damit das Wohl der Bürgerinnen und Bürger ein wichtiges Anliegen sind.

 

Effizienzsteigerung, Kostenersparnis, Qualitätsverbesserung, all dies soll dadurch erreicht werden, dass es mehrere Anbieter solcher Leistungen gibt, sei es in Form tatsächlicher Konkurrenz oder mit Hilfe von Ausschreibungsverfahren. Um dies zu hinterfragen, ist es notwendig, sich einerseits mit der Struktur dieser Leistungen und andererseits mit der grundsätzlichen Wirkung von Marktmechanismen auseinander zu setzen. Zunächst ist die Frage zu stellen, ob die apodiktische Behauptung von der höheren Effizienz privater gegenüber öffentlichen Unternehmen tatsächlich gilt. Aus der Unternehmens- und Organisationstheorie wissen wir, dass dieses Effizienzproblem in erster Linie eines großer Organisationen ist, unabhängig von ihrer Rechtsform und Marktnähe. Was etwa im Bereich der Innovationstheorie ein Allgemeinplatz ist, nämlich dass Innovation in erster Linie von kleinen und mittleren Unternehmen ausgeht, weil die großen Player, die ebenfalls zu 100 Prozent marktorientiert und oft leider in einem viel zu hohen Ausmaß shareholderorientiert sind, nicht flexibel genug sind, wird im Bereich der kommunalen Dienstleistungen konsequent ignoriert. Und dass etwa die Wasserversorgung in einer Großstadt durch viele Kleinunternehmen sichergestellt werden kann, glauben nicht einmal die verwegensten Marktapologeten.

 

Kommunale Versorgungsleistungen haben vielfach den Charakter natürlicher Monopole und eignen sich daher nicht für rein marktmäßige Lösungen. Aber auch dort, wo man über die Frage, ob tatsächlich ein natürliches Monopol gegeben ist, streiten kann - der Umfang dieses Begriffs wurde in den letzten Jahrzehnten von der ökonomischen Theorie durchaus zu Recht reduziert -, ist man von lehrbuchmäßigen Konkurrenzlösungen weit entfernt. Denn gerade die im Versorgungsbereich hohen Eintrittsbarrieren und economies of scale führen wiederum zu Oligopol- oder gar Monopolbildungen, die nicht einmal im neoliberalen Gedankengebäude optimale Lösungen hervorbringen.

 

Es wird im Bereich der Daseinsvorsorge dem Markt ein Vertrauen entgegengebracht, das durch die Entwicklungen auf anderen Märkten eigentlich längst erschüttert sein sollte. Wir lesen täglich von Megafusionen internationaler Multis, von fragwürdigen, mit dem Wettbewerbsprinzip keinesfalls vereinbaren Praktiken dieser und - ich sage dies auch mit ausdrücklicher Hochachtung - vom Kampf des Wettbewerbskommissars Monti gegen diese Praktiken. Warum aber sieht man nicht oder will man nicht sehen, dass man mit der zwangsweisen Liberalisierung von Leistungen der Daseinsvorsorge diese Gefahren auch auf Bereiche ausdehnt, die bis jetzt nicht davon betroffen waren?

 

Meine Damen und Herren! Ich weiß, dass mir nun manche entgegenhalten werden, es gehe nicht um unkontrollierte Privatisierung, sondern um eine nach strengen Regeln ablaufende Liberalisierung. In manchen Bereichen ist dieses Argument sicherlich sinnvoll und gerechtfertigt, etwa bei der Telekommunikation oder im Energiebereich, auch wenn es sicherlich noch zu früh ist, die Ergebnisse dieser Liberalisierungen abschließend zu beurteilen. Aber man muss sich mehrerer Dinge bewusst sein: Auch noch so raffinierte legistische Regelungen können nicht in der Lage sein, die Wirklichkeit mit all ihren Eventualitäten eins zu eins abzubilden. Konflikte zwischen den öffentlichen Interessen des Auftraggebers und den privatwirtschaftlichen Interessen des Auftragnehmers sind daher vorprogrammiert.

 

Lassen Sie mich ein Beispiel anführen: Durch eine große Betriebsansiedlung wird die bessere infrastrukturelle Erschließung eines bestimmten Gebiets notwendig, sei dies bei der Wasserver- und -entsorgung, der Müllbeseitigung oder der Verkehrsanbindung. Jetzt kann der Eigentümer beschließen: Das wird gemacht. Im Falle liberalisierter Systeme wären langwierige Verhandlungen notwendig, und bei diesen sitzen die Privaten am längeren Ast. Denn unter Legitimationszwang steht die Politik, und diese ist damit erpressbar, denn eine rasche Lösung kostet.

 

Lassen Sie mich einen Augenblick bei dem Begriff der Legitimation bleiben. Ich gebe schon zu, dass das für uns Politiker manchmal unangenehm ist. Wenn die Müllabfuhr oder die U-Bahn nicht kommt, sind sehr schnell wir schuld. In Wirklichkeit ist dieser Zwang zur Legitimation aber ein ganz zentraler Aspekt bei der Bereitstellung öffentlicher Leistungen. Es ist die Pflicht und Schuldigkeit

 

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