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Landtag, 6. Sitzung vom 30.1.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 24 von 64

 

der gewählten Verantwortlichen, für ein Funktionieren kommunaler Leistungen zu sorgen und auch die Verantwortung dafür zu übernehmen. Dieser Verantwortung kann man immer noch am besten nachkommen, wenn einem auch die Kontrollmöglichkeiten des Eigentümers zur Verfügung stehen.

 

Aber um zu den Untiefen von Regulierungsregimes zurückzukommen: Ginge es nach den Plänen der Europäischen Kommission, sollte es, wie eingangs erwähnt, schon lange eine fertige Verordnung zur Liberalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs geben. Im Moment steht man auf dem Feld "Zurück an den Start". Und was ist der Grund dafür? - Bei der Behandlung der Thematik im Europäischen Parlament gab es Hunderte von Änderungsanträgen, sodass das Ergebnis letztlich für jeden Zweck unbrauchbar war. Ähnlich war es mit dem Richtlinienentwurf zur Daseinsvorsorge - unabhängig von der Frage der Berechtigung jedes einzelnen Antrags.

 

Was man daraus lernen kann, ist Folgendes: Je ausgefeilter und wasserdichter ein Regulierungsregime ist, umso bürokratischer wird es dadurch zwangsläufig, das heißt auch umso teurer. Ich höre schon jetzt die Klagen über den Bürokratismus, die Langsamkeit und die Ineffizienz von Regulierungsbehörden.

 

Meine Damen und Herren! Seien wir uns bewusst, dass durchaus die Gefahr besteht, dass man sich nach Liberalisierungsschritten mit großem Aufwand der Lösung von Problemen widmen muss, die ohne diese gar nicht entstanden wären. Nicht nur in der Frage von Liberalisierungen - aber hier besonders - besteht die Tendenz, den Einfluss des Staates zuerst zu beschränken, um dann mühsam nach Mechanismen zu suchen, um die negativen Effekte, die das mangelnde wirtschaftspolitische Engagement hervorruft, auszugleichen.

 

Diese einseitige Sichtweise der Rolle der öffentlichen Hand als Reparaturabteilung muss mittelfristig zu großen Problemen der Effizienz und Finanzierbarkeit führen. Es kann nicht so sein, dass die öffentliche Hand - und damit der Steuerzahler - immer dann zum Handkuss kommt, wenn etwas nicht funktioniert, weil es mit den Gewinninteressen Privater nicht vereinbar ist.

 

Meine Damen und Herren! Ich habe bereits darauf hingewiesen, es wäre eine vollkommen ungerechtfertigte Unterstellung, jenen, die für den Liberalisierungs- und Privatisierungskurs eintreten, pauschal unlautere Argumentationen vorzuwerfen. Trotzdem, auch in dieser Diskussion hilft die Frage: Cui bono? Wirklich in erster Linie den Konsumenten, die qualitativ gleichwertige Leistungen nun zu einem günstigeren Preis angeboten bekommen? - Würde diese These stimmen, dann müssten doch Konsumentenorganisationen die heftigsten Verfechter der Liberalisierung sein. Die Wirklichkeit sieht allerdings so aus, dass der Druck von internationalen Großkonzernen und von manchen Politikern kommt. Deren Motivation liegt auf der Hand. Für die Unternehmen geht es um die Erschließung eines riesigen Marktpotentials, für die Politik um die erhofften Kosteneinsparungen.

 

Denn steigen wir doch einmal, meine Damen und Herren, von den prinzipiellen Betrachtungen in die Mühen der Ebene kommunaler Politik hinab. Dann erkennt man, dass die Forderung nach Liberalisierung und Privatisierung vielfach schlicht und einfach dem Diktat der leeren Kassen entspringt. Viele europäische Städte sehen im Lukrieren von Privatisierungserlösen und Kosteneinsparungen bei der Erbringung kommunaler Leistungen die einzige Möglichkeit zur Sanierung ihrer maroden Finanzen.

 

Wien ist dank einer über Jahrzehnte verantwortungsvollen und erfolgreichen Finanz- und Wirtschaftspolitik glücklicherweise nicht in einer solchen Situation, sodass hier - bei allem Gebot der Sparsamkeit und des effizienten Ressourceneinsatzes - die Diskussion ohne diesen Druck geführt werden kann. Ich spreche hier von Kosteneinsparungen, obgleich ich sie vorher angezweifelt habe. Diese sind natürlich möglich. Die entscheidende Frage ist aber, ob dies auch dann gilt, wenn man gegebene Qualitätsstandards und auch Beschäftigungsstandards halten will. Die Betrachtung einiger internationaler Beispiele lässt daran Zweifel aufkommen.

 

Ich will mich gar nicht lange beim desaströsen Beispiel der Privatisierung des Eisenbahn- und Buswesens in Großbritannien aufhalten, das glücklicherweise nirgendwo als Vorbild angesehen wird. Auch das Desaster der kalifornischen Stromversorgung will ich in der europäischen Diskussion nicht überbewerten. Es gibt aber auch eine Reihe anderer Entwicklungen, die mit großer Skepsis zu betrachten sind. So führte die 1989 durchgeführte Privatisierung der britischen Wasserversorgung nicht zu mehr Wettbewerb, zu keinen Preissenkungen, sondern im Gegenteil zu einer Verdoppelung der Preise innerhalb eines Jahrzehnts und zu einer um mehr als ein Fünftel gesunkenen Beschäftigung. Auch in Frankreich hat die Liberalisierung der Wasserversorgung zu massiven Problemen geführt, sodass sich immer mehr Gemeinden entschließen, diese wieder zu kommunalisieren; freilich nicht ohne Kosten und mit der Schwierigkeit, verloren gegangenes Know-how wieder erwerben zu müssen.

 

In einer grundsätzlichen Studie kam das deutsche Umweltbundesamt zu dem Schluss, dass aus gesundheits- und umweltpolitischen Gesichtspunkten eine Liberalisierung der deutschen Wasserwirtschaft abzulehnen ist. Wer hin und wieder in anderen europäischen Städten unterwegs ist, bemerkt beispielsweise auch, dass das liberalisierte Müllbeseitigungssystem in der Tat zum Himmel stinkt. Diese Liste ließe sich fortführen.

 

Ich erkenne aber auch an, dass beispielsweise bei der Liberalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs in einigen Städten Skandinaviens viele der möglichen negativen Effekte vermieden werden konnten, wobei sich die Liberalisierung mit Ausnahme von Stockholm - sinnvollerweise, wie ich meine - auf das Busnetz beschränkt. Man muss sich aber auch dort damit abfinden, dass diese Verkehrsleistungen nicht von inländischen Anbietern, sondern von ausländischen multinationalen Konzernen erbracht werden.

 

Was man aus diesen Beispielen lernen kann, ist zum

 

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