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Landtag, 6. Sitzung vom 30.1.2002, Wörtliches Protokoll  -  Seite 25 von 64

 

einen eine Skepsis gegenüber derartigen Maßnahmen, zum anderen aber auch, dass in jedem Fall eine differenzierte Betrachtung notwendig ist. Man kann nicht alle Bereiche über einen Kamm scheren, man kann nicht von regionalen Besonderheiten abstrahieren. Meine Haltung zu Liberalisierungen und organisatorischen Neuerungen besteht daher keineswegs in einem reflexartigen Nein, sondern es gilt, die für jeden Einzelfall jeweils beste Lösung zu finden.

 

Die Wiener Stadtregierung hat sich in der Vergangenheit verschiedenen Umstrukturierungsmaßnahmen keineswegs entzogen. Ganz im Gegenteil. Diese haben zum Ziel, die kommunalen Dienstleistungen noch effizienter zu gestalten, flexibler zu machen und dort, wo es notwendig ist, die Organisationen besser an die Marktgegebenheiten anzupassen. Das alles freilich unter der Prämisse, dass es zu keinen Einschränkungen der Qualität und der Leistbarkeit der Dienstleistungen kommt.

 

Als hervorstechendstes Beispiel ist sicherlich die Ausgliederung der Wiener Stadtwerke zu nennen. Damit wurde auf sinnvolle Weise auf die geänderten rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen reagiert und gleichzeitig die Versorgungsleistung nicht nur sichergestellt, sondern auch für die Zukunft fit gemacht.

 

Auch die organisatorischen Änderungen beim Wiener Wohnen, bei den Museen und in anderen Bereichen beweisen, dass der Vorwurf des Strukturkonservativismus mehr als ungerechtfertigt ist. Diese Veränderungen sind auch nicht abgeschlossen, sondern werden sich weiter dynamisch entwickeln, je nach den Erfordernissen.

 

Ich verweigere auch keineswegs die Diskussion über Besitzverhältnisse oder Beteiligungen an verschiedenen Unternehmen. An eine solche Diskussion ist völlig unideologisch, pragmatisch und fallbezogen heranzugehen. Eines aber wird es in Wien nicht geben: Die Sozialisierung von Verlusten und die Privatisierung von Gewinnen. Mancherorts werden auch nach betriebswirtschaftlichen Kriterien erfolgreiche Bereiche auf den Markt geworfen, während sich die öffentliche Hand jene mit Zuschussbedarf gnädig behalten kann. Wenn schon immer wieder der fragwürdige Vergleich der öffentlichen Hand mit einem Unternehmen hergestellt wird: Eine solche Vorgangsweise entspricht sicher nicht dem Handeln eines ordentlichen Kaufmanns.

 

Die Qualität kommunaler Dienstleistungen hat einen wesentlichen Gradmesser: Die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger. Mir ist zwar bewusst, dass dies in vielen Städten nur unzureichend gegeben ist und ich kann schon verstehen, wenn daher die politisch Verantwortlichen verleitet sind, im Instrument der Liberalisierung und Privatisierung Abhilfe zu suchen, aber, meine Damen und Herren, Wien denkt doch anders! Kaum wo ist der Zufriedenheitsgrad mit kommunalen Dienstleistungen so hoch wie in Wien, egal, ob man die Wienerinnen und Wiener fragt oder ausländische Gäste. So wurde beispielsweise erst jüngst die hohe Zufriedenheit mit dem öffentlichen Verkehrssystem erneut dokumentiert. Ich frage mich, warum man diese hohe Qualität aufs Spiel setzen sollte.

 

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird immer wieder auf die Bedeutung lokaler Gebietskörperschaften hingewiesen. Der Gedanke der Subsidiarität erfährt breite Unterstützung. Ich bin darüber sehr froh und ein klarer Verfechter dieses Zugangs, denn der Begriff des "Europas der Regionen" und eine Stärkung der Rolle der Städte in der Europäischen Union hat nichts mit Provinzialismus zu tun. Es geht zum einen darum, der Globalisierung der Ökonomie durch die wirtschaftliche Einheit Europas Rechnung zu tragen, zum anderen aber um das Bewusstsein der vielfältigen kulturellen Differenzierungen, die ein untrennbarer Bestandteil der europäischen Stärke sind.

 

Auch die Identifizierung der Bürgerinnen und Bürger mit dem europäischen Projekt wird nur dann steigen, wenn einerseits die Vorteile der wirtschaftlichen Einheit erkennbar sind, andererseits aber auch die Bedeutung und die Besonderheiten lokaler und regionaler Einheiten weiterhin spürbar und im politischen Entscheidungsprozess relevant sind.

 

Wenn man sich zu einem System des Föderalismus und der Subsidiarität bekennt, sollte man nicht die Möglichkeiten beschränken, diese Grundsätze auch in der politischen Praxis zur Geltung kommen zu lassen. Die Bereitstellung kommunaler Dienstleistungen ist ein wichtiges Element der kommunalen Selbstverwaltung und diese wiederum ein wichtiges Element der Demokratie.

 

Es liegt mir im Sinne dieser Eigenverantwortlichkeit auch fern, anderen etwas vorschreiben zu wollen. Jede Stadt, jede Region soll ihre öffentlichen Dienstleistungen auf die Weise erbringen, die ihr am besten erscheint. Im Gegenzug will ich mir aber ebenfalls nicht vorschreiben lassen, welchen Weg wir zu gehen haben.

 

Die Stadt Wien hat innerhalb der Europäischen Union zur Liberalisierungsdebatte klar Stellung bezogen. Es war die Initiative Wiens und einer Reihe von anderen Städten, die etwa auf die großen Probleme und sehr unterschiedlichen Interessenlagen im Zusammenhang mit der Liberalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs hingewiesen hat. Dieser Einsatz hat, wenn schon nicht zu einem vollkommenen Umdenken, so doch zu einem wesentlichen Mehr an Realismus seitens der Europäischen Kommission geführt. Gleiches gilt auch für den Richtlinienentwurf zur Daseinsvorsorge. Wir haben damit gezeigt, wie erfolgreiches Lobbying in der EU funktioniert: Ohne Theaterdonner, ohne Drohgebärde, ohne wichtige Partner langfristig zu vergrämen, sondern durch die Suche nach Verbündeten, gute Argumente und Konsequenz in der Sache.

 

Wien wird sich in der künftigen Diskussion in europäischen Gremien, im neu geschaffenen Konvent und in der europäischen Öffentlichkeit in seinen Beiträgen an diesen Grundüberlegungen orientieren. - Ich danke Ihnen. (Beifall bei der SPÖ.)

 

Präsidentin Erika Stubenvoll: Ich danke dem Herrn Landeshauptmann für den Bericht.

 

Wir kommen nun zur Diskussion. Die Geschäftsordnung bestimmt, dass bei der nun folgenden Besprechung

 

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