Landtag,
6. Sitzung vom 30.1.2002, Wörtliches Protokoll
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der gewählten Verantwortlichen, für ein Funktionieren
kommunaler Leistungen zu sorgen und auch die Verantwortung dafür zu übernehmen.
Dieser Verantwortung kann man immer noch am besten nachkommen, wenn einem auch
die Kontrollmöglichkeiten des Eigentümers zur Verfügung stehen.
Aber um zu den Untiefen von Regulierungsregimes
zurückzukommen: Ginge es nach den Plänen der Europäischen Kommission, sollte
es, wie eingangs erwähnt, schon lange eine fertige Verordnung zur
Liberalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs geben. Im Moment steht man
auf dem Feld "Zurück an den Start". Und was ist der Grund dafür? -
Bei der Behandlung der Thematik im Europäischen Parlament gab es Hunderte von
Änderungsanträgen, sodass das Ergebnis letztlich für jeden Zweck unbrauchbar
war. Ähnlich war es mit dem Richtlinienentwurf zur Daseinsvorsorge - unabhängig
von der Frage der Berechtigung jedes einzelnen Antrags.
Was man daraus lernen kann, ist Folgendes: Je ausgefeilter
und wasserdichter ein Regulierungsregime ist, umso bürokratischer wird es
dadurch zwangsläufig, das heißt auch umso teurer. Ich höre schon jetzt die
Klagen über den Bürokratismus, die Langsamkeit und die Ineffizienz von
Regulierungsbehörden.
Meine Damen und Herren! Seien wir uns bewusst, dass
durchaus die Gefahr besteht, dass man sich nach Liberalisierungsschritten mit
großem Aufwand der Lösung von Problemen widmen muss, die ohne diese gar nicht
entstanden wären. Nicht nur in der Frage von Liberalisierungen - aber hier
besonders - besteht die Tendenz, den Einfluss des Staates zuerst zu
beschränken, um dann mühsam nach Mechanismen zu suchen, um die negativen
Effekte, die das mangelnde wirtschaftspolitische Engagement hervorruft,
auszugleichen.
Diese einseitige Sichtweise der Rolle der
öffentlichen Hand als Reparaturabteilung muss mittelfristig zu großen Problemen
der Effizienz und Finanzierbarkeit führen. Es kann nicht so sein, dass die
öffentliche Hand - und damit der Steuerzahler - immer dann zum Handkuss kommt,
wenn etwas nicht funktioniert, weil es mit den Gewinninteressen Privater nicht
vereinbar ist.
Meine Damen und Herren! Ich habe bereits darauf
hingewiesen, es wäre eine vollkommen ungerechtfertigte Unterstellung, jenen,
die für den Liberalisierungs- und Privatisierungskurs eintreten, pauschal
unlautere Argumentationen vorzuwerfen. Trotzdem, auch in dieser Diskussion hilft
die Frage: Cui bono? Wirklich in erster Linie den Konsumenten, die qualitativ
gleichwertige Leistungen nun zu einem günstigeren Preis angeboten bekommen? -
Würde diese These stimmen, dann müssten doch Konsumentenorganisationen die
heftigsten Verfechter der Liberalisierung sein. Die Wirklichkeit sieht
allerdings so aus, dass der Druck von internationalen Großkonzernen und von
manchen Politikern kommt. Deren Motivation liegt auf der Hand. Für die Unternehmen
geht es um die Erschließung eines riesigen Marktpotentials, für die Politik um
die erhofften Kosteneinsparungen.
Denn steigen wir doch einmal, meine Damen und Herren,
von den prinzipiellen Betrachtungen in die Mühen der Ebene kommunaler Politik
hinab. Dann erkennt man, dass die Forderung nach Liberalisierung und Privatisierung
vielfach schlicht und einfach dem Diktat der leeren Kassen entspringt. Viele
europäische Städte sehen im Lukrieren von Privatisierungserlösen und Kosteneinsparungen
bei der Erbringung kommunaler Leistungen die einzige Möglichkeit zur Sanierung
ihrer maroden Finanzen.
Wien ist dank einer über Jahrzehnte verantwortungsvollen
und erfolgreichen Finanz- und Wirtschaftspolitik glücklicherweise nicht in
einer solchen Situation, sodass hier - bei allem Gebot der Sparsamkeit und des
effizienten Ressourceneinsatzes - die Diskussion ohne diesen Druck geführt
werden kann. Ich spreche hier von Kosteneinsparungen, obgleich ich sie vorher
angezweifelt habe. Diese sind natürlich möglich. Die entscheidende Frage ist
aber, ob dies auch dann gilt, wenn man gegebene Qualitätsstandards und auch
Beschäftigungsstandards halten will. Die Betrachtung einiger internationaler
Beispiele lässt daran Zweifel aufkommen.
Ich will mich gar nicht lange beim desaströsen Beispiel
der Privatisierung des Eisenbahn- und Buswesens in Großbritannien aufhalten,
das glücklicherweise nirgendwo als Vorbild angesehen wird. Auch das Desaster
der kalifornischen Stromversorgung will ich in der europäischen Diskussion
nicht überbewerten. Es gibt aber auch eine Reihe anderer Entwicklungen, die mit
großer Skepsis zu betrachten sind. So führte die 1989 durchgeführte
Privatisierung der britischen Wasserversorgung nicht zu mehr Wettbewerb, zu
keinen Preissenkungen, sondern im Gegenteil zu einer Verdoppelung der Preise
innerhalb eines Jahrzehnts und zu einer um mehr als ein Fünftel gesunkenen
Beschäftigung. Auch in Frankreich hat die Liberalisierung der Wasserversorgung
zu massiven Problemen geführt, sodass sich immer mehr Gemeinden entschließen,
diese wieder zu kommunalisieren; freilich nicht ohne Kosten und mit der
Schwierigkeit, verloren gegangenes Know-how wieder erwerben zu müssen.
In einer grundsätzlichen Studie kam das deutsche
Umweltbundesamt zu dem Schluss, dass aus gesundheits- und umweltpolitischen
Gesichtspunkten eine Liberalisierung der deutschen Wasserwirtschaft abzulehnen
ist. Wer hin und wieder in anderen europäischen Städten unterwegs ist, bemerkt
beispielsweise auch, dass das liberalisierte Müllbeseitigungssystem in der Tat
zum Himmel stinkt. Diese Liste ließe sich fortführen.
Ich erkenne aber auch an, dass beispielsweise bei der
Liberalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs in einigen Städten
Skandinaviens viele der möglichen negativen Effekte vermieden werden konnten,
wobei sich die Liberalisierung mit Ausnahme von Stockholm - sinnvollerweise,
wie ich meine - auf das Busnetz beschränkt. Man muss sich aber auch dort damit
abfinden, dass diese Verkehrsleistungen nicht von inländischen Anbietern,
sondern von ausländischen multinationalen Konzernen erbracht werden.
Was man aus diesen Beispielen lernen kann, ist zum
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